Feinschmecker-Jubiläum: Ein Cover-Rückblick
Der Feinschmecker feiert seinen 50. Geburtstag! 1975 erblickte unser Magazin das Licht der Welt. Zwei Jahre zuvor leuchtete bereits der erste Michelin-Stern in einem deutschen Restaurant: „Jahrhundertkoch“ Eckart Witzigmann, ein Österreicher, erkochte ihn im Münchner „Tantris“. Mit 50 Jahren haben wir aber keine Midlife-Crisis, stattdessen wollen wir ordentlich feiern.
Beim Durchstöbern früher Ausgaben des Feinschmeckers sind die „Titel-Männer“ besonders auffällig. Titel-Männer? Genau! Von Ende 1976 bis Ende 1989 zeigte jedes Cover kein Tellergericht, sondern einen Mann. Bekannte Köche wie Paul Bocuse und Eckart Witzigmann, bekennende Genießer wie Luciano Pavarotti und Peter Ustinov ebenso wie, man glaubt es nicht, Karl Lagerfeld und Oskar Lafontaine, damals Vizechef der SPD.
Die Zielgruppe im Fokus
Wie kam es dazu? Madeleine Jakits, ehemalige Feinschmecker-Chefredakteurin und im Redaktionsteam seit Dezember 1988, erinnert sich: „Der Feinschmecker wollte zu der Zeit seine Zielgruppe schärfer umreißen. Das hatten Anzeigenleiter Helmut Metz, Verlagsleiter Wolf Hoffmann und Chefredakteur Horst-Dieter Ebert ausgebrütet.“ Das – natürlich rein männliche – Trio hatte die gut verdienenden Manager im Visier, die sich teure Weine und exklusive Restaurants gönnten. „Damit sich diese Herren auch angesprochen fühlten, sollten Männer die Cover bevölkern“, so Jakits. „Schauspieler, Sänger, Politiker und Könige der Luxusindustrie.“
Die Ära der männlichen Cover
Der „reisende Manager“ im Fokus der Chefs wurde so oft zitiert, dass darüber schon intern Witze in der Redaktion gerissen und „in manche Texte eingeschmuggelt“ wurden, wie sich Madeleine Jakits erinnert. Offenbar träumte die Verlags- und Anzeigenleitung zu der Zeit mehr von einem Männermagazin à la GQ, Esquire oder gar Playboy. „Es sind zu viele Teller abgebildet“, hieß es sogar in manchen Konferenzen, „das ist viel zu weiblich.“ Man wünschte sich als Ziel-Leser den soignierten Gentleman, der sich auch eine sündteure Armbanduhr leistete, rahmengenähte Schuhe und Maßanzüge, Havannas rauchte und Luxuslimousinen fuhr.
Karl Lagerfeld: Ein besonderer Titelheld
Da passte natürlich auch ein Karl Lagerfeld gut aufs Cover. Auf dem Titel (November 1989) blickt er typisch ernst und nachdenklich in die Kamera. Man erkennt ihn erst auf den zweiten Blick, dunkelhaarig und fülliger, der ikonische Schmalhans ist noch fern. In der Titel-Reportage zeigt sich der Couturier als harter Arbeiter, der im Leben wie beim Sprechen hohes Tempo fährt – „langsame Leute machen mich nervös“. Lagerfeld besitzt zwar einen Weinberg bei Nantes, aber sonst fallen in dem Text nicht ein einziges Mal die Worte „essen“, „kochen“ oder „genießen“.
Oskar Lafontaine: Genuss und Politik
Immerhin hatte es Oskar Lafontaine, spätes Mitglied der „Toskana-Fraktion“, auf die Titelseite des Feinschmeckers geschafft. Grund: Er hatte für die saarländische Landesvertretung in Bonn den damals renommierten Koch Heinz-Peter Koop geholt (Lafontaine: „Eine großartige und kostenlose PR-Aktion für das Saarland!“). Koops „Kartoffelsuppe Piemonteser Art“ und die Boudin-Ravioli auf Lauchbutter begeisterten auch Reporter Wolfram Siebeck, der bei Lafontaine zu Gast war.
Loriot: Ironie in Perfektion
Den Zeitgeist souverän überdauert dafür der hintergründige Humor Loriots. Bis heute hat keiner die (pardon!) Arroganz und Wichtigtuerei von Köchen und Kellnern der Haute Cuisine so herrlich auf die Schippe genommen wie Vicco von Bülow. Fürs berühmte Cover-Porträt mit der Nudel im Gesicht („Hildegard, sagen Sie jetzt nichts!“) bestellte er neben einem Salatteller auch Klebstoff, um den Salat in eine gute „aufrechte“ Form zu bringen.
Weitere Cover-Männer waren zum Beispiel Peter Ustinov, der auf einem Baguette Querflöte spielt, Schauspieler Günter Strack, TV-Star und „Dompteur der Schickeria“ Leo Lukoschik (kennt den noch jemand?), Zino Davidoff, Jean-Louis Dumas-Hermès, Luciano Pavarotti und Giuseppe Sinopoli, beide begeisterte Hobbyköche.
Das Ende der männlichen Cover
Mittlerweile hatte sich die Idee des Männermagazins als Irrweg erwiesen – die Verkaufszahlen sanken und damit die Anzeigenerlöse. In der Ausgabe April 1990 endete die maskuline Serie der Titelfotos, plötzlich zieren drei Damen in roten Blusen das Cover, die Teller mit Klößen, Salat und Weingläser in die Höhe strecken. Seitdem zeigen die Cover nur noch Gerichte.