Champagner auf Tour

Champagner auf Tour

Edler Schaumwein steigt vom Podest: An ungewohnten Orten zeigen Krug & Co, dass die Traditionsmarken auch zu Fish & Chips oder Schinkenbrot schmecken.
Datum27.08.2019

Text: Patricia Bröhm

Am Münchner Gärtnerplatz gibt es jetzt wieder jeden Abend ein Freiluft-Happening, überall zwischen den Blumenrabatten sitzt junges Partyvolk samt mitgebrachten Drinks. Ein paar Schritte weiter, in den umfunktionierten Räumen der Galerie „art:ig“ (Corneliusstraße 19), knallten vom 27. bis zum 30. Juni die Korken: Das legendäre Champagnerhaus Krug inszenierte hier einen „Fischmarkt“. Man wolle „Krug vom Nimbus des Elitären befreien“, so formuliert es Alexa Agnelli, Pressesprecherin von LVMH (Louis Vuitton Moët Hennessy).

Demokratisierung und Entmystifizierung des einstigen Festtagsgetränks Champagner

Denn während im französischen Mutterland eine Flasche bulles gern und bei jeder Gelegenheit geköpft wird, assoziiert man das große Prickeln bei uns nach wie vor eher mit Spitzengastronomie oder besonderen Anlässen. Um das zu ändern, setzen die Champagnerhäuser seit einiger Zeit ganz bewusst auf Aktionen, die den allzu ehrfurchtsvollen Umgang mit ihrem Produkt unterwandern, indem sie den Schaumwein an ungewöhnliche Orte bringen. So gastierte vorigen Sommer eine Dom-Pérignon-Bar im Münchner Edelkaufhaus „Oberpollinger“, zwei Wochen lang schenkte man dort Dom Pérignon Vintage 2006 sowie Dom Pérignon P2 aus. Schon mehrfach stillten die Hamburger ihren Durst an einem „Krug Kiosk“, der jeweils für wenige Tage in einer umgewidmeten Galerie im solventen Stadtteil Eppendorf aufploppte. Ein Augenzwinkern ist schon dabei, wenn die edlen Perlen aus den Kult-Lagen um Ambonnay jetzt in München zu Fischbrötchen serviert werden. „Wir holen Krug vom Podest herunter“, sagt Agnelli, „und bringen ihn den Konsumenten auf locker-lässige Art näher.“ Jedes Jahr stellt die High-End-Marke ein anderes Lebensmittel in den Mittelpunkt ihrer Aktivitäten, um das feine Getränk in den Köpfen der Konsumenten auch als Speisenbegleiter zu etablieren. Beim Krug-Pop-up in Hamburg-Eppendorf, das kulinarisch dem Thema Pilz gewidmet war, gelang das im vergangenen Sommer schon bestens: Für 27 Euro genossen die Gäste ein Glas Champagner und ein Gericht dazu – zur Wahl standen unter anderem Trüffel-Dim-Sum und Brioche von Tim Raue oder Variationen von Waldpilzen und Jakobsmuschel aus der Küche von „Süllberg“-Chef Karlheinz Hauser.

Geht es nach den großen Champagnerhäusern, ist die Demokratisierung des einstigen Festtagsgetränks also in vollem Gange. Andererseits: Wollen wir Champagner-Liebhaber unsere bubbles wirklich zu Fish & Chips trinken? Ist es nicht schön, wenn sie etwas Besonderes bleiben, den wirklich prickelnden Momenten im Leben vorbehalten? Könnte die Entmystifizierung dieses großen Produkts nicht irgendwann auch nach hinten losgehen? Nein, meint Christian Josephi, Sprecher des Bureau du Champagne in Deutschland. Er sieht die neuen Gelegenheiten zum Ausschank sehr positiv: „Die Erwartungen an Champagner sind bei den Konsumenten heute sehr unterschiedlich, je nach Lebensumständen und Weinerfahrung. Gerade junge Leute denken nicht mehr in gelernten Genusssituationen, sie gehen mit sehr viel Offenheit und Experimentierfreude an das Thema heran – und da passt Champagner eben auch mal zum street food.“ Dem Geschäft scheint diese Entwicklung jedenfalls gutzutun. Für das Jahr 2017 meldete der Champagner-Gesamtverband, das Comité Champagne mit Sitz in Épernay, einen neuen Rekordumsatz von 4,9 Milliarden Euro weltweit, über eine Milliarde mehr als noch 2005. Die großen Champagnerhäuser jedenfalls sprudeln nur so vor neuen Ideen. Anfang des Jahres staunten die Skifahrer in Lech nicht schlecht, als sie beim Einkehrschwung auf der legendären Terrasse des Gasthofs „Post“ mit einem Glas Champagner und Kaviarhäppchen empfangen wurden: Eben noch den knirschenden Schnee unter den Brettern, jetzt ein Glas Pommery Springtime Rosé in der Hand. Ein dunkelgrün lackierter Airstream-Wohn­wagen aus den 50er-Jahren dient als mobile Bar für eine unge­wöhnliche Aktion, die Vranken-Pommery gemeinsam mit der Silberschmiede Robbe & Berking und dem Kaviarhaus Prunier gestartet hat. „Wir möchten“, sagt Thomas Wirz, Geschäftsführer von Vranken-Pommery, „mit unserem Genusswagen zeigen, dass man sich auch als traditionsreiches Champagnerhaus anders und jünger präsentieren kann, möchten an überraschenden Locations neue Zielgruppen ansprechen.“

„In vielen Köpfen ist Champagner immer noch dem besonderen Moment vorbehalten“, sagt Wirz, „wir sehen das umgekehrt."

Diesen noblen „Genusswagen“ betreiben die drei Luxusmarken schon seit etlichen Jahren als originellen Messestand, nun taucht er auch an Kultorten wie der „Post“ in Lech oder im Sylter „Gogärtchen“ auf (zum Jazz-Festival in Kampen Mitte Juli), gastiert mal bei der Deidesheimer Weinkerwe, mal beim Sommerfest im „Wald- und Schlosshotel Friedrichsruhe“ und ist auch für private Feste zu buchen. Drinnen verbirgt sich eine ganze Küchenaus­stattung, sodass zum Champagner komplette Menüs für bis zu 60 Personen serviert werden können. Mit solchen Touren möchte Pommery sein Produkt demokratisieren. „In vielen Köpfen ist Champagner immer noch dem besonderen Moment vorbehalten“, sagt Wirz, „wir sehen das umgekehrt: Der besondere Moment entsteht dadurch, dass man eine Flasche Pommery öffnet. Und das kann auch einfach mal nach Feierabend zu einem hausgebackenen Brot mit gutem Schinken sein.“ Das Umdenken konnte man Ende April auch in Berlin beobachten, wo das älteste Champagnerhaus der Welt auf chinesische Performance-Kunst setzte. Beim Gallery Weekend in Mitte inszenierte Ruinart eine Art Pop-up-Galerie, wo sich Kunstinteressierte mit dem einen oder anderen Glas für den Rundgang durch die Kreativszene stärken konnten. Die Galerie Deschler in der Auguststraße zeigte zu diesem Anlass eine Bilderserie, die der Künstler Liu Bolin eigens für die renommierte Champagnermarke entwickelt hat – Street-Art in den Weinbergen und Kreidekellern von Reims. Last, not least: Auch bei uns Schule machen könnte ein Projekt, das Moët & Chandon im Frühjahr bei Yannick Alléno im „Pavillon Ledoyen“ an den Champs-Élysées lanciert hat: „Inside“, ein spezieller Tisch für sechs Personen, an dem zu den besten Flaschen aus Épernay eigens auf den Champagner hin entwickelte Gerichte serviert werden. Beim Essen genießen die Gäste den Blick in die vielfach ausgezeichnete Küche – eine Art Champagner-chef’s-table. Könnte für manche Genießer der Stammtisch werden.

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