Seit 30 Jahren sinkt der Bierkonsum in Deutschland. Große Bierhersteller beklagen, dass ihre Weizen, Pils und Export im Supermarktregal schal werden. Doch das ist nur die eine Seite. Im ganzen Land entstehen kleine Brauereien, die mit kreativen Varianten von Hopfen und Malz experimentieren. Sie fördern Geschmäcke zutage, die jenseits des Mainstreams liegen. Das bedient den Trend zur Regionalität und Transparenz. In den Städten eröffnen Brauhäuser, aus deren Zapfhähnen mehr Spezialitätenbiere fließen, als man an einem Abend probieren kann.
Der Erfolg der -Biere rührt daher, dass die neuen Trinkhallen urbane Wohlfühlorte sind. Manche sind im modernen, nüchternen Industrie-Schick eingerichtet, andere locken mit Kaminfeuer, Holzfußboden und Fellen an ihre Tresen. Zudem können sich dank der Vielfalt des Angebots alle mit dem einen oder anderen Bier anfreunden – selbst diejenigen, die jahrelang keins getrunken haben. Denn statt Pils für alle finden sich plötzlich Rotbier, Zwickel, Atlantik-Ale oder IPA auf den Getränkekarten, dazu saisonale Spezialitäten. Am Tresen wird heute über Bier geredet wie früher über Wein und Rum. In der Tat stecken in einem Glas Bier bis zu 8.000 Aromen, weit mehr als im Wein. Die Vielfalt der neuen Biere scheint unendlich groß.
„Deutschland ist ein bierverliebtes Land“, sagt Daniel Hertrich, 32, der im "Alten Mädchen" für das Marketing verantwortlich ist, und lacht. „Wer einmal mit Craft Beer angefangen hat, kann einfach nicht mehr zurück zum Standard-Pils, das schmeckt irgendwie langweilig.“, fügt er hinzu.
Wer einmal mit Craft Beer angefangen hat, braucht auch dringend etwas zu essen, sonst fällt er womöglich vom Stuhl. Manche dieser Biere haben mehr als neun Prozent Alkohol. Gut, dass die neuen Brauhäuser auch Handfestes für den Hunger bereithalten.
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Altes Mädchen, Hamburg
Das Altes Mädchen ist eine Art Showroom der neuen Bierkultur. Wer auf ein Bier hierher geht, darf sich auf einen Abend mit der Nixe freuen. Im gemütlichen Gasthaus der Ratsherrn-Brauerei in den Hamburger Schanzenhöfen wird den Gästen dafür ein „Tasting Tray“ serviert: fünf schlanke Gläser auf einem Holztablett, geschnitzt wie der Körper einer Fischfrau. In jedem Glas wartet ein anderes Bier, das Farbspektrum reicht von Zartgelb über Goldorange bis zu Rubinrot. Und erst der Geschmack! Das Zwickel ist mild und frisch, das kalt gehopfte Pale Ale eher fruchtig, das IPA (India Pale Ale) hat tolle Bitternoten, das Rotbier schmeckt malzig und ein bisschen nach Karamell. „Na, welches Bier hat euch denn am besten geschmeckt?“, fragt der Kellner. Hm, das ist schwer zu sagen. Und dabei war das erst eine kleine Auswahl. Auf der Karte stehen noch dutzendweise weitere Biere aus aller Welt, die alle einen Probierschluck wert sind.
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Frisches Bier, München
In München, wo jahrzehntelang das „Hofbräuhaus“ the place to drink beer war, hat im Schlachthofviertel das Frisches Bier eröffnet. Dort stehen die Gäste um einen zentralen Tresen mit 14 Zapfhähnen. Auf einer Schiefertafel an der Wand steht die aktuelle Bierkarte: Helles, Weizen, Bock, Ale, Pils, Stout, Märzen, Sour und IPA, alle aus feinen, kleinen Brauereien. Dazu gibt es gute Hausmannskost, etwa Knödelsalat mit Radieschen und Fenchel oder Rindsrouladen mit Spätzle.
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Stone Brewing Tap Room, Berlin
Im Berliner Stone Brewing Tap Room – Prenzlauer Berg etwa fließen aus 27 Hähnen Spezialitätenbiere, dazu bekommt man ganztägig Frühstück und internationales Streetfood: herzhafte Pastrami-Sandwiches, Pulled Pork Spring Rolls und Hoisin Chili Duck Tacos.
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ÜberQuell, Hamburg
Im ÜberQuell am Hamburger Hafen machen sie den Gästen das Bier aus der eigenen Mikrobrauerei mit krossen neapolitanischen Pizzas schmackhaft.
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Liebesbier, Bayreuth
Im Bayreuther Liebesbier sitzen die Gäste zwischen altem Mauerwerk und schauen den Brauern bei der Arbeit zu. Bei einer Auswahl von 21 Bieren vom Fass und weiteren 80 handgebrauten Spezialitäten aus der Flasche fällt es dort schwer, zu entscheiden, ob man dazu lieber den Dry-Aged Lammlachs mit Aprikose und Kardamom bestellt oder das Tandoori-Hühnchen mit Kokos und Quinoa.
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BRLO Brwhouse, Berlin
Dass Bier auch ganz ohne Fleisch auskommt, machen sie im Berliner BRLO Brwhouse aufs Allerfeinste vor. Das Brauhaus liegt am Gleisdreieck in einem imposanten Bauwerk aus 38 Überseecontainern. 20 hausgemachte Biere sind hier im Ausschank, dazu internationale Exoten. Aber noch außergewöhnlicher ist die Küche. Sie verfolgt das ehrgeizige Ziel, eine neue Interpretation von Brauhauskost zu zeigen: Der Star auf der Karte ist Gemüse – fermentiert, eingelegt, smoked oder in Salzkruste gegart.
„Neues Bier verträgt auch neues Essen“, sagt Ben Pommer, der 34-jährige Geschäftsführer und Küchenchef: „Bei uns bekommt das Gemüse eine Sonderbehandlung. Danach hat es Power und passt perfekt zum Bier.“ Mit Gerichten wie im Ganzen geröstetem Blumenkohl mit Pale-Ale-Glasur und Bohnen-Vinaigrette oder Sous Vide (schonend im Vakuumbeutel) gegartem Chicorée mit Weizenmalz hat sich das „BRLO“ eine Auszeichnung verdient.