Frauen, die Schnäpse brennen
Harte Sachen, harte Kerle? Welch ein Klischee! Deutschlands beste Brennerinnen beweisen mit ihren Whiskys, Gins oder Likören feine Nasen und Gaumen – und mit ihren Karrieren eine gute Portion Mut
WHISKY MIT PICKELHAUBE
Cornelia Bohn, Mark Landin
Whisky war für Cornelia Bohn nicht einfach ein Drink. Whisky war für die junge Frau in der DDR das Synonym für Freiheit schlechthin. „Im Osten fühlte ich mich eingesperrt“, erzählt die heute 54-jährige Destillateurin, die im uckermärkischen Schwedt aufgewachsen ist: „Im Film sah man immer die Helden am Whiskyglas nippen. Das hat für mich Glamour bedeutet.“ Auf ersten Auslandsreisen, Mitte der 80er-Jahre nach Bulgarien etwa, trank sie den ersten Whisky ihres Lebens, einen Blended Scotch. „Dann, 1989, Tatsache, kaufte ich mir die erste eigene Scotchflasche vom Begrüßungsgeld.“
Der Sprung ins kalte Wasser
Bohn hat in der DDR Pharmazie-Ingenieurin studiert, kam so immerhin mit Destillierverfahren in Berührung. Nachdem sie auf vielen Schottlandreisen verschiedenste Whiskystile durchprobiert hatte, entschied sie sich 2006 zum Sprung ins kalte Wasser: In der Uckermark stand ein verlassenes Gutshaus mit Pferdeställen zum Verkauf, sogar eine Korn-Brennanlage war noch dabei. Bohn besuchte Destillierlehrgänge an der Uni Hohenheim, orderte in Bamberg geröstetes und über Torf geräuchertes Malz, brannte in einer neuen Kolonnen-Anlage ein sehr feines Malzdestillat und gab es zum Reifen in Barrique-Fässer.
„stark, aber doch sanftmütig.“
Mit dem Namen „Preussischer Whisky“ war auch das witzige Logo gefunden: ein geflügeltes Pferd mit Pickelhaube. „Das ist für mich auch mein Whisky“, sagt Bohn, „stark, aber doch sanftmütig.“ Mit seinen Noten von Orange, Kakao und Ingwer zählt der fünfjährige Whisky schon jetzt zu den besten aus Deutschland; bald soll ein Zehnjähriger folgen. Frauen-Power sei Dank: Der Osten blüht! www.preussischerwhisky.de
LIEBESTRANK UND KATZENGIN
Petra Spamer-Riether, Dossenheim
Petra Spamer-Riether ist einerseits Schöpferin grandioser Spirituosen, andererseits eine unerschöpfliche Quelle für kuriose und spannende Geschichten, die Stoff für mindestens ein Buch hergäben. Vielleicht schreibt sie es einmal selbst, aber im Moment hat sie natürlich keine Zeit dafür: Wenige Kilometer von Heidelberg entfernt kümmert sich die 56-jährige Erfinderin des Kräuterlikörs „Pussanga“ und des hochgelobten „Schrödingers Katzen Gin“ selbst um Qualitätskontrolle, Vertrieb und Marketing ihrer Produkte. Nur ihre 25-jährige Tochter Janina geht ihr parallel zum BWL-Studium zur Hand – eine two women show, die jede Menge Kraft kostet.
Von Peru nach Berlin, London und New York
Die schöne Geschichte begann Mitte der 80er-Jahre im peruanischen Regenwald. Petra Spamer-Riether studierte Chemie, Schwerpunkt Naturstoffe, und war bei verschiedenen Indianerstämmen auf der Suche nach wirksamen Pflanzen. Hier entdeckte sie die Pussanga-Wurzel, die aphrodisierend wirken soll. Später arbeitete sie als Filmemacherin fürs Fernsehen („Länder, Menschen, Abenteuer“) und ließ sich einerseits von erfolgreichen Unternehmerinnen der Geschichte wie Helene Amalie Krupp inspirieren, andererseits von Martin Suters Roman „Der Koch“, wo es um liebesfördernde Gerichte geht. Prompt kam ihr die Idee, aus der Pussanga-Pflanze einen Likör herzustellen – neu, exotisch, vielleicht auch wirksam. Ein Jahr brauchte Stamer-Riether für das Rezept, weitere zwei Jahre für die Entwicklung. Die Resonanz war riesig: Der herbe hellrote Likör wurde beim „Bar Convent Berlin“ 2013 ebenso gefeiert wie bei Wettbewerben in London und New York.
Schrödingers Katze
Bei so einem guten Gespür für Kräuterzutaten lag es nahe, auch einen Gin zu brennen. Die Idee zu „Schrödinger’s Katzen Gin“ kam Spamer-Riether durch vor ihrem Haus herumschleichende Katzen und durch Gespräche mit befreundeten Physikern, die über die berühmte Theorie des Quantenphysikers Erwin Schrödinger plauderten. Der Nobelpreisträger für Physik hatte dabei, kurz gesagt, zur Diskussion gestellt, dass eine Katze in einem blickdichten Karton gleichzeitig tot und lebendig sein könne.
Petra Spamer-Riethers Katzengin jedenfalls ist quicklebendig: Der exquisite, 2018 entwickelte Gin wird mit 14 Biokräutern gebrannt, darunter, nomen est omen, die zitronig-frische Katzenminze. Produziert wird in einer Destillerie in Brandenburg nach Spamer-Riethers Rezept und Vorgaben. Bars wie das Münchner „Schumann’s“, die Berliner „Vox Bar“ oder das Londoner „Savoy“ servieren „Schrödinger’s Katze“, die es als „Distiller’s Cut“ jetzt auch mit stärkeren Wacholdernoten und mehr Alkohol gibt. „Ideen habe ich noch viele“, sagt Spamer-Riether, „aber manchmal bin ich doch irre erschöpft.“ www.heidelbergspirits.com
WHISKY ALS FULLTIME-JOB
Michaela Habbel, Sprockhövel
Bizarr fand Michaela Habbel den Moment auf der „InterWhisky“-Messe in Frankfurt, als sie vor ein paar Jahren als Ausstellerin ihren „Hillock“ präsentierte. Der wunderbar harmonische Single Malt, der mit Noten von Kakao, Orangen und etwas Rauch an schottischen Highland-Whisky erinnert, begeisterte die Besucher – aber die redeten nicht mit ihr, sondern nur mit dem Kollegen vom Vertrieb. „Die hielten mich für die Hostess“, erzählt Habbel schmunzelnd, und entsprechend baff reagierten die Whiskyfans, als die Chefin ihnen erklärte: „Ich stehe am Brennkolben und mache alles selbst, vom Maischen der Gerste bis zum Finishing in den Eichenfässern.“
Von wegen hübsches Aushängeschild
Wer die fröhliche 30-Jährige in ihrer wunderschönen Brennerei bei Wuppertal besucht, erlebt sie als Genussmenschen, als Gastronomin, vor allem aber als Vollzeit-Arbeiterin durch und durch, die zwischen den zehn Kolonnen-Brennanlagen und dem 400 Fässer starken Lager hin und her stapft und auch schwere Kisten mit Flaschen schleppt: „Habe ich kein Problem mit.“ Ihre zwölf Mitarbeiter, „die Jungs“, nehmen ihr die Last nicht ab, und das ist gut so. Bloß keine Sonderbehandlung, nur weil sie eine Frau ist – von wegen hübsches Aushängeschild!
Michaela Habbel ist buchstäblich zwischen Brennblasen und Fässern aufgewachsen: Seit 1878 brennen die Habbels Schnaps für die Grubenarbeiter im Ruhrgebiet. Michaela destillierte ihren ersten Brand mit sechs Jahren, einen Tannenspitzengeist. Den probierte sie nicht, dafür malte sie die Etiketten. Heutiges Herzstück des Sortiments ist der Whisky „Hillock“, meist acht Jahre gereift, dazu der vierjährige Rye aus regionalem Roggen und der kräftig würzige „Westside“- Gin. Der Laden läuft. „Dass ich eine Frau bin, hilft mir heute wohl eher“, meint Michaela Habbel: „Ich falle auf.“ www.habbel.com
DER REBELL AUS DEM EICHENFASS
Franziska Bischof, Wartmannsrot
Manchmal hilft ein neuer Blickwinkel, um zur Wahrheit vorzudringen. Zu ihm verhalfen Franziska Bischof sieben Jahre in Italien, wo sie in Brescia Tourismusmarketing studierte und dann im Automobilbereich arbeitete. Die heute 33-jährige blonde Fränkin lebte dort mit einem Bäcker zusammen und staunte über die italienische Hingabe an feinstes Essen, gute Weine und überhaupt die besten Lebensmittel, die man finden konnte. Franziskas Eltern betrieben in der Rhön Landwirtschaft mit 80 Hektar Ackerland, Schweinemast und einer Kleinbrennerei für feine Obstbrände. „Plötzlich“, erinnert sie sich, „erkannte ich, was für einen Schatz wir da in Franken eigentlich haben.“
Bürojob oder buckeln in der Landwirtschaft
Ende 2012 zog sie zurück in die Heimat, samt (ungarischem) Freund. „Mein Vater erklärte mich für verrückt“, erzählt sie schmunzelnd, „einen guten bequemen Job im Büro aufzugeben fürs Buckeln in der Landwirtschaft. Aber ich wollte in der Brennerei weitermachen!“ Gesagt, getan. Nach dem ersten Kassensturz war klar, dass die „Edelbrennerei Bischof“ mit Apfelschnaps und Himbeergeist kein Geld verdiente, sondern draufzahlte. Franziska wollte „neue Produkte, neue Marken, neue Preise“. Das ist der zierlichen Frau bestens gelungen: Nach einem alten Rezept des Vaters Anton brachte sie einen Grain Whisky aus Weizen und Malz auf den Markt. Fünf Jahre hat dieser „Rebell“ in Rhöner Eichen- und Kastanienfässern gelegen, ist erstaunlich komplex mit fruchtigen Apfelnoten und Aromen von Vanille und Nougat. Der Gin „Florian“ aus sechs Blütenpflanzen von Holunder bis Lavendel begeistert Männer wie Frauen. Neu ist der Weinbrand „Muse“ aus Hammelburger Wein, der im Eichenfass drei Jahre lang feine Vanille-und Schokonoten entwickelt hat.
Fränkische Brände von der „Best Female Distiller“
An der Wand des tasting-Raums prangt die Urkunde vom Berliner „Craft Spirits Festival 2018“ als „Best Female Distiller“ – mit dieser Einschränkung ein Grund zum Ärger? „Nee, zum Jubel“, sagt Franziska Bischof, „damit ehren mich die Juroren ja für das, was ich hier mache, um die Tradition zu retten.“ Lachend fügt sie hinzu: „Aber ich wäre auch gern mal einfach der beste Brenner!“ Franziskas Events sind einfallsreich, vom „Gin Workshop“ bis zur „Langen Nacht der Kurzen für Singles“. Dabei zeigt sie die Pracht der fränkischen Brände, von der Quitte bis zum Gin. www.diebrennerin.de
PIEKFEINE BRENNBLASEN
Birgitta Schulze van Loon, Bremen
Ein Besuch bei „Birgitta Rust – Piekfeine Brände“ im Bremer Europahafen lohnt auf alle Fälle: Fast jeden Tag blubbern hier Obstmaischen für klaren Williams- oder Quittenbrand oder Gerstenmalz für den Whisky „Van Loon“. Ungewöhnlich sind die kupfern funkelnden Brennblasen neben den Edelstahl-Gärtanks. „Echte pot stills“, erklärt Birgitta Schulze van Loon, geschiedene Rust, mit Stolz in der dunklen Stimme. Die agil-ehrgeizige, dabei stets freundliche Frau Jahrgang 1961 gewinnt seit 2011 mit dieser Anlage erst den Roh-, dann den Feinbrand – wie die Schotten beim Whisky, die Franzosen beim Cognac. Der Tipp kam vom österreichischen Kollegen Heinz Reisetbauer. Dieser Austausch ist typisch für Schulze van Loon. Bestens vernetzt, hält sie Kontakte zu fränkischen Obstbauern, die ihr die Früchte liefern, aber auch zu berühmten Brennern wie Arno Dirker in Mömbris bei Aschaffenburg.
Absolute Exotin
Ursprünglich Betriebswirtin, verlor sie 2008 ihren Job und wagte dann etwas Neues: Obstbrände machen wie diejenigen, die ihr Vater aus seiner neuen Heimat Österreich mit hoch nach Bremen brachte. Birgitta ging ins mainfränkische Veitshöchheim und lernte dort Destillieren an der Landesanstalt für Wein und Gartenbau – als „absolute Exotin“, erzählt sie lachend, „erstens Frau, zweitens Fischkopp“. Die Seiteneinsteigerin kniete sich voll rein und überzeugt heute mit dem Whisky „Van Loon“, ihrem Mann Dietrich gewidmet, ihrem Gin „Triple Peak“ (kräftige Bergamotte-Noten) und dem neuen Aperitif „Rosalie“ aus Erdbeeren, Bitterorangen und Rosenblüten. Auch Rum, Weinbrand und Aquavit sind in Arbeit, Pläne hat sie reichlich. „Nur die Zeit, davon gibt’s immer zu wenig!“ www.br-piekfeinebraende.de