Das "Dim Sum Haus" in Hamburg: Auf Dampf und Hitze direkt ins Herz

Das "Dim Sum Haus" in Hamburg: Auf Dampf und Hitze direkt ins Herz

Das Hamburger "Dim Sum Haus" ist nicht einfach irgendein chinesisches Restaurant: Vor 60 Jahren am Hauptbahnhof eröffnet, ist es mittlerweile ein Lieblingslokal von Köch:innen und Gastronom:innen. Die Pekingenten werden sogar deutschlandweit verschickt. Die Geschichte eines Phänomens.
Datum06.10.2023

Reisende, die nur vorbeieilen und nichts ahnen von der bald 60-jährigen Geschichte des Hauses, von seinem Ruhm weit über die Hamburger Stadtgrenzen hinaus, von der Leidenschaft und Authentizität, mit der hier seit Generationen gefüllte Teigtaschen und Pekingenten der Extraklasse zubereitet werden – sie könnten das schräg gegenüber vom Hauptbahnhof gelegene "Dim Sum Haus" für ein chinesisches Restaurant halten, wie es viele Tausend andere gibt in Deutschland. Aber das ist es ganz und gar nicht.

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Speisen im "Dim Sum Haus"

Am großen Rundtisch lässt sich die Vielfalt an Gerichten und Getränken besonders gut genießen.

Im Gastraum, er liegt im zweiten Stock des Hauses Nr. 37 der vierspurigen Kirchenallee, ist auch am Mittag von der Hektik und dem Verkehr draußen nichts zu spüren. Bei gedämpftem Licht und in gediegenem Ambiente sitzen hier auffällig viele Asiaten. Am großen Rundtisch, um den sich fast ein Dutzend Gäste gruppiert hat, kreist auf einer Mittelinsel eine Auswahl all der original kantonesischen Köstlichkeiten, für die das Restaurant so geliebt wird: Cha Siu etwa, rötlich glänzendes Schweinefleisch, zubereitet nach der kantonesischen Grillkunst Siu-laap, was "geröstetes Fleisch" bedeutet. Dabei werden Trocknungstechniken mit Marinaden kombiniert, basierend auf Gewürzen wie Ingwer, Knoblauch, Zimt, Nelke und Szechuan-Pfeffer. Mit Sojasauce, Reisessig und Honig gelingt der Spannungsbogen zwischen herzhaften und süßen Aromen. Freihängend werden die Fleischstücke in bauchigen Öfen saftig gegart und geröstet.

Spezialitäten im "Dim Sum Haus"

Krabben in kunstvoller Hülle: eine von mehr als 30 Varianten der namensgebenden Spezialität im "Dim Sum Haus".

Per Aufzug kommen die fertigen Speisen aus der zwei Etagen tiefer liegenden Küche. Hier, im Bauch des Restaurants, entsteht natürlich auch die namensgebende Spezialität des Hauses: Dim Sum. Chinesische Dim Sum-Meister füllen und formen in Handarbeit pro Tag mehr als Tausend der kleinen Teigtaschen, die in mehr als 30 Variationen angeboten werden. Sie bereiten Klassiker zu wie Har-Gau mit Garnelen-Bambus-Füllung im durchscheinenden Teig oder Siu Mai im zarten Nudelteig mit Schweinefleisch, Garnelen und Ingwer. Oder die grandiosen Xiao Long Bao mit flüssiger Brühe-Füllung. Oder die Wu-Gok-Taroblume, bei der das kunstvoll gesponnene Äußere aus gedämpfter und frittierter Taro-Wurzel ein Pastetchen mit Shiitakepilzen und Shrimps umhüllt. In Dämpfkörben gehen wolkenweiche Char Siu Baos luftig auf, warme Hefeteigbrötchen mit saftiger Ibérico-Fleischfüllung.

Geschichte des "Dim Sum Hauses"

Generation zwei und drei des "Dim Sum Hauses": links Dennis Kwong und seine Frau Mary-Ann, rechts Jack Wai Sum mit seiner Frau Diana.

"Dim-Sum bedeutet: das Herz berühren", sagt Mary-Ann Kwong, die das Restaurant mit ihrem Mann Dennis, einem smarter Mittvierziger, in dritter Generation führt. Dennis Kwong holt eine Schwarz-Weiß-Fotografie aus dem einstigen US-Magazin "Life" hervor: Sie zeigt den Urgroßvater im Jahr 1949 vor seiner Entenrösterei in der chinesischen Hafenstadt Guangzhou, einen Tag vor dem Ende des chinesischen Bürgerkriegs. Dessen Sohn Cheung Kwong, erzählt der Urenkel, habe drei Restaurants in Hongkong besessen und nach den Unruhen von 1967 und anschließender einjähriger Ausgangssperre beschlossen, sein Glück im fernen Hamburg zu suchen. Im 1964 eröffneten Restaurant "China" im Stadtteil St. Georg brauchte man seinerzeit einen Spezialitätenkoch. Die dortige Küche war weitgehend auf deutsche Gaumen eingestellt, doch auf der Karte stand auch eine Handvoll authentischer Gerichte für Landsleute, die ihr Heimweh bei geröstetem Schweinebauch, Kanton-Ente oder Dim-Sum linderten.

Dennis Kwong im Restaurant "Dim Sum Haus".

1968 fängt Dennis Kwongs Großvater in der Küche des "China" an, schon damals ist alles hausgemacht. Sein Sohn Jack Wai Sum unterstützt ihn bald am Herd und wird aufgrund seiner Deutschkenntnisse zum Kellner berufen, 1978 übernimmt er den Betrieb mit seiner Frau Diana Wai Yin. Ihr Sohn ist da zwei Jahre alt, Dennis Kwong wächst quasi im elterlichen Betrieb auf. Früh fährt er allein mit der Bahn von der Vorschule in Bramfeld zum Hauptbahnhof, schläft oft bis Schichtende im Büro des Restaurants: "Meine Eltern hatten sieben Tage die Woche von 11 bis 24 Uhr geöffnet. Es ging darum, über die Runden zu kommen." Als Jugendlicher arbeitet er an den Wochenenden und in den Ferien im elterlichen Betrieb, macht das Abitur und eine Ausbildung zum Steuerfachangestellten. Später studiert er BWL in London, arbeitet in Los Angeles. 2004 lernt er Mary-Ann kennen. Beide lassen sich Zeit – für die Liebe, mit der Hochzeit und auch mit der Entscheidung über den Einstieg in den Betrieb von Kwongs Eltern.

Aus "China" wird das "Dim Sum Haus"

Der hat sich inzwischen zu einer besonderen Adresse entwickelt. Das Restaurant "China" ist Anfang der Nullerjahre ein Zentrum der Bemühungen um chinesischdeutsche Handelsbeziehungen, hier treffen sich Schiffsmakler aus Hongkong mit Hamburger Wirtschaftssenatoren, chinesische Staatsmänner mit deutschen Politikern und Verlegern. Dennis und Mary-Ann Kwong wollen aber noch mehr, möchten das Restaurant zur Marke machen. 2008 benennen sie es um, aus dem "China" wird das "Dim Sum Haus" – mit kantonesischen Häppchen als Alleinstellungsmerkmal. 2011 heiraten sie, die Eltern geben ihren Segen und ein Jahr später auch das Restaurant in die Hände der nächsten Generation: "Wir wollten die Tradition wahren, erhalten, was es ausmacht, aber auch ein zeitgemäßes Ambiente schaffen", sagt Mary-Ann Kwong. Dem renommierten Interior Designer Thái Công gelingt der elegant-authentische Mix, der bis heute die Räume prägt: mit aufwendigen Holzschnitzereien, skulpturalen Vasen und einer englischen Drachentapete in Gold und Bordeaux.

Prominente Fans des "Dim Sum Hauses"

Im weitläufigen Gastraum dieses ältesten chinesischen Restaurants Hamburgs treffen sich heute Kaufleute und Künstler, Touristen und die Nachbarschaft, befreundete Gastronomen wie Kevin Fehling oder Tim Mälzer. Alle schätzen die Dim-Sum des Hauses. Johann Lafer und Tim Raue sind überdies erklärte Fans der legendären Pekingente. Die überwiegend aus Irland stammenden Vögel (Pekingenten bilden eine eigene Rasse unter den Hausenten) werden im "Dim Sum Haus" nach dem Rezept von Dennis Kwongs Großvater zweifach getrocknet: zunächst mittels Ventilatoren und dann noch einmal, so der Enkel, "nachdem sie mit Maltose, Essig und Geheimzutaten mariniert wurden". Auch das Erhitzen muss zweistufig erfolgen, um geschmackliche Perfektion zu erzielen. Die freihängend im Ofen garenden Enten kühlen einmal ab, bevor sie beim zweiten Ofen-Gang ihre unwiderstehliche Knusprigkeit entwickeln.

Kochbox aus dem "Dim Sum Haus" für zu Hause

Die Spezialität schaffte es sogar in die Fernsehsendung "Höhle der Löwen". Während eines Corona-Lockdowns hatte das Ehepaar Kwong eine Pekingenten-Kochbox entwickelt und mit viel Ausprobieren zur Marktreife gebracht. In der Gründer-Show bei Vox begeisterten sie damit drei Investoren, die rund 300 000 Euro locker machten. Die Box, sie wird von Otto Gourmet deutschlandweit versendet, enthält eine vakuumierte Pekingente für zwei, die dank beiliegender Anleitung tadellos gelingt. Die klassischen Pfannkuchen mit Bambuskorb zum Dämpfen liegen ebenso bei wie HoisinSauce, Lauch-Julienne und Gurkenstreifen.

Einen Besuch in Hamburg ersetzt die Box allerdings nicht: Die frischen Dim-Sum lohnen jede Reise, und die Pekingente muss man erlebt haben, wenn sie perfekt von Meisterhand tranchiert an den Tisch kommt.

Dim Sum Haus
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Konzept: Das in dritter Generation geführte chinesische Restaurant gegenüber des Hauptbahnhofs ist bekannt für seine Dim-Sum, die authentisch zubereitete Peking-Ente und kantonesische Spezialitäten. Täglich mittags und abends geöffnet – Reservierung empfohlen.
Küche: Chinesische Dim-Sum-Meister formen täglich in Handarbeit mehr als 30 Sorten Teigtaschen, für die es eine separate Karte gibt, grandios sind etwa die „Xiao Long Bao“ mit Ibéricofleisch und Brühe, dazu Essig-Dip (€ 8), oder „Har-Gau“ mit Garnelen-Bambus-Füllung im durchscheinenden Teig (€ 8,50). Dazu kommen mehrere Menüs, darunter ein Pekingenten-Menü für zwei Personen (€ 49 pro Person). Die kantonesische Grillkunst Siu-laap („geröstetes Fleisch) zeigen die Köche bei „Cha Siu“ etwa, rötlich glänzendes Schweinefleisch, dabei werden Trocknungstechniken mit Marinaden kombiniert, die Fleischstücke in bauchigen Öfen saftig gegart und geröstet.
Getränke: Kleine internationale Weinkarte.
Atmosphäre: Der Interior Designer Thái Công hat einen elegant-authentischen Mix geschaffen mit aufwendigen Holzschnitzereien, skulpturalen Vasen und einer englischen Drachentapete in Gold und Bordeaux.

Kirchenallee 37, 20099 Hamburg
(0) 40 2802312
www.dimsumhaus.com
Mo-Fr 12-15 und 17.30-23 Uhr, So, Sa 13-23 Uhr
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