Emile van der Staak im Porträt

Vegane Spitzenküche von Emile van der Staak

Ein Wald, der aus essbaren Pflanzen besteht, und ein Koch, der weiß, wie er daraus Spitzenküche kreiert – Emile van der Staak setzt mit seinen veganen Gerichten im Restaurant „De Nieuwe Winkel“ in Nimwegen neue Maßstäbe.
Text Julius Schneider
Datum21.10.2024

Emile van der Staak schaut lächelnd auf die Zitronen. „Sie sind zwar klein, aber sehr aromatisch und saftig“, sagt er, „und bald sind sie reif.“ Der Spitzenkoch ist Inhaber des Restaurants „De Nieuwe Winkel“ in Nimwegen, der Zitronenbaum steht rund 15 Kilometer entfernt – jedoch nicht in einem Gewächshaus, sondern in einem Wald. Was unmöglich klingt, folgt einem Plan, nämlich dem von Wouter van Eck. Der Naturaktivist hat vor 15 Jahren einen 2,5 Hektar großen Wald aus essbaren Pflanzen angelegt – einen Food Forest. Hier gedeiht, was Emile van der Staak im Restaurant verwendet: wilde Lebensmittel, die er nicht erst mühsam suchen muss.

Innovation auf dem Teller: Nusspastete mit Roter Bete und Schwarzen Johannisbeeren

Wie kam Emile zum Kochen?

Emile van der Staaks Großvater besaß mehrere Restaurants, Emile kannte das Geschäft, schlug aber zunächst einen anderen Weg ein. Er studierte Bauingenieurwesen, arbeitete nebenbei in der Gastronomie und stellte fest, dass ihm das mehr Spaß machte als sein Studium. Also tauschte er den Hörsaal gegen die Küche und begann eine Kochausbildung. Doch nach seiner Lehre stellte er fest: „Kochen konnte ich noch nicht.“ Er brauchte gute Lehrmeister, die ihn in die Kunst der französischen Küche einführten, unter anderem im „Comme chez Soi“ in Brüssel und im Amstel Hotel in Amsterdam. Klassische Haute Cuisine, die Generationen von Köchen und Köchinnen geprägt hat. „Das sind Gerichte und Rezepte, die großartig sind, aber seit über 200 Jahren unverändert zubereitet werden“, sagt Emile van der Staak. In seinem Kopf reifte die Idee, ein eigenes Restaurant zu eröffnen, und ihm war klar, dass Gemüse die Hauptrolle spielen sollte. Bis es so weit war, arbeitete er in verschiedenen Häusern, um Geld für das eigene zu verdienen. „Ich habe überall gekocht, auch Pfannkuchen und Spiegeleier für den Frühstücksservice“, sagt er, „und so oft habe ich mir gesagt: Bald ist es so weit.“

De Nieuwe Winkel befindet sich im Souterrain eines historischen Waisenhauses.

Es dauerte sechs Jahre, bis er mit seiner Freundin Louise Zegelink das „De Nieuwe Winkel“ in Nimwegen eröffnete, das rund 100 Kilometer von Düsseldorf entfernt ist. 2011 war die Vision von Emile van der Staak zu groß für den kleinen Ort. „London oder Kopenhagen wären damals vielleicht schon so weit gewesen“, erinnert er sich. Irgendwann stand sein Restaurant, das nicht auf Laufkundschaft ausgelegt ist und dessen Gerichte nicht primär dafür gedacht sind, Menschen nach getaner Arbeit satt zu machen, vor dem Aus. Es war reines Glück, dass ein Journalist diese andere, zukunftsorientierte Küche entdeckte und seinen Artikel in einer der größten nationalen Tageszeitungen unter der Überschrift „Der Traum einer Entdeckung“ veröffentlichte. Danach kamen die Gäste.„Das war unsere Rettung“, erinnert sich der 48-Jährige.

Was ist ein Food Forest?

Jeden Montag fährt Emile van der Staak mit seinem Fahrrad in den Wald von Wouter van Eck, egal ob es regnet, schneit oder die Sonne scheint. „Der Wald ist für mich Entspannung pur“, sagt er, „aber vor allem sehe ich, wie sich die Natur entwickelt – jeder Besuch ist anders.“ Vor 15 Jahren war der Wald noch ein konventionell genutztes Feld, noch immer ist er von Futtermaisfeldern umgeben. Ringsum röhren Traktoren über die Felder, im Wald zwitschern Vögel: Monokultur auf der einen Seite, Artenvielfalt und ein Ökosystem voller Leben auf der anderen. Auf kleinen Pfaden stapft Wouter van Eck durchs Gebüsch. Die Gummistiefel versinken im feuchten Boden, weit entfernt von verdichtetem Ackerland. Er bleibt stehen, reckt sich und erntet frischen Szechuan-Pfeffer, ein paar Meter weiter wächst chinesischer Ingwer, und mitten im Wald stehen reich behangene Apfelbäume. Für Laien ist es Wildnis pur, für Emile und Wouter eine stete Quelle von Obst, Gemüse und Gewürzen. Andere Restaurants haben sich mit wilden, mühsam gesammelten Zutaten einen Namen gemacht. Hier sind es auch Wildpflanzen, die Emile van der Staak für sein Restaurant erntet – nur hat er sie quasi vor der Haustür.

Wouter van Eck (l.), der Gründer des Food Forrest, mit Emile van der Staak auf der Suche nach Essbarem.

Wie schmeckt der Wald?

Das „De Nieuwe Winkel“ liegt versteckt in der Nähe der Einkaufsstraße Hezelstraat, große Pflanzenkübel weisen den Weg zum Restaurant, das sich im Souterrain eines ehemaligen Waisenhauses aus dem Jahr 1642 befindet. Das Mauerwerk ist roh und unverputzt, die Einrichtung skandinavisch, und in der offenen Küche können Gäste zuschauen, wie die Gerichte entstehen. Lebendig, freundlich und entspannt wird hier eine Küche serviert, die es so wohl kein zweites Mal gibt. „Weniger Fleisch, mehr Pflanzen“, das war die Grundidee bei der Eröffnung 2011, sie hat sich Stück für Stück weiterentwickelt. Der erste Michelin-Stern kam, da war die Küche schon vegetarisch, kurz nach dem zweiten Stern entschied sich Emile van der Staak, komplett vegan zu kochen. Schon vorher dachten er und sein Team kreativ, wenn es um die Entwicklung der Gerichte ging. „Wir wollen kein Steak aus Pflanzen nachmachen und auch nicht den Geschmack imitieren“, sagt er, „es geht vielmehr darum, die Zufriedenheit, die manche Gerichte hervorrufen, auszulösen.“ Mit der braunen Butter aus Hülsenfrüchten gelingt das mühelos. Acht Monate hat die Entwicklung gedauert, heute ist sie so gut, dass sie meistens nachbestellt wird. Das hausgebackene Sauerteigbrot dürfte dabei eine wichtige Rolle spielen.

Bunte Mischung: Seetang-Cracker mit Kombu-Crémeux und Süßblumen-Furikake

Eine Pâté aus Haselnüssen, Walnüssen und Mandeln erinnert optisch an die Fleischvariante, ist geschmacklich aber eine andere Welt. Nussig, cremig gleicht sie fast einem Dessert, der hauchdünne Blumenkohl und die feinsäuerliche Vinaigrette geben Textur und Kontrast. Aus dem Food Forest kommt chinesisches Mahagoniholz, aus dem ein Fond gezogen wird, der an eine Hühnerzwiebelbrühe erinnert. Darin sanft gegarte rote und schwarz fermentierte Zwiebeln. Man ertappt sich dabei, dass man glaubt, die Geschmäcker und Texturen zu kennen, um dann festzustellen, dass man so etwas noch nie gegessen hat. Ein Menü voller Entdeckungen. So ist es auch bei der Mandelsuppe. Eine seidige Creme, die an die spanische Ajo blanco erinnert und doch in einer eigenen Liga spielt. Hauchdünn verteilt sich die weiße Creme auf dem Teller, zusammen mit eingelegten Tomaten und schwarz fermentierten Mandeln eröffnet sich eine Aromenwelt aus Röstnoten, Säure und Fettigkeit, die Spaß macht. Wäre der Löffel noch nicht erfunden, dieses Gericht wäre ein guter Grund dafür.

Der Food Forest: Inspirationsquelle und die Grundlage der Küche von Emile van der Staak

Van der Staaks Küche strotzt vor Energie, trumpft dabei nicht auf, sondern zieht die Gäste fasziniert in ihren Bann. Eine Suppe aus Algen löst das wohlige Gefühl wie bei einer aromatischen Bisque aus, darin kleine Stücke von gekochtem Scoby, der Zelluloseschicht, die beim Kombucha-Brauen entsteht. Die Innovation und die Handwerkskunst, die man in dieser Küche erlebt, könnten schnell verkopft wirken, hier spürt man vor allem eins: die Freude, Neues zu kreieren. Die passenden Weine serviert Sommelier Gauthier Cauwels, der Fokus liegt auf biodynamischen und Naturweinen. Der Pinot Noir GRRRR von Yannick Meckert bleibt im Gedächtnis, ausbalanciert und mit viel Grip. Ein Drink aus Meerfenchel und gebranntem Estragon ist der perfekte Begleiter zur Algensuppe. Oolong-Tee wird auch gereicht – angebaut in Brabant.

40 Menschen arbeiten im De Nieuwe Winkel in Nimwegen.

Was soll die Zukunft bringen?

Seit der Gründung des Restaurants ist das Team stark gewachsen. 40 Menschen sind Teil von „De Nieuwe Winkel“. Die Gäste hier sind international, und es fällt auf, dass viele junge Leute an den Tischen sitzen und genießen. In naher Zukunft soll ein gläserner Anbau direkt neben dem Restaurant entstehen, doch Emile van der Staaks Traum ist es, ein eigenes Restaurant nach seinen Vorstellungen zu bauen. Nah an der Natur soll es sein, vielleicht auch mitten im Wald – einem, in dem man ernten kann.

De Nieuwe Winkel
K R Q

Emile van der Staak, Chef des mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichneten Restaurants „De Nieuwe Winkel“ in Nimwegen, setzt auf eine außergewöhnliche, pflanzenbasierte Küche, die von einem nahegelegenen Food Forest inspiriert ist. Dieser essbare Wald, der von Naturaktivist Wouter van Eck angelegt wurde, liefert eine Vielzahl von Zutaten direkt vor der Tür des Restaurants. Van der Staak verzichtet bewusst darauf, Fleisch zu imitieren, und konzentriert sich stattdessen auf die Entwicklung einzigartiger pflanzlicher Aromen und Texturen, wie etwa einer nussigen Pâté oder einer Mandelsuppe, die an Ajo Blanco angelehnt ist. Seine Gerichte überraschen durch unbekannte Geschmackskombinationen, der Fokus liegt auf Nachhaltigkeit und Innovation.

Gebroeders van Limburgplein 7, 6511 BW Nijmegen, NL
+31 (0) 2 43225093
denieuwewinkel.com
kein Ruhetag, außer So nur Abendessen
Menüs € 45 - 145
Partner