Frauen als Barkeeper
In internationalen Wettbewerben setzen sich immer öfter weibliche Barkeeper durch: Die „World Class“-Jury des Getränkekonzerns Diageo krönte die Kanadierin Kaitlyn Stewart 2017 zur Siegerin, der „Mixology Bar Award“ für den besten Gastgeber geht dieses Jahr an Betty Kupsa vom Hamburger „The Chug Club“, und Newcomerin des Jahres ist Chloé Merz-Salyer vom „Conto 4056“ in Basel. Liegt der Prozentsatz der aktiven weiblichen Bartender zwischen 40 und 49 Jahren hierzulande bei gerade mal elf Prozent, sind es im Alter zwischen 20 und 29 Jahren bereits 29 Prozent, weiß die Deutsche Barkeeper-Union (DBU). Als Sabine Zumkeller, Assistentin des DBU-Präsidiums, 1992 am Tresen anfing, gehörte sie noch zu den absoluten Exoten: „Frauen in der Bar galten als ein wenig verrucht. Das hat sich zum Glück inzwischen geändert, auch in den Köpfen der Allgemeinheit.“ Geht es tatsächlich voran in der von Männern dominierten Branche?
Barkeeper: Vorlieben von Aromen prägen Geschlechterrollen am Tresen
Für Arnd Henning Heißen, Barmanager des „Curtain Club“ und der Bar „Fragrances“ im Berliner „Ritz-Carlton“ liegt das größte Problem bei Geschlechterrollen am Tresen in der Prägung durch die Medien – und die schlägt sich vor allem in den Vorlieben für bestimmte Aromen nieder. Heißen schickt seine Gäste auf einen Selbstfindungs-Trip, bei dem sie sich ihren Lieblingsdrink erriechen sollen. Ergebnis: „Männer haben dabei den viel profilneurotischeren Zugang zu Aromen.“ Wenn Männer Drinks bestellen, haben sie meist ein striktes Idealbild von ihrer Rolle als Mann. Ihr Getränk soll hart, rauchig und stark sein; die Noten jedoch, die oft insgeheim gemocht werden, übersetzt die Aromatherapie mit Empathie, Vertrauen und dem Bedürfnis nach Sicherheit. Frauen sehen da laut Heißen weniger Probleme. Angesichts der Klischees haben sie sowieso nichts zu verlieren – ein süßlicher Drink gilt als typisch, mit dem kräftigen machen sie Eindruck. Wie ein echter Kerl eben.
Klischees an der Bar: Gibt es weibliche Drinks?
Laura Maria Marsueschke von der Berliner „Thelonious Bar“ gerät bei der Frage ins Grübeln. „Nicht für mich und in meiner Bar auch nicht“, sagt sie. Vielen Männern sei es allerdings wichtig, ihren Drink nicht in einem „Mädchenglas“ und, um Gottes Willen, nichts Rosafarbenes serviert zu bekommen. Dass man sich über so etwas echauffieren kann, ist erstaunlich und wirft die Frage auf, wer sich hier schwertut. In Lauras Neuköllner Bar sind es jedenfalls nicht ihre Mitarbeiterinnen: „Es gibt für mich keinen Grund, geschlechtsspezifische Unterschiede zu machen.“ Entgegen allen Klischees hält Laura Marsueschke Frauen am Tresen für begabter, durchhaltefähiger und vor allem für rationaler. Sie selbst erlebt das Gefälle gerade in Diskussionen über eben dieses Thema: „Da sind es in der Regel die Männer, die sich angegriffen fühlen, emotional werden, und die Frauen diejenigen, die Argumente fordern.“ Zum Beispiel zu der Frage, wieso ein Charles Schumann erklärt, der Job sei zu hart, um Frauen nachts an die Bar zu stellen. Himmelschreiender Sexismus, oder?
Bartender sein – eine Sache der Natur
Peggy Knuth sieht das anders. „Soll er doch machen,“ meint die Hausdame der Berliner Bar „Salut!“: An alten Strukturen festzuhalten, ein Konzept zu verfolgen und seine Bar so einzurichten, wie man es für gut befinde, solle doch wohl erlaubt sein. Wer ein Stück vom Kuchen bekommen wolle, solle sich eines nehmen. Es ist auch eine Frage der Sozialisation, ob man sich lieber zurückhält oder in die Vollen geht. Peggy verortet diesen Unterschied in der Natur, nicht in einer ungerechten Branche und einer allgegenwärtigen Vermittlung, als Frau habe man im Hintergrund zu bleiben. Dass gerade sie jüngst die „Carlos I Colegio & Competición“ gewonnen hat – mit Charles Schumann als Juror –, spricht für ihre Wahrnehmung.
Wandel muss sich in den Köpfen der Allgemeinheit vollziehen
Man kann sich einmal das Vergnügen bereiten, „Frauen“ und „Bar“ bei Google einzugeben und die allesamt dürftig bekleideten Damen vor dem Tresen zu besichtigen. Immerhin, die Industrie versucht, dieses angestaubte Klischee zu ändern.
In der letzten Zeit wurde Peggy Knuth für vier Wettbewerbe gebeten, einen Drink einzureichen, da man dezidiert Frauen fördern wolle. Sie begrüßt das, kann mit einer Frauenquote aber so recht nichts anfangen. Am Ende zähle die Leistung – also der Drink, der Umgang mit dem Gast und eben die Bar. Da sind sich Peggy und Laura einig. Die beiden Barfrauen sind, wohlgemerkt, zwei Vertreterinnen, die nicht auf den Mund gefallen sind. Der Blick auf ihre Oberarme verrät zudem, dass man es bei keiner von beiden auf einen Rauswurf ankommen lassen sollte, und ihre Erfahrung am Tresen verbietet jegliche Unterstellung von Inkompetenz.
Alles gut also? Nicht ganz. Noch immer schlagen Arbeitsvermittler Frauen eher den Beruf der Kellnerin vor statt der Laufbahn als Barkeeperin. Und wenn eine Frau wie Peggy Knuth hinterm Tresen erfolgreich ist, wird ihr von einigen Gästen „Hochschlafen“ unterstellt. Es ist also sehr wohl noch einiges zu tun.