Jürgen Wolfsgruber im Porträt: Ein Koch mit Humor und Kreativität
Jürgen Wolfsgruber und sein Sparkling Bistro in München
Die Rechnung sollte man besser ganz genau lesen, es lohnt sich. „Lassen Sie sich nicht scheiden, wenn Ihr Mann nicht kochen kann. Essen Sie bei uns und behalten Sie ihn als Hobby.“ Der Schlusssatz ist typisch Jürgen Wolfsgruber, den alle „Wolf“ nennen: Frech und witzig, mit Hintersinn.
Humor hat der Chef auch nötig: Zusätzlich zum Lockdown 2020 erzwangen zwei Rohrbrüche die Rundum-Renovierung vom Restaurant Sparkling Bistro und Untergeschoss. Kulinarisch arbeitete Jürgen Wolfsgruber ehrgeizig auf die Wiedereröffnung hin: Mit dem jungen Nachbar-Bäcker Julius Brantner in Schwabing hat er ein eigenes Brot fürs Restaurant entwickelt, parallel seine erste Schokolade produziert und natürlich das neue Menü geplant.
„Aktuell beschäftigen wir uns mit selbst fermentierten Säften. Wir wollen die Süße im Alkoholfreien komplett rausnehmen, puren Geschmack haben“, erklärt Jürgen Wolfsgruber eine seiner jüngsten Ideen. Es macht Spaß, ihm zuzuhören, er erzählt gern – auch von Rückschlägen.
Steckbrief Jürgen Wolfsgruber
Name: Jürgen Wolfsgruber
Alter: geboren 1987
Stationen: Ausbildung bei Rudolf Grabner am Mondsee (Salzkammergut), danach je ein halbes Jahr als Praktikant bei Ferran Adrià („El Bulli“) und Heston Blumenthal („The Fat Duck“). Weitere Stationen u.a. im Salzburger „Stieglkeller“ und im Restaurant „Schmederer“. Seit 2015 Küchenchef im eigenen Münchner Restaurant „Sparkling Bistro“.
Das Restaurant: 1977 eröffnet die Amalienpassage in der Maxvorstadt als Wohn- und Ladenkomplex. Neben 200 Wohnungen gehört ab 1978 das „Bistro Terrine“ der Eigentümerfamilie Eichbauer zum Ensemble, es gilt 35 Jahre lang als kleine Schwester von Eichbauers „Tantris“. Nach einem kurzen Intermezzo als „Restaurant Huckebein“ übernimmt Wolfsgruber 2015 die Räume samt Molteni-Herd und mit Azulejos gefliestem Untergeschoss. 2020 Generalsanierung nach einem Wasserschaden, Herd und Charakter des Restaurants mit 32 Plätzen bleiben erhalten.
Mitarbeiter: Zwei Kollegen unterstützen im Service, seit Januar ist Johannes Maria Kneip (vorher „Mural“, München) gleichberechtigter Küchenchef des Restaurants.
Privat: Jürgen Wolfsgruber liebt schnelle Autos, fährt seinen Audi A6 aber nur alle zwei Wochen – „das meiste mach ich zu Fuß“. Mit seiner Partnerin lebt er ums Eck vom Restaurant.
Sparkling Bistro
OT Maxvorstadt
Amalienstr. 89
80799 München
Tel. 089-46 13 82 67
www.bistro-muenchen.de
Di, Mi, Do 18.30-0 Uhr, Fr, Sa 12-15 und 18.30-0 Uhr, Menüs € 125-155
Wie kam Jürgen Wolfsgruber zum eigenen Restaurant?
„Du bist so laut und so frech!“, sagte sein Chef Günther Maier, als Jürgen Wolfsgruber sich 2005 vom Salzkammergut auf nach Spanien machte, „Geh erst mal raus in die Welt.“ Zehn Jahre kocht der Gmundener querbeet, von der Molekular- bis zur Wirtshausküche für 2500 Gäste. Er arbeitete hart, doch was ihm nicht passte, sagte er frei heraus.
Wesentlich leiser stellte Jürgen Wolfsgruber sich durchaus mal die Frage: „Will ich in der Gastronomie bleiben?“ 2014 zog er aus Sehnsucht nach seiner damaligen Freundin nach München. An der Isar arbeitete er – eher notgedrungen – im Biergarten und für das Catering der Lufthansa. Und verliebte sich neu, diesmal in ein Restaurant im Univiertel, die alte Terrine.
Eröffnung war ein Jahr später, das Startkapital von 45.000 Euro stammte teilweise vom Schwiegervater. Die Mittel waren knapp, die Ideen groß: österreichische Gastlichkeit, Nose-to-tail-Küche, Champagnerbegleitung. „Am ersten Abend hatte ich echt Bammel. Ich hab dann 980 Euro Umsatz gemacht, das war unglaublich viel Geld für mich“, erinnert er sich.
Danach wurde es zäh. In den ersten sechs Monaten kamen oft weniger als zehn Gäste pro Woche, nach einem Jahr erschien der Gerichtsvollzieher. Jürgen Wolfsgruber machte weiter, war lange sein einziger Mitarbeiter. Er hielt den Mund, arbeitete still an sich und seiner Idee: „Es hätte damals jeden Tag soweit sein können, dass ich zumachen muss.“
Wan begann das Sparkling"von Jürgen Wolfsgruber zu funkeln?
„Was nix kost, ist nix!“, diese Einstellung begegnet Chef Jürgen Wolfsgruber in München immer wieder. Mitte 2017 änderte das Lokal sein Konzept, zu Wiener Schnitzel und Tafelspitz kamen Kaisergranat und Rehbock mit Salzzwetschge auf die Karte. Am Herd unterstützte ihn ein alter Bekannter aus Salzburg, ursprünglich war er Klempner. „Eigentlich konnte ich mir den Herbert gar nicht leisten, aber ich wusste: Wenn ich das nicht probier, kann ich nicht wachsen.“
Die Umsätze stiegen, doch das Geld blieb knapp. Auch eine Weinkarte gab es nicht. Stattdessen kaufte Jürgen Wolfsgruber kleine Mengen reifer Jahrgänge. Er schenkte sie glasweise aus, eine Besonderheit in München. In den Folgejahren wurde aus dem Bistro jenes Restaurant, das seinem Anspruch gerecht wird: hochwertige Gläser, bequeme Stühle, edle Tapeten.
Das Sparkling Bistro von Jürgen Wolfsgruber
Wie kocht Jürgen Wolfsgruber?
Jürgen Wolfsgruber hat für sich einen eigenen Qualitätsbegriff entwickelt: „Produkte, die wir hier haben, müssen wir mehr wertschätzen.“ Die „Münchner Beten“ sind so ein Gang: Rahnen (Rote Beten), Steckrübe und Ringelbete, teils eingelegt, teils fermentiert. Dazu Haselnüsse, Wacholderöl und eine lauwarme Schmalzvinaigrette – ein regional geprägtes Übergangsgericht in den Frühling, erdig und knackig-kräutrig, mit Fett als Aromenbindung.
Die Kapaunleber danach ist für sich schon eine Rarität auf deutschen Speisenkarten. Hier kommt sie nicht aus der Bresse, sondern von einer Züchterin in der Steiermark, und wird mit Creme aus schwarzem Kardamom und Gravensteiner Apfel unter einem Buchweizenchip serviert.
Wagyu-Fleisch bezieht Jürgen Wolfsgruber von einem kleinen Hof im Mostviertel, legt zum Nierenzapfen (Onglet) eine Sellerie-Lasagne mit Gänsefett, dazu Senfsaat, frittierte Kapern und noch mal Sellerie, „roh und hauchdünn gehobelt, einfach für die Frische“.
Von links nach rechts:
Kapaunleber mit Gravensteiner Apfel, schwarzem Kardamom und Buchweizen
Mostviertel-Wagyu-Onglet mit Sellerie, Jus Rossini, Kapern und Senf
Topinambur mit Traunstein Whisky und kandierter Buddhas Hand
Wie schmeckt das Essen im Sparkling Bistro?
„Ein Gericht muss bei mir im Geschmack komplex, aber einfach zu essen und dabei für jeden verständlich sein“, beschreibt Jürgen Wolfsgruber seine Philosophie beim Aufbau neuer Gerichte. Primäraromen der Produkte stehen im Vordergrund, auf den Teller kommen drei, maximal vier Komponenten.
Das kann auch einfach ein Stück Steinbutt auf Holzkohle sein, dazu Olivenöl statt Sauce, kein Gemüse, kein Püree. „Lieber weglassen“ ist Jürgen Wolfsgrubers Devise. Er steht zum Purismus – und zur Butter. „Im Monat verheiz ich etwa 60 Kilo.“ Er grinst. Aus seiner „El Bulli“- Zeit – und der Ära der Molekularküche – ist nur das Grundrezept fürs Marillensorbet geblieben.
Was plant Jürgen Wolfsgruber als nächstes?
Der Blick geht nach vorn: Neben einer alkoholfreien Begleitung setzt Jürgen Wolfsgruber auf erlesene Weine. Zur Wiedereröffnung hatte er ein paar Flaschen gekauft, „etwa von Julien Labet im Jura, die sind erklärungsbedürftig. Dafür kommen wir zwei dann an den Tisch.“
Wir, das sind Jürgen Wolfsgruber, der 2020 und 2021 mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet wurde, und sein gleichberechtigter Partner in der Küche, Johannes Maria Kneip. In München kannte man ihn als Teil des Küchenkopf-Duos im Mural – ein Wechsel, der zusätzlich für Aufmerksamkeit sorgte.
Gleichberechtigung ist überhaupt ein Schlüsselwort für Jürgen Wolfsgruber – in einem Team von vier soll es keine Hierarchien geben, alle ziehen an einem Strang. Die zwei am Herd wollen auch Apéro-Snacks und ein vegetarisches Menü anbieten, die Patisserie soll verfeinert werden, Salzwasserfisch wird weitgehend von der Karte verschwinden. „Wir haben viel Zeit gehabt, um nachzudenken. Auch der Gast wird müde, wenn sich nichts ändert.“
Tipps von Jürgen Wolfsgruber
Acetaia
OT Neuhausen-Nymphenburg
Nymphenburger Str. 215
Tel. 089-13 92 90 77
www.restaurant-acetaia.de
Mo-Fr, So 12-14 Uhr und 18.30-22 Uhr, Gerichte € 30-45
Wohlfühladresse. Unbedingt die Ravioli „di pecorino fresco“ bestellen.
Eisdiele Adria
OT Maxvorstadt
Türkenstr. 59
Tel. 089-28 72 33 84
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Sommer tgl. 10-23 Uhr, Winter tgl. 10-18 Uhr, Gerichte € 8-10 s IK
Für mich gibt’s hier das beste Bier der Stadt. Dazu die Pasta „amatriciana“ seiner Frau, ich liebe das.
Café Morso
OT Maxvorstadt
Nordendstr. 17
Tel. 0171-307 54 66
www.morso-cafe.de
tgl. 8-22 Uhr
Die besten Cornetti und Panini.
Andreas Muschler
Obere Hauptstr. 43
85354 Freising
Tel. 08161-986 19 78
www.andreas-muschler.de
Mo-Fr 8.30-18 Uhr, Sa 8.30-17 Uhr
Die Pralinen und Tartes finde ich unglaublich gut.
Zu Gast bei Jürgen Wolfsgruber
Konzept: Kleines Restaurant in Passagenanlage; Menü in 4 oder 7 Gängen, Klassiker à la carte. Neues Bistro „Das Tschecherl“ drei Türen weiter.
Küche: Jürgen Wolfsgruber bleibt der französisch-österreichischen Klassik weiter treu. Sein Fokus auf klare, tiefgründige Aromen kulminiert in hyperkonzentrierten Saucen: Nussbutter und eine kräftige Jus gras begleiten nussige Innviertler Steinpilze auf Spinatcreme – ein Wohlfühlgericht! Schaumig-rahmig umhüllt die Albufera-Sauce milchig-süßliches Kalbsbries, serviert in einem Biedermeier-Schälchen. Aromatisches Highlight aber bleibt der Hauptgang, ein gebratener, maximal marmorierter Streifen Wagyu mit Pommes Anna und süßlicher Schmorzwiebel. Absolut fokussiert, ohne Dekoschleifen kommt auch die Vanillecreme mit Spekulatiuswaffel daher, darauf Weizengras- und Mieze-Schindler-(Erdbeer-)Eis.
Wein: Rund 300 Weine, Highlights sind die Auswahl bei Champagne und Burgund. Glasweise begleitet Nicolas Spanier in zwei Qualitätsstufen, alkoholfrei mit spannenden Cocktails.
Atmosphäre: Elegant, aber mit persönlicher Note, vom Eber an der Wand bis zum Habsburger Kaiserpaar in Öl.
Fazit: Große Klassik, stilistisch zeitgemäß und technisch herausragend interpretiert.