Philip Rachinger: Der provokante Sternekoch im Porträt
Zu Gast im Mühltalhof von Philip Rachinger
Ein Gasthaus ist der Mühltalhof im oberösterreichischen Mühlviertel mit seiner großen Brautradition schon seit 1698. Seit 2018 ist Philip Rachinger hier Küchenchef. Unterhalb des Barockstädtchens Neufelden, zwischen Passau und Linz, versteht sich die Gaststätte heute als Designhotel und Restaurant mit aufregender Austro-Regionalküche. Nicht weit entfernt schlängelt sich entlang der Donau das fruchtbare Gemüsereservoir Eferdinger Becken, wo Safran angebaut wird. Fische schwimmen in den Flüssen, die mit ihrem kühlen Frischwasser auch Zuchtbecken speisen, und am Rande des Böhmerwalds lebt reichlich Wild – das Dreiländereck bietet Philip Rachinger Zutaten und Inspiration für seine Mühlviertler Naturküche.
Steckbrief Philip Rachinger
Name: Philip Rachinger
Alter: geboren 1989
Stationen: Hotel- fachschule in Bad Ischl, dann ein halbes Jahr im Pogusch der Familie Reitbauer und zwei Jahre in deren Wiener Steirereck. Ein Wechsel nach London führte in Pierre Gagnaires Sketch, dann zu Isaac McHale (Clove Club) ins Upstairs at the Ten Bells. Aus dem Pariser Saturne kehrte Philip Rachinger 2014 auf Wunsch seines Vaters Helmut wegen Personalengpässen in den Mühltalhof der Familie zurück, seit Anfang 2018 führt er die Küche allein.
Hobbys: Viel Zeit bleibt nicht für sportliche Aktivitäten wie Radfahren.
Privatleben: Mit seiner Lebensgefährtin Johanna und den zwei- und vierjährigen Töchtern wohnt er gegenüber vom Betrieb.
Restaurant: Gasthaus-Charme trifft auf einen modernen Anbau mit Rost-Stahlhülle, viel Glas und Beton. Innen verteilen sich die Gäste aufs behagliche Kaminzimmer, die historische Stube und den lichtdurchfluteten Speisesaal mit Blick in den Garten und auf die zum Pool angestaute Große Mühl. Eine alte Jukebox steht in der Ecke, Kunstwer- ke hängen an den Wänden. Ist das Restaurant geschlossen, wird für die 40 Hotelgäste traditionell österreichisch gekocht.
Plätze: 60
Mitarbeiter: Sechs in der Küche, fünf im Service.
Mühltalhof
Unternberg 6
AT-4120 Neufelden
Tel. 0043-7282-62 58
www.muehltalhof.at
außer Sa und So, nur Abendessen, Mo, Di geschl., Menüs € 72-96
Was macht Rachingers Mühltalhof so besonders?
Der Familienbetrieb am beruhigenden Wasser ist ein magischer und kunstsinniger Ort. Die Tante Johanna Eckl, mit dem Künstler Joachim Eckl verheiratet, kümmert sich um den Hotelbetrieb, Philips Mutter bietet Wellness und Beautybehandlungen an. Die Zimmer sind individuell eingerichtet, das hausgemachte Frühstück ist fantastisch. Gut gekocht hat hier schon die Großmutter Burgi, die man im idyllischen Garten am Fluss auch mal beim Apfelpflücken trifft.
Ihr Sohn Helmut Rachinger überließ seinem Sprössling Philip Rachinger die Küche, als er feststellte: „Wir sind gemeinsam nicht mehr besser geworden.“ Ein erfolgreicher Generationenwechsel! Um das kulinarische Angebot zu vergrößern, eröffneten sie 2018 gegenüber das Fernruf 7, benannt nach der ersten Telefonnummer des Gasthofs. In dem hübschen historischen Stall pflegt der Senior eine österreichische Hüttenküche mit mediterranen und japanischen Noten.
Philip Rachinger und der Mühltalhof in Österreich
Philip Rachinger und die Healthy Boy Band
Wie ist der Kochstil von Philip Rachinger?
„Österreichisch mit Weitblick“, nennt Philip Rachinger seinen Stil. Seine Gerichte sind naturbelassen und unverfälscht, die meisten Zutaten kommen aus der Region oder doch aus dem Inland; Pfeffer, Zitrusfrüchte oder Schokolade gehören trotzdem selbstverständlich dazu. Hier wird fermentiert, trocken gereift und geräuchert, eingelegt oder auf dem japanischen Grill gegart, aber Philip Rachinger inszeniert keine Technik als Selbstzweck. Es ist eine intuitive Küche, fordernd und reduziert, die polarisieren kann und mit entwickelten Wohl- fühlgerichten doch das Gleichgewicht hält zwischen bekanntem Geschmack und Futter für den Kopf.
Welche Gerichte kocht Philip Rachinger?
„Ich war heute eine Stunde unterwegs“, erzählt der junge Sternekoch Philip Rachinger, „um Fisch beim Kloster Stift Schlägl zu kaufen.“ Lohn des Aufwands: Bachsaibling und Flussbarsch, topfrisch und von grandioser Qualität. Gebeizt liegen Saiblingstranchen in aufgefächertem Chicorée auf getöpfertem Geschirr. Der so effektvollen wie natürlichen Optik entspricht die Harmonie der Aromen. Eine Mayonnaise auf Erdnussbasis bildet die geschmeidige Grundierung, dazu passen erfrischende Mandarine und herbe Akzente von angedörrter Blutorange.
Der Flussbarsch ist eines der provokanteren Gerichte von Philip Rachinger. In der Einfachheit weniger Zutaten liegt die kulinarische Substanz. Der im Ganzen gebratene Fisch ist belegt mit Speckscheiben von der Wollsau, einer Spur Salzzitrone und Essiggrammeln – goldbraunkrossen Speckwürfelchen mit einem Tick Apfelbalsamessig. Der über Jahre langsam herangewachsene Fisch ist eine gute Portion, die kleinen Gräten erfordern allerdings Umsicht.
Entdecken Sie hier: Fischrezepte für alle Fälle zum Nachkochen
Auch bei der Trilogie von der Wildente steht die Produktqualität im Mittelpunkt. Neben der rosa gebratenen und mit Wacholderzweigen leicht geräucherten Brust wecken, typisch österreichisch, die Innereien als Spieß mit Bauchspeck, Zwiebel und geräuchertem Joghurt Erinnerungen an Schaschlik. Die confierte Keule bestreicht Küchenchef Philip Rachinger mit einer Paste aus schwarzem Knoblauch, Powidl (Pflaumenmus) und Johannisbeersaft und gibt feine Sauerampferstreifen darüber – fertig ist ein wunderbares, üppig dimensioniertes Fleischgericht mit österreichischerer Seele plus subtilen Anklän- gen an Osteuropa, Japan und Skandinavien.
Von links nach rechts:
Saibling mit Chicorée, Mandarine und Erdnuss
Wildente mit Holunder und grünem Wacholder
Ricotta mit Birne und Malz
Welche Pläne hat Philip Rachinger für die Zukunft?
Im Familienbetrieb ist stets genug zu tun. Die jetzige Küche hat die Großmutter 1968 einbauen lassen – Zeit für eine neue. Im Fernruf 7 entstehen Zimmer im japanischen Stil; zwecks Expansion wurden Nachbarhäuser dazugekauft. Parallel gibt es Pläne zum Restaurantumbau des Kaminzimmers: Philip Rachinger überlegt, aus der Feuerstelle einen offenen Grill zu machen und sich in dem intimen Raum ganz aufs nach Marktlage wechselnde vier oder sechsgängige Carte-Blanche-Menü zu konzentrieren. Die bisher alternativ servierten À la carte-Klassiker wie die reichhaltige Süßwasserfischsuppe oder das Innereiengericht Lammbeuschel gäbe es dann in der historischen Stube.
Tipps von Philip Rachinger
Jausenstation blauer Hirsch
Sonnenwald 8
Ulrichsberg
Tel. 0043-7288-22 50
„Eine mühlviertelerisch-böhmische Jausenstation – mit den besten Bauernkrapfen der Welt!“
Gasthaus Wundsam
Neustift im Mühlkreis
www.gasthaus-wundsam.at
„Richtig gute Wirthausküche mit riesigem Spielplatz für die Kinder! Was gibt’s Besseres!?“
Rossbarth
Klammstr. 7
AT-4020 Linz
Tel. 0043-677-62 23 93 14
www.rossbarth.at
„Endlich super zeitgemäße Küche in Linz! Sehr schönes Restaurant, beste Produkte, tolle Köche!“
Zu Gast bei Philip Rachinger
Philip und Helmut Rachinger haben ihr Restaurant und den Wellnessbereich ihres Hotels neu gestaltet.