Rafael Cagali: Das Ziel im Blick

Rafael Cagali: Das Ziel im Blick

Er hat südamerikanisch-italienische Wurzeln und sich seine Lehrmeister in den besten Küchen Spaniens und Englands gesucht. Mit diesem Mix als Rüstzeug gelingt Rafael Cagali in seinem Restaurant "Da Terra" eine selbst für London außergewöhnlich kreative Küche.
Datum20.04.2023

Steckbrief Rafael Cagali

Name: Rafael Cagali

Alter: 1982 als Sohn brasilianisch-italienischer Eltern in São Paulo, Basilien geboren.

Stationen: Das Studium der Wirtschaftswissenschaften in São Paulo bricht er mit 21 Jahren ab. Ausbildung am Westminster College in London mit Teilzeitarbeit in Küchen wie dem "Daphne’s" in Chelsea, danach bei Stefano Baiocco im Grandhotel a Villa Feltrinelli am Gardasee (von DER FEINSCHMECKER mit 5F ausgezeichnet), dann bei Quique Dacosta und Martín Berasategui in Spanien. 2012 kehrt er zurück nach England – ins "The Fat Duck" von Heston Blumenthal (von DER FEINSCHMECKER mit 5F ausgezeichnet). Zwei Jahre später begleitet er Simon Rogan und sein Team zur Eröffnung des "Fera" im Luxushotel Claridge’s und übernimmt die Verantwortung für Rogans Entwicklungsküche und das Restaurant "Aulis". 

Restaurant: Im Januar 2019 eröffnet Cagali mit "Fat Duck"-Alumni Paulo Airaudo sein erstes eigenes Restaurant, das "Da Terra" im Town Hall Hotel in Bethnal Green im Londoner East End. Zwischen offener Küche und Kamin gibt es an runden Tischen mit 26 Sitzplätzen ein Elf-Gänge-Degustationsmenü. 

DER FEINSCHMECKER zeichnet das Da Terra in London mit 4F aus. Die detaillierte Restaurant-Bewertung finden Sie am Ende dieses Artikels.

Mitarbeiter: Das Team besteht aus 18 Kräften. Restaurantleiter Charlie Lee kennt Rafael Cagali aus dem "Fera" und "The Fat Duck", Küchenchef Mark Tuttiett arbeitete unter anderem im "Kitchen Table" und im "The Typing Room". Um die Weine kümmert sich Sommelière Maria Boumpa. 

Privatleben: Cagali und Lee sind seit fünf Jahren verheiratet und leben in der Grafschaft Essex.

Restaurant Da Terra
Patriot Square
London E2 9NF 
Tel. 0044-20 70 62 20 52
www.daterra.co.uk
Geöffnet Mi-Do 18:30-20:00 Uhr, Fr-Sa 12:00-13:30 und 18:30-20 Uhr
Geschlossen So-Di
Menü € 230

Rafael Cagali mit seinem Team im Restaurant "Da Terra".

17.30 Uhr: Das Team des "Da Terra" versammelt sich. Zwei Mal pro Woche findet ein kleiner Workshop vor Servicebeginn statt, heute informiert Küchenchef Mark Tuttiett über zwei graue Kisten auf dem Pass, in denen Babyspinat, Mangold, Pak-Choi, Koriander, Wasabi und Fenchel stecken. "Der schmeckt so geil", sagt einer der jungen Männer vom Service-Team und zeigt auf den Spinat. Chef Rafael Cagali lauscht, beobachtet, unterbricht nie. Dann bedankt er sich bei allen für den Service vom Vortag und sagt: "Habt auch heute wieder Spaß!" 18 Frauen und Männer klatschen in die Hände, gleichzeitig, fröhlich, bevor Restaurantleiter Charlie Lee die Boxen aufdreht. "We didn’t start the fire" singt Billy Joel, Rafael Cagali kehrt entspannt zum Interview zurück, im T-Shirt.

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Wie wichtig sind die tolle Lage und das junge Team für den Erfolg von Rafael Cagali?

Die Inneneinrichtung des Londoner Restaurants "Da Terra" von Sterne-Koch Rafael Cagali.

Das Town Hall Hotel, in dem sich das "Da Terra" befindet, liegt am Rande des angesagten Künstlerviertels Shoreditch, das Restaurant ist jeden Abend ausgebucht. "Ob das an der Lage liegt, weiß ich nicht", sagt Rafael Cagali, "wenn die Leute Gutes hören, reisen sie überall hin." Und Alter sei für ihn eh etwas Relatives. Als er mit 22 Jahren in der Gastronomie angefangen habe, habe er sich als sehr alt empfunden, weil jüngere Kollegen bereits höhere Positionen belegten. Genau dieses Gefühl aber motivierte ihn, von Anfang an und ausschließlich bei bekannten Namen der Branche zu arbeiten. "Ich wollte schnell und gleich von den Großen lernen."

Womit überrascht Rafael Cagali seine Gäste?

Rafael Cagalis bescheidenes Huhn: Leber und Herz vom Huhn, Flügel, Trüffel und Sellerie.

An die verspielten Anfänge des "Da Terra", in denen schon mal ein Playmobil-Männchen in der Menüfolge auf dem Teller landete, erinnert heute nur noch die kleine "Raphael"-Figur der Ninja Turtles, die – zwischen Pinzetten, Zutaten und Stiften – ihren Platz auf dem Pass hat. Erwachsen seien sie geworden, sagt Rafael Cagali. Gespielt wird heute nur noch bei der Zubereitung der Gerichte, mit dem Ziel, immer neue, einzigartige Kreationen zu schaffen. Dazu gehört auch das "bescheidene Huhn", das zwar seit Beginn auf der Karte steht, sich aber permanent verändert – und dessen Name man nur als britisches Understatement interpretieren kann. Dekonstruiert kommt der Vogel auf den Teller: in Form von Hühnerleber-Parfait mit krossem Chip von der Hühnerhaut in einer Eierschale; als eine Stunde in Salzlake eingelegtes und gebratenes Herz; als in Hühnerfett marinierter und a la plancha zubereiteter Flügel mit knuspriger Haut am Spieß; als in Räucheröl confiertes, vor Umami strotzendes Eigelb auf Maispüree mit leicht säuerlich fermentierten Pfifferlingen und Scheiben von schwarzem, australischem Trüffel; und schließlich in Form eines auf einem Baumstamm mit Moos thronendem, zart karamellisiertem Trüffel-Popcorn-Brioche mit knusprig gebratenem Hühnerfuß.

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Welchen Einfluss hatten Rafael Cagalis Lehrmeister auf ihn?

Der Sternekoch Rafael Cagali hat südamerikanisch-italienische Wurzeln.

"Großen", sagt Rafael Cagali. Jede der Stationen habe ihn etwas gelehrt, nicht nur Techniken, auch Haltungen, die man sich zu eigen machen kann. "Die Leidenschaft für das Kochen hat mich besonders bei Stefano Baiocco inspiriert", sagt er. Und Martín Berasateguis klassische Küche, die er mit modernen Techniken vereint, das Produkt im Fokus, fasziniere ihn auf ewig. So wie Simon Rogans bedingungsloser Respekt vor den Zutaten. Quique Dacosta habe ihm, als die Avantgarde Spaniens noch in den Anfängen steckte, gezeigt, wie man im Prozess der Selbstfindung Hindernisse überwindet. Und nicht zu vergessen Heston Blumenthal: Dessen "Motivation, Disziplin und Konzentration“ habe so viele Kollegen geprägt. Und ihn ganz besonders: "Zu sehen, wie man als Autodidakt ein weltweit erfolgreiches Restaurant mit einem hochexperimentellen Stil schaffen und etablieren kann, hieß für mich: Da will ich auch hin!"

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Was macht Rafael Cagalis Stil aus?

Er ist die Kombination seiner Erfahrungen in spanischen und englischen Topküchen von der Klassik bis zur Avantgarde mit den persönlichen Einflüssen seiner italienisch-süd-amerikanischen Herkunft. Hinzu kommen Talent, Selbstvertrauen und Experimentier-freude. Schon der Auftakt seines Menüs beweist das. Es gibt "Caipirinha" à la Cagali in Form einer halben Limette zum Auslöffeln, die mit einem Schaum von Zuckersirup, Limettensaft, Cachaça und Raspeln von gefrorener Pampelmuse und Kaffirlimette gefüllt ist: ein süß-säuerlich pfiffiger Gaumenvorbereiter. Es folgt selbst gebackenes Vollkorn-Sauerteigbrot, das mit dreierlei Aufstrich – kultivierte Butter mit Meersalz, rosa Pfefferkornbutter und emulgiertes Olivenöl – serviert wird. Für die Basis seiner Moqueca, dem klassisch-brasilianischen Fischeintopf, verwendet Cagali Dende-Öl, das aus Früchten des Dendezeiro-Baums oder der afrikanischen Ölpalme gewonnen wird. Hinzu kommen Kokosmilch, Fischbrühe, Steinbutt aus Cornwall, Kombu, brasilianische Bohnen, Okra, geräucherter Aal und Raspel vom gerösteten brasilianischen Maniokmehl Farofa. Zum Abschluss gibt es seine Version einer Rum Baba: "Cachaça Baba", mit Pistazien-Eis, Tonkabohne und N25-Reserve-Kaviar aus Tibet – ein elegant in der Süße und Säure ausbalanciertes Dessert mit edel jodigem Akzent.

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Woher nimmt Rafael Cagalis seineProdukte?

Die meisten Zutaten für das "Da Terra" stammen aus dem Vereinigten Königreich, Fisch und Fleisch fast ausschließlich. Beispiele dafür sind die Jakobsmuscheln von der Isle of Mull, das New-Forest-Schwein oder das Huhn aus den Cotswolds. Aber auch Gemüse wie Granny-Smith-Äpfel sowie Fenchel, Kräuter und Käse bezieht Cagali von der Insel. Einige landestypische Zutaten wie Pfeffer und Tucupi kommen aus Brasilien, Olivenöl und Balsamico aus Italien und Kombu aus Japan.

Was bringt die Zukunft für Rafael Cagali?

Die hat schon begonnen – mit einem zweiten Restaurant. Im September 2022 hat Cagali das "Elis" eröffnet, eine Etage über dem "Da Terra". Es ist benannt nach der brasilianischen Sängerin Elis Regina und dem ersten Restaurant von Cagalis Mutter, das „Elis’ Piano Bar“ hieß. Es gibt Kabeljau-Krapfen, Fejioada-Krabbentagliolini oder Baby-Seeteufelschwanz mit schwarzer Tucupi-Glasur. Alle Gerichte sind zum Teilen angelegt: Bistronomie im besten Sinne.

Rafael Cagalis Tipps für London

Brawn
49 Columbia Road
London E2 7RG
Tel. 0044-20 77 29 56 92 
www.brawn.co
"Das ist einer dieser Orte, wo man sicher sein kann, immer ein gutes Essen und großartigen Wein zu bekommen. Ich liebe die entspannte Atmosphäre."

The Water House Projekt
1 Corbridge Cres
Cambridge Heath
London E2 9DT
www.thewaterhouseproject.com
"Gabriel Waterhouse bietet ein hypersaisonales Degustationsmenü in einem beeindruckenden Gastraum direkt neben dem Kunst- und Veranstaltungsareal Oval Space."

Noble Rot
41 Lamb’s Conduit Street
London WC1N 3NB 
Tel. 0044-20 72 42 89 63
www.noblerot.co.uk 
"Die ‚Noble Rot‘-Restaurants haben zu Recht einen guten Ruf. Ideal, wenn man mal Lust auf ein paar kleine Häppchen und guten Wein hat. Ab und zu braucht man genau das an seinem freien Tag."

Zu Gast bei Rafael Cagali

Da Terra
R Q F

Rafael Cagali hat südamerikanisch-italienische Wurzeln und unter anderem in Spanien bei Martín Berasategui und Quique Dacosta sowie in England bei Heston Blumenthal gearbeitet. Sein Ziel: immer neue, einzigartige Kreationen mit viel Experimentierfreude. Das 11-GängeDegustationsmenü umfasst etwa ein dekonstruiertes „bescheidenes Huhn“, brasilianischen Fischeintopf und seine Version eines Rum Baba. Das Restaurant mit offener Küche und Kamin liegt im trendigen Viertel Shoreditch.

Patriot Square 8, London E2 9NF, GB
+44 20 70622052
www.daterra.co.uk

Die FEINSCHMECKER-Bewertungskriterien

In jeder Hinsicht perfekt
Küche und Service herausragend, Ambiente und Komfort außergewöhnlich
Exzellente Küche, sehr guter Service, Komfort und Ambiente bemerkenswert
Sehr gute Küche, guter Service, angenehmes Ambiente, komfortabel
Gute Küche, ansprechendes Ambiente
Solide Küche, sympathisches Lokal
Bewertung ausgesetzt
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