Tobias Wussler: Revolution mit Respekt
Steckbrief Tobias Wussler
Name: Tobias Wussler
Alter: 1989 geboren
Stationen: Kochausbildung im Hotel Trofana Royal in Ischgl, danach bei Joachim Wissler im Vendôme in Bergisch Gladbach (von DER FEINSCHMECKER mit 5F ausgezeichnet) und im Landhaus Bacher in Mautern an der Donau, Österreich. Er kochte im Noma in Kopenhagen (von DER FEINSCHMECKER mit 4,5F ausgezeichnet), kehrte dann ins "Landhaus Bacher" zurück, bevor er in seinem badischen Heimatort Gengenbach den elterlichen Betrieb übernahm.
Das Restaurant: Das Wirtshaus Ponyhof steht auf einer Anhöhe am Rande von Gengenbach im Schwarzwald und bietet bis zu 70 Gästen Platz, bei Feiern bis zu 110 Personen. Gegenüber befand sich früher ein Pferdestall, daher der Name. Serviert wird eine neu interpretierte badische Wirtshausküche, traditionell und modern zugleich.
DER FEINSCHMECKER zeichnet das Wirtshaus Ponyhof mit 2,5F aus. Die detaillierte Restaurant-Bewertung finden Sie am Ende dieses Artikels.
Mitarbeiter: Den Kern des Teams bildet die Familie von Tobias Wussler. Sein Bruder Marco übernimmt zusammen mit zwei Mitarbeiterinnen den Service, Vater Alois hilft in der Küche, wo zwei bis sieben Köchinnen und Köche arbeiten.
Lieblingsweine: Aus Österreich, z. B. Grüner Veltliner! Dort verbrachte er einige Jahre.
Hobbys: Streifzüge in der Natur und essen gehen – beides ist für ihn Inspiration.
Ponyhof Stammhaus by Tobias Wussler
Mattenhofweg 6
77723 Gengenbach
Tel.: 07803 1469
www.ponyhof.co
Mi-Fr 17-0 Uhr, So, Sa 11.30-0 Uhr
Die rosafarbenen Flamingo-Skulpturen am Eingang des Restaurants "Ponyhof" wären selbst in Berlin ein Hingucker, in Gengenbach im Schwarzwald sind sie es erst recht – und genauso außergewöhnlich wie die Küche, die Tobias Wussler hier serviert. Der Familienbetrieb wurde 20 Jahre lang von seiner Mutter, Erika Wussler, geführt, als ty-pisches Wirtshaus der Region mit bodenständigen Gerichten, rustikalen Stühlen und holzvertäfelten Wänden. Durch die Fenster blickt man auf ein Schwarzwaldpanorama mit saftig grünen Hügeln und einer alten Kapelle. Erika Wussler und die schöne Aussicht sind geblieben – alles andere hat Tobias Wussler verändert, ja revolutioniert.
Wie bricht Tobias Wussler mit Traditionen?
Mit einer Familie, die offen für Neues ist und Veränderungen nicht im Wege steht. "Meine Eltern, von denen ich den Betrieb übernommen habe, ließen mir völlig freie Hand", sagt Tobias Wussler. "Mir wurde nie etwas vorgeschrieben." Nach Stationen bei Joachim Wissler, im Kopenhagener "Noma" und im "Landhaus Bacher" in Niederösterreich war für ihn klar: Wenn er das Restaurant übernimmt, muss alles anders werden. "Ich wollte einen zukunftsfähigen Betrieb aufbauen, der zwar gehobene Küche bietet, aber offen für alle ist", sagt Wussler. "Das ist kein Widerspruch."
Um die vielen Stammgäste nicht zu vergrämen, fuhr er nach der Übernahme 2015 zweigleisig, präsentierte neue Gerichte, aber ließ die Klassiker auf der Karte. Es gab Stoffservietten und feines Geschirr für die neue Küche, Papierservietten und die bisherigen Teller, wenn Schnitzel und Co. bestellt wurden. Die Reaktionen waren gespalten: Den einen waren die Veränderungen zu drastisch, die anderen zeigten sich neugierig. In dieser Übergangsphase blieben die vier Kegelbahnen hinter dem Gastraum in Betrieb. Während dort die Kegelfreund:innen polterten, wurde nebenan gut gegessen. Nach einem Jahr beschloss Tobias Wussler, die Kegelbahnen zu schließen und die Karte umzustellen. "2016 kam es zur vollständigen Neuausrichtung. Beide Konzepte parallel zu fahren war für alle anstrengend und entsprach nicht meiner Vision." Zu der gehörte auch eine komplette Umgestaltung des Innenraums. Jetzt gibt es dort hell verputzte Wände, eine lockere Bestuhlung und eine stimmige Beleuchtung.
Entdecken Sie hier Spitzenadressen: Die besten Restaurants in Deutschland
Was kocht Tobias Wussler?
Tobias Wussler kocht das, worauf er Lust hat – weltoffen und regional zugleich. Das Rindertatar wird mit Sambal Oelek pikant gewürzt, dazu gibt es fermentierte Pommes frites. Nach einer mehrwöchigen Reifezeit in Salzlake wird aus profanen Kartoffelstäbchen ein völlig neues Esserlebnis mit leichter Säure, viel Umami und fester Textur. Die dazu gereichte Reisessigmayonnaise harmoniert perfekt. Steinpilze von bestechender Qualität werden kurz gebacken und mit Sauce tartare serviert. Ceviche vom Färöer Lachs bekommt durch Joghurt und Ingwer eine schöne Säure.
Eine souveräne Küche ist das, frei von Dogmen und unverwechselbar. Ein saftiges Stück vom Schwarzfederhuhn aus dem Elsass wird mit Estragon und Steinpilzen serviert, die aufgrund ihres Aromas allein schon etwas Besonderes sind. "Regional ist für mich auch Frankreich, das ist ja um die Ecke, und das Geflügel ist Weltklasse", sagt Wussler. Zu seinem Konzept, niemanden auszuschließen, gehört, dass es alle Gerichte à la carte gibt und dass auch Kalbsrücken mit Rahmpfifferlingen auf der Karte steht – oder Cordon bleu, gefüllt mit Taleggio und hausgemachtem Schwarzwälder Schinken.
Wer unterstützt Tobias Wussler?
Was für den alten "Ponyhof" galt, gilt für den neuen ganz besonders: Dahinter steht eine starke Familie, sie wohnt – wie nicht selten bei Wirtshäusern – im selben Haus. Im Dachgeschoss hat sich Wusslers jüngerer Bruder Marco mit Frau und zwei Kindern eingerichtet, darunter er selbst, unter seiner Wohnung leben die Eltern.
Wusslers älterer Bruder Sebastian ist der Einzige, der nicht in Gengenbach wohnt. Als Gründer der Plattform "Chef’s Talk" mit mehr als einer Million Followern auf Instagram ist er international vernetzt, entwickelt weltweit gastronomische Konzepte – und bezieht die Familie ein, wenn es geht. So kam es, dass Vater Alois gemeinsam mit seinen Söhnen den modernen Schwarzwald auf das Tomorrowland-Festival in Belgien brachte, eines der größten Events für elektronische Musik in Europa. Als "Vegan with The Wussler Brothers" servierten sie Auberginen-Kebab und fermentierte Pommes. "Eine Tonne Kartoffeln haben wir dafür fermentiert, und die Leute haben es geliebt", erzählt Wussler noch heute mit Begeisterung. Wegen des umtriebigen Bruders verbringt Tobias Wussler mehrere Wochen im Jahr in Bahrain, wo das Küchenkonzept aus dem "Ponyhof" im Restaurant "The Quarry" an der Formel-1-Strecke umgesetzt wird. "Für die Köche dort ist das neu, aber die saugen alles auf und haben großen Spaß daran – wenn auch in anderen Dimensionen als in Gengenbach." 500 Plätze bietet das Restaurant in Bahrain.
Tobias Wussler im FEINSCHMECKER-Podcast
Belgien, Bahrain – was kommt noch für Tobias Wussler?
Mit seinem Konzeptwechsel hat Tobias Wussler einige Gäste verloren, aber durch sein Können und seine Konsequenz viele neue hinzugewonnen. Die Familie zieht an einem Strang, Vater Wussler kocht mit, der jüngere Bruder bedient locker und charmant. "Nur so lässt sich das Konzept aufrechterhalten", sagt Wussler. "Auch wir haben Schwierigkeiten, Personal zu finden, das extra nach Gengenbach kommt." Der Zusammenhalt zeigt sich auch in der Offenheit für neue Vertriebswege. So betreibt man einen Onlineshop mit hausgemachten Produkten, die deutschlandweit verschickt werden. Tobias Wussler hat mit seiner Neuausrichtung viel riskiert, und der Erfolg gibt ihm auf ganzer Linie recht. Oder, wie man beim Kegeln sagen würde: alle Neune!
Auch interessant: Thomas Bühner: Superstar der deutschen Spitzenköche
Tobias Wusslers Tipps:
Die Burg
Burgring 6
78166 Donaueschingen
Tel. 0771-17 51 00 50
burg-aasen.de
"Regional und fein wird hier gekocht – immer mit besten Produkten und gerne überraschend."
Landhaus Bacher
Südtiroler Pl. 2
AT-3512 Mautern an der Donau, Österreich
Tel. 0043-2732-829 37
landhaus-bacher.at
"Hier gibt es klassische Küche in Perfektion, die mit viel Herz gekocht wird. Eines meiner absoluten Lieblingsrestaurants."
MORIKI im Roomers Hotel
Lange Str. 100
76530 Baden-Baden
Tel. 07221-90 19 39 01
moriki-badenbaden.de
"Moderne asiatische Küche mit traditionellen Elementen – und das beste Sushi der Region."
Zu Gast bei Tobias Wussler
Konzept: Im wunderschön gelegenen Landgasthof wird eine raffinierte und dennoch bodenständige Hochküche angeboten. Menü (drei Gänge à € 73) und à la carte.
Küche: „Badisch“, behauptet die Eigenwerbung, doch das ist allenfalls die halbe Wahrheit bei der munteren Fusion-Küche von Tobias Wussler, der den Zander mit Fregola Sarda und Pilzen kombiniert, frittierte Calamari mit Knoblauch-Mayonnaise anbietet und sein Menü mit Jahrgangssardinen, Gurke und Joghurt-Aromen einleitet. Wie raffiniert eine auf besten Zutaten basierende Regionalküche schmecken kann, zeigen die Spanferkel-Ravioli mit Liebstöckel und weißer Pfeffersauce. Originelle Desserts und Eiskreationen. Unbedingt probieren: „Waldspaziergang“, ein cremiges Eis mit Tannengrün-Öl, Preiselbeeren und Haselnuss.
Wein: 80 Posten listet die Karte, gut ein Dutzend davon im offenen Ausschank.
Atmosphäre: Heller großer Gastraum mit schönem Blick auf die Wiesen der Ortenau. Große Sommerterrasse mit „Ferien auf dem Bauernhof“-Charme.
Fazit: Entspannter Genuss im Ausflugslokal mit bemerkenswerter Küche.