Viviana Varese im Porträt: Von der Pizzabäckerin zur Sterneköchin
Wo kommt Viviana Varese her?
Die Karten, sagen sie in Italien, waren nicht zu ihrem Vorteil gemischt. Gerade hier, in diesem so wunderbaren, aber auch so rigide katholischen Land. Viviana Varese fasst es schonungslos zusammen: „Frau, übergewichtig, homosexuell und aus dem tiefsten Süden stammend.“ Da wird man nicht überall mit offenen Armen empfangen.
Viviana Varese stammt von der Amalfiküste und kam mit ihren Eltern nach Mailand, als sie sieben war. Mamma und Papà eröffneten eine Pizzeria, sie musste mithelfen: Mit 13 Jahren wurde Viviana die verantwortliche Pizzabäckerin. Und wog 125 Kilo. Schwer vorzustellen, was das für ein Mädchen bedeutete, das ohnehin schon Außenseiterin war: nicht nur zugereist, sondern auch noch aus Kampanien. „Terrona“, lautet im Norden das hässliche Wort für Emigranten aus dem Süden, ganz frei übersetzt: „Erdfresser“. Und dazu die Entdeckung, dass Viviana Frauen mochte – wo sollte das alles hinführen? „Ich war nie in der Disco, ging nie auf einen Aperitivo aus“, sagt sie. „Ich war trotzdem glücklich. Aber ich hatte keine Wahl: Ich wollte es der Welt zeigen – meine Motivation!“
Wie hat es Viviana Varese in der Küche nach ganz oben geschafft?
Jakobsmuscheln, Pasta mit Kürbis gefüllt und gedämpfte Pizza von Viviana Varese.
Viva Viviana Varese: Ihr Guide Michelin Restaurant in Mailand
Viviana stürzte sich ins Abenteuer, eröffnete zunächst das „Il Girasole“ in Mailand, dann leitete sie mit ihrer damaligen Lebenspartnerin Sandra Ciciriello das Restaurant Alice. Der Name „Alice“ sollte die Weiblichkeit des Ortes betonen und an die Sardelle erinnern, aber vor allem hat Viviana an „Alice im Wunderland“ gedacht. Hier sollte man verzaubert werden, ohne es anschließend auf der Rechnung zu bereuen.
Die großen Gourmetauszeichnungen kamen schnell. Und Viviana Varese blieb ihrer Linie treu, behandelte die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gut – und gab auch jenen eine Chance, die es sonst schwer hatten. 2019 eröffnete sie das Sternerestaurant Viva Viviana Varese im Mailänder Eataly-Store – ein Wortspiel, bildet das „Viva“ doch auch die Anfangsbuchstaben ihres Namens. Und je selbstbewusster sie wurde, desto lauter setzte sie ihre Stimme gegen jede Art von Diskriminierung ein, beschäftigt beispielsweise auch Flüchtlinge. Inzwischen ist das Viva Viviana Varese im 2022 Guide MICHELIN Italien.
Viviana Varese
Das Viva Viviana Varese in Zeiten von Corona
Was lernt Viviana Varese aus der Krise?
Ein bisschen hatte es sich ja schon vor dem Virus abgezeichnet, dass die Spitzenküche hier und da neue Wege gehen muss. Dass es eine Rückbesinnung geben müsse, hin zu besserem Umgang mit Ressourcen – und Menschen. Was bei so manchen Protagonisten ein Lippenbekenntnis blieb, wurde bei Viviana Varese nach Corona Programm: Sie reduzierte die Karte von 24 auf 12 Gerichte, die Preise eines Menüs um fast die Hälfte. Ihre neue Einfachheit wird deutlich beim klassischen italienischen Gericht „Pasta e patata“ mit geräucherten Kartoffeln, Pistazienpesto und Basilikum. Oder ihrer köstlichen Pasta „Insuperabile“ („unübertrefflich“): Spaghetti in Fischbrühe mit Calamari, Venusmuscheln und Tarallo-Krumen (apulische Gebäckkringel). Extravaganzen wie ihr berühmtes Zahnbrassen-Carpaccio, bildhübsch mit allerlei exotischen Früchten garniert, bietet sie heute nicht mehr an.
Appetit bekommen? Hier sind fünf leichte Pasta-Rezepte für den Sommer!
Viviana Varese geht als Sterneköchin neue Wege
Viviana Vareses Mailand-Tipps
Tipografia Alimentare
Via Dolomiti 1
Tel. 0039- 02 83 53 78 68
www.tipografiaalimentare.it
Mo, Mi, Do ab 11 Uhr, Fr, Sa, So ab 9 Uhr geöffnet, Gerichte € 6-15
„Mein neues Lieblingslokal. Ein Bistro mit ausgesuchten Nischenprodukten aus ganz Italien. Inspirierende Einrichtung, Leseecke, einfach ein idealer Treffpunkt!“
Contraste
Via Meda 2
Tel. 0039-02 49 53 65 97
www.contrastemilano.it
Mo-Sa abends, So mittags geöffnet, Menüs € 120-150
Wenn ich einen FineDining-Abend verbringe, dann am liebsten bei Matias Perdomo – er ist sehr kreativ, ohne je den Geschmack aus den Augen zu verlieren.“
Sissi
Zu Gast bei Viviana Varese
Viviana Varese setzt sich gegen Diskriminierung ein: am Herd, im Saal und überall sonst. In ihrem Restaurant arbeiten 20 Mitarbeiter jeder Hautfarbe, jeder Religion und jeder sexuellen Ausrichtung. Nach Corona reduzierte sie in ihrem frisch eröffneten Restaurant die Karte von 24 auf 12 Gerichte, die Preise eines Menüs um fast die Hälfte. Und praktiziert eine neue Einfachheit – „zurück zu den Pfannen, weg vom Vakuumierer“ – , etwa bei Pasta e Patata mit geräucherten Kartoffeln und Pistazienpesto.