Sören Herzig im Porträt: Von Cuxhaven nach Wien
Inhalt
Einen Blick wie diesen bekommt man selten zum Aperitif geboten: Von der riesigen Dachterrasse des "Herzig" (vom FEINSCHMECKER mit 3F bewertet) liegt den Gästen sozusagen ganz Wien zu Füßen. Nicht ohne Stolz zeigt Sören Herzig auf Schloss Schönbrunn, den Stephansdom und die Weinberge am Stadtrand – und erzählt im Schein der Abendsonne, wie schwierig die Suche nach geeigneten Räumen im boomenden Wien war. Doch für ihn stand schon seit vielen Jahren fest: "Bevor ich 30 bin, mache ich mein eigenes Restaurant auf."
Er hat es geschafft, im April 2019, kurz nach seinem 29. Geburtstag, war es so weit. Heute betrachtet er den Standort im nicht ganz so zentralen 15. Bezirk als Glücksfall: "Die Gegend ist definitiv im Kommen." Und der nahe Meiselmarkt mit seinen vielen Gemüseständen und dem leicht balkanischen Flair sei Inspiration pur: "Wie der Naschmarkt, nur ohne Touristen."
Steckbrief Sören Herzig
Name: Sören Herzig
Alter: 33 Jahre
Stationen: Nach der Ausbildung in seiner Heimatstadt Cuxhaven sammelt er Erfahrungen bei Kevin Fehling (damals "Belle Époque", Travemünde) und Thomas Martin ("Louis C. Jacob", Hamburg). Prägend sind die Jahre bei Juan Amador, zunächst in Mannheim, dann in Singapur und Wien. Im April 2019 eröffnete er in Wien das "Herzig" (3F; die detaillierte Restaurantbewertung finden Sie am Ende des Textes)
Hobbys: Dreimal pro Woche kommt sein Personal Trainer ("zum Dampfablassen"); zu Hause auf der Terrasse zieht er die Kräuter fürs Restaurant.
Restaurant: Das "Herzig" (elf Tische für maximal 30 Gäste) liegt im 15. Bezirk im ehemaligen Auktionshaus Dorotheum, das mustergültig restauriert wurde; den Gastraum prägt zeitgenössische Kunst.
Team: Das Ehepaar Herzig hat sechs Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, davon drei in der Küche.
Privat: Seine Frau Saskia stammt aus der Wachau und ist Gastgeberin im Restaurant. Mit dem Malteser Mailo lebt das Paar zwei Häuserblocks vom "Herzig" entfernt.
Herzig
Schanzstr. 14, 1150 Wien
+43 664 1150300
www.restaurant-herzig.at
Mi-Sa abends geöffnet
Über das "Herzig": Küchenkonzept und Einrichtung
Das "Herzig" liegt weit vom Schuss, aber Sören Herzig fand dort ideale Bedingungen für sein Küchenkonzept. "Ich wollte eine ganz eigene Welt schaffen."
Das Dorotheum, ein ehemaliges Auktionshaus, ist mit seiner historischen Fassade dafür der richtige Ort. Die heutigen Eigentümer ließen es aufwendig restaurieren und machten das Gebäude zum Kreativ-Hub mit Büros namhafter Architekten und Designer. Das "Herzig" liegt in der ehemaligen Auktionshalle im Erdgeschoss, der 120 Jahre alte Eichenboden und die hohen Fenster bieten reizvolle Kontraste zur zeitgemäßen Einrichtung mit runden Tischen, grünen Samtsesseln und farbenfroher, moderner Kunst.
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Juan Amador prägt Herzigs Karriere
Fünf Jahre verbrachte der junge Norddeutsche mit Amador, "mein großer Lehrmeister und Förderer". Ihn faszinierte, wie der Dreisternekoch mit schwäbisch-spanischen Wurzeln am Herd enormen Ehrgeiz und Präzision mit mediterraner Gelassenheit verbindet.
Aus Mannheim folgte er ihm nach Wien; bis das dortige Restaurant fertig war, schickte Amador seinen besten Mann ein Jahr nach Singapur, um dort für ihn ein Restaurant zu eröffnen. "Die Zeit in Asien hat mich geprägt", sagt Herzig. Tatsächlich spielen bei fast jedem seiner Gerichte Zutaten und Techniken aus Fernost eine Rolle, etwa wenn eine Brühe auf Basis von Schweinerippchen mit viel Sternanis, Chili und Ingwer an das Singapurer Eintopfgericht Bak Kut Teh erinnert.
Wie kocht Sören Herzig?
"Präzise, durchdacht, innovativ", so beschreibt er selbst seine Küche. Er ist keiner, der spontan ein neues Gericht aus dem Ärmel schüttelt, eher feilt er wieder und wieder an Bestehendem und Bewährtem, immer auf der Suche nach Perfektion. Das zeigt sich schon an den aromatisch ausgetüftelten Miniaturen vorneweg, etwa seiner Interpretation des typisch wienerischen Schinken-Käse-Toasts – ein luftiger Happen, gefüllt mit cremigem Käse und Schinkenpesto.
Ein Fixum im Menü ist Kaviar in der Vorspeise, mit dem er sich schon mal ein kleines Verwirrspiel erlaubt, wenn er ihn im Kreis mit schwarzen Belugalinsen anrichtet – ein bildschöner Teller, komplettiert durch Dashi Molke-Sauce mit frischen Kräutern und geeisten Meerrettichperlen. Typisch für die asiatischen Einflüsse im Menü ist ein Gericht rund um die Bachforelle, gedämpft und als Basis einer Brandade, dazu Spinat als Püree und Gelee; umspielt wird der Fisch von Yuzu Beurre-blanc, die feine Säure und Schärfe ins Spiel bringt. Für die Verbundenheit mit der Region steht der Rehrücken aus dem Wienerwald, den er rosa brät, mit Zitronenthymian-Lack bestreicht und in Sellerie Crumble wälzt, begleitet wird er von Holunderbeeren und Knollensellerie.
Außergewöhnliche Tischkultur im Restaurant
Kümmert sich Sören Herzig selbst um die Tischkultur? Und ob! Auch Kunst spielt eine große Rolle – so hat Künstler Peter Jellitsch eine hintere Wand mit schwarz-weißer, graffitiartiger Bemalung als Blickfang gestaltet. Auch Clemens Wolf und andere Wiener Künstler sind dabei. Das "Herzig" ist in dem Sinne auch Galerie: Einige Werke wurden von Gästen schon gekauft und durch neue ersetzt. Auch jedes einzelne Element der Tischkultur hat Herzig durchdacht: "Ich bin Tellerfetischist." Jedes Gericht kommt auf einem anderen Teller, einige davon kreierte der Küchenchef mit befreundeten Handwerkern selbst – nach alter japanischer "Raku"-Art, einer speziellen Brenntechnik der Töpferei. Eine Präsentation, die zu den präzisen, durchaus auch detailverliebten Gerichten passt.
Sören Herzigs Gastro-Tipps in Wien
R&Bar
7. Bezirk, Lindengasse 1, weinskandal.at/rundbar
"Spontan auf ein Glas Wein? Am liebsten in diese angesagte Naturweinbar mit klasse Auswahl."
Alma Gatrotheque
4. Bezirk, Große Neugasse 31, almagastrotheque.at
"Sympathisches vegetarisches Bistro mit alpin-maritimen Gerichten, wöchentlich wechselnder Karte und guter Auswahl an Naturweinen."
Wieninger am Nussberg
19. Bezirk, Eichelhofweg 125, wieningeram-nussberg.at
"Klassische Heurigenküche mit Weinen des eigenen Guts. Mein Favorit bei den Gerichten: Käferbohnen mit Kernöl!"
Zu Gast bei Sören Herzig
In der österreichischen Metropole verknüpft Sören Herzig europäische Hochküche, mediterrane Aromen und asiatische Kochtechniken zu einer einfallsreichen, lustvollen Küche. Juan Amador war sein Lehrmeister und Förderer, er schickte ihn für ein Jahr nach Singapur, um dort ein Restaurant zu eröffnen. Auch Kunst spielt im Restaurant eine wichtige Rolle, einige Werke wurden von Gästen schon gekauft und durch neue ersetzt.