Kristian Baumann: Koreanisch-Nordische Spitzenküche

Kristian Baumann: Koreanisch-Nordische Spitzenküche

Kopenhagen ist reich an Spitzenrestaurants, doch eines ragt selbst hier heraus: Im „Koan“ begeistert Kristian Baumann mit koreanisch- nordischer Stilistik, einzigartigen Kreationen und einer beeindruckenden Geschichte.
Text Julius Schneider
Datum06.06.2024

Ein Menü soll oft eine Geschichte erzählen. Kristian Baumanns Speisenfolge erzählt von seinem Leben. 

Der gebürtige Südkoreaner wurde als Baby von einer dänischen Familie adoptiert, hatte eine glückliche Kindheit, ist Teil der dänisch-südkoreanischen Gemeinschaft und hat in Dänemark den Beruf des Kochs erlernt. Dass er heute nordisch-koreanisch kocht, scheint logisch, doch bis es so weit war, brauchte es viel Arbeit und die Erkenntnis, dass Essen kulturelle Barrieren überwinden kann.

Langustenschere mit Kräutern und Reiswein von Kristian Baumann

Wie fand Kristian Baumann zum Kochen?

Die Liebe zum Sport sieht man dem drah- tigen Küchenchef an. Einen Teil seiner Schulzeit verbrachte er in einem Sportinternat. Doch statt sich auf körperliche Höchstleistungen zu fokussieren, fand er Gefallen daran, den netten Frauen in der Küche zu helfen. „Sie haben den Grundstein für meine Karriere gelegt“, sagt er, „ich habe viel Zeit in der Internatsküche verbracht und dort die dänischen Klassiker gelernt.“ Nach seinem Abschluss folgte er einem guten Freund und begann seine Ausbildung in einem klassischen dänischen Restaurant. In den folgenden Jahren kochte er in verschiedenen Restaurants in Dänemark und erhielt von einem russischen Milliardär das Angebot, auf dessen Jacht zu arbeiten. Er lehnte ab, ging nach Frank- reich, wo er sich in einem Hotel zwischen Cannes und Nizza anstellen ließ. Keine Haute Cuisine, doch eine neue Küche.

Koreanisch-Nordisches Interieur im eleganten Restaurant

Zurück in Dänemark kam er in Kontakt mit dem Koch Christian Puglisi, den er von einem Praktikum im „Noma“ kannte. Er begann als Souschef im „Relæ“ und eröffnete mit ihm das „Manfreds“. In der Zeit

passierten zwei Dinge: Er verspürte den Drang, etwas Eigenes auf die Beine zu stellen, und er begann, sich mit seiner Herkunft auseinanderzusetzen. „Immer wenn ich zu Hause war, kochte ich ganz anders, beschäftigte mich mit der koreanischen Kultur und Geschichte und wollte auch die Sprache lernen“, erinnert sich Kristian Baumann. Er kündigte und übernahm die Küche eines kleinen Lokals in einer Woh- nung in Kopenhagen. Eine Art Dinnerparty, bei der er sich ausprobieren konnte.

In dieser Zeit feilte er an seinem Konzept, das er René Redzepi und Peter Krei- ner, dem Vorstand des „Noma“, vorstellte. „Sie hörten sich an, was ich zu sagen hatte, und sagten: „Kristian, wir sollten ein Restaurant eröffnen“, erinnert sich Baumann. Das „108“ machte 2016 auf. Nordische Küche, à la carte, sieben Tage die Woche mit Mittag- und Abendessen. Dazu ein Café mit Brot, Gebäck und Frühstück – alles aus der Küche von Kristian Baumann. „Es lief gut, wir hatten große Pläne für die Zukunft, und dann kam die Pandemie“. Das „108“ musste schließen, für Kristian Baumann war es der Beginn des heutigen „Koan“. Zwischen den Lockdowns eröffnete er sein Restaurant als Pop-up in einer Destillerie, wo er begann, seine koreanisch-dänische Idee zu verwirklichen.

Farbenfroh und voller Geschmack: Mandu, koreanische Teigtasche mit Forelle

Wie ragt man in einer Stadt wie Kopenhagen heraus?

Wo sich heute das „Koan“ befindet, wur- den früher Touristen abgespeist, die die nahe gelegene Meerjungfrau sehen woll- ten. Heute finden sich hier Menschen ein, für die der Genuss die Attraktion ist. Der Restaurantbesuch beginnt mit einem freundlichen Empfang in einem kleinen Raum mit reduziertem Licht. Tritt man durch die nächste Tür, öffnet sich eine neue Welt. Vorbei am Pass, wo im Hintergrund die Gerichte auf Gasflammen vollendet werden, gelangt man in einen Raum, der nur einen Gedanken zulässt: Hier ist man richtig. Dänisches Interieur, hohe Wände mit Stäben aus Eschenholz und Elementen aus koreanischen Tempeln, davor die Servicetheke mit hellem Stein und ein Menü, das einzigartig ist: koreanische Geschmackswelten gepaart mit dem reduzierten Stil der New Nordic Cuisine.

2017 reiste Kristian Baumann zum ersten Mal nach Südkorea, um seinen Wurzeln und der Küche seines Geburtslandes näherzukommen. Seitdem ist er mindestens einmal im Jahr dort und versucht, so viel wie möglich von der Esskultur mitzunehmen – von traditioneller koreanischer Hofküche über buddhistisch inspiriertes Tempelessen bis hin zum Streetfood-Barbecue. Die koreanische Aromenwelt ist in seinem Menü allgegenwärtig, aber der 37-Jährige versteht es, sie mit seiner nordischen Prägung zu verschmelzen.

Gut gelaunt und hoch motiviert – das Team von Kristian Baumann (l.)

Mandu, die koreanischen Teigtaschen, füllt Baumann mit Fjordgarnelen, leicht frittiert auf einer herzhaften Brühe – knusprig, süffig und mit viel Umami. Den Geschmack seiner Kindheit verbindet er mit Bakskuld, einem typisch dänischen luftgetrockneten und geräucherten Platt- fisch. Baumann aromatisiert damit eine Sauce aus Fischfond, Sahne und Champagner, die mit Königskrabbe, pochierter Auster und Gamtae, einer koreanischen Alge, serviert wird. Das leichte Trüffelaroma der Wasserpflanze harmoniert mit der vollmundigen Sauce und den perfekt ge- garten Meeresfrüchten. „Die meisten Dä- nen erkennen den Geschmack des getrockneten Fischs und sind verblüfft, ihn in einer eleganten Sauce zu entdecken“, lacht Kristian Baumann.

Auch die Gäste aus Südkorea freuen sich über bekannte Aromen in neuer Präsentation. Kkwabaegi ist ein gutes Beispiel. Das frittierte Gebäck ist Streetfood in typisch verschlungener Form, sehr süß und in Zucker gewälzt. Im „Koan“ wird es mit Piniensalz und Crème double serviert. „Es macht mich glücklich, wenn dänische und koreanische Gäste sagen, dass sie Aromen wiedererkennen und neue entdecken“, sagt Kristian Baumann. Ähnlich verhält es sich mit dem Sundae, einer koreanischen Blutwurst aus Schweinefleisch, die hier im Menü optisch nichts mit dem Original zu tun hat und auf knusprigem Teig mit hauchdünnen Plättchen aus Schwarzen Johannisbeeren serviert wird. Wer hineinbeißt, taucht ein in eine Welt aus warmen Gewürzen und einem perfekt ausbalancierten Spiel aus Fett, Salz und Säure.

Ein Gericht, das sich auf die Wurzeln Baumanns bezieht: Sundae – koreanische Blutwurst, schwarze Johannisbeere

Wie bewältigt er den Erfolg?

Kristian Baumann war überrascht, wie schnell sich der Erfolg einstellte. Das „Koan“ war kaum zwei Monate geöffnet, als es mit zwei Sternen ausgezeichnet wurde. „Ich konnte es nicht fassen, wir waren völlig überwältigt und einfach nur glücklich“, erinnert er sich. Die harte Arbeit, sei- ne Idee, seine Geschichte in den Gerichten auszudrücken, wird verstanden und noch wichtiger: Sie wird geschätzt.

Die Nachfrage ist riesig, doch Baumann hält daran fest, vier Tage die Woche und nur einen Samstag im Monat zu öffnen. „Mein Team soll Zeit für sich haben, das ist mir wichtig, und ich will auch keine 80-Stunden-Woche mehr“, sagt Baumann. Um das zu gewährleisten, hat er mehr Mit- arbeiterinnen und Mitarbeiter, als er eigentlich braucht. Zufriedene Gäste, ent- spannte Mitarbeitende – der Restaurant- name könnte nicht besser passen. „Koan“ ist ein Begriff aus dem Zen-Buddhismus und beschreibt ein Paradoxon, das mit dem Verstand nicht zu lösen ist – in diesem Fall aber mit dem Geschmack.

KOAN
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Kristian Baumann begeistert mit koreanisch-nordischer Stilistik, einzigartigen Kreationen und einer beeindruckenden Geschichte: Geboren in Südkorea und in Dänemark aufgewachsen. Seine Ausbildung absolvierte er in verschiedenen dänischen Restaurants, danach arbeitete er als Souschef in der „Auberge de Tourettes“ in Frankreich, 2009 als Souschef im „Relæ“ in Kopenhagen, dazwischen immer wieder Praktika im „Noma“, wo er 2014 Souschef wurde. Im „Koan“ serviert er ein Menü, das einzigartig ist: koreanische Geschmackswelten, gepaart mit dem reduzierten Stil der New Nordic Cuisine.

Langeliniekaj 5, 2100 Kopenhagen
+45 28747840
www.koancph.dk
Di-Fr 18-22 Uhr
Menüs ab € 400
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