Kieler Klasse: Lasse Knickrehm im Portrait
Mit präzisen Bewegungen formt Lasse Knickrehm einen Raviolo, der, wenn er serviert wird, ein kleines Stück Heimat repräsentiert. Die Füllung besteht aus nordfriesischem Wagyu-Rind, der Teig aus lokalem Mehl. So zeigt er, wie regionale Küche funktioniert, die sich von der Welt inspirieren lässt – unverkopft und zugänglich. „Norddeutschland hat alles, was man braucht, um gut zu kochen“, sagt der Küchenchef des Kieler „Ahlmanns“, dessen Philosophie tief in der norddeutschen Region verankert ist.
Warum ist Lasse Knickrehm Koch geworden?
Knickrehm ist der Einzige in seiner Familie, der in der Gastronomie arbeitet. Er hat vier ältere Brüder, von denen drei im Baugewerbe tätig sind und einer Informatiker ist. Er hat ihn dazu ermutigt, ein Praktikum in einem Restaurant in der Küche zu machen. Eine gute Idee, wie sich schnell herausstellte. Dieses Praktikum absolvierte er im Anglo-German Club in Hamburg, und er war sofort fasziniert vom Kochhandwerk. „Mir gefiel diese Arbeit und dass ich mich sofort einbringen konnte“, erzählt Lasse Knickrehm. Die Mischung aus dem Umgang mit Lebensmitteln, Kreativität und Teamarbeit zog ihn magisch an. Aber auch sein Ehrgeiz war geweckt, und so war für ihn klar, dass er nur von den Besten lernen wollte. Den Grundstein dafür legte sein Ausbildungsbetrieb, das Romantik Hotel Jagdhaus Waldfrieden in Bilsen-Quickborn, wo er hochwertige Produkte kennenlernte und erfuhr, was es heißt, richtig gut zu kochen. „Dann wollte ich tief in die Materie eintauchen und sehen, wie es an der Spitze zugeht“, erzählt der 34-Jährige.
Wie entwickelte sich seine Karriere?
Der nächste Schritt war das Hotel Grand Tirolia in Kitzbühel, hier wurde Knickrehm zum Saucen-Spezialisten. Er kochte Seite an Seite mit Küchenchef Bobby Bräuer und vertiefte sein Wissen über das genaue Abschmecken und die Kunst der Saucenzubereitung. „Für ihn war ich als Norddeutscher der Südschwede“, erinnert sich Knickrehm lachend. Als er zu Hans Stefan Steinheuer in „Steinheuers Landgasthof Poststuben“ in Bad Neuenahr-Ahrweiler wechselte, war es ein Sprung ins kalte Wasser: Bei ihm wurde er Patissier – und das sehr erfolgreich. Nach eineinhalb Monaten Einarbeitung war er bereits allein für die Desserts verantwortlich und arbeitete mehr als je zuvor. Vieles brachte er sich selbst bei und experimentierte, wenn andere Feierabend hatten. Die Art und Weise, wie er von Steinheuer angeleitet wurde, hat ihn nachhaltig geprägt. Bevor die Desserts Teil des Menüs wurden, verkostete Steinheuer sie und kombinierte dann sehr elegant seine Kritik mit neuem Ansporn. „ ,Das ist gut, wir schicken dein Dessert‘, hat er gesagt, ,aber morgen wird es noch besser, da bin ich mir sicher‘ “, erinnert sich Knickrehm. Wieder neu orientierte er sich in Glücksburg bei Dirk Luther – jetzt lernte er Poissonnier, Fischkoch. So wurde jede Station zu einem wichtigen Baustein seiner Karriere.
Wie schmeckt der Norden?
Der Blick aus dem Gastraum schweift über die Terrasse auf die Krusenkoppel, eine Parkfläche direkt an der Kieler Förde. Das Wasser im Blick, genießen die Gäste unter hohen Decken, dunkles Fischgrätparkett und indirektes Licht sorgen für eine warme Atmosphäre. Im Sommer wird das Menü auch auf der großen Terrasse serviert. Auch wenn der Norden bei Lasse Knickrehm im Fokus steht, eine Dekonstruktion von Labskaus oder Schnüsch (Eintopfgericht mit Milch) wird man nicht auf seiner Karte finden. Er interpretiert die Region, indem er sich vom Rest der Welt inspirieren lässt. Das Menü ist gästeorientiert und kann flexibel mit drei bis acht Gängen gestaltet werden. Nordsee-Steinbutt aus Dänemark wird mit süffiger Safran-Beurre-blanc serviert, ein Quinoa-Salat mit feiner Säure sorgt für Abwechslung und Textur. Die Qualität des fangfrischen Steinbutts und die perfekte Sauce sprechen für sich. Das Wagyu-Rind aus Nordfriesland kommt in zwei Gängen: zur Einstimmung als Ravioli und dann in Form eines Flat Iron Steaks mit Steinpilzen und Bäckerinnenkartoffeln – eine vollmundige Umami-Beilage, die durch frische Preiselbeeren den nötigen Kontrast erhält. Der Nacken vom Lamm, sous-vide gegart, wird kurz angeflämmt und mit intensiver Jus, geröstetem Mais und eingelegten Tomaten serviert – Süße, Säure, alles auf den Punkt. Zum Abschluss rollt in den Gastraum, was in vielen Restaurants längst ausgestorben ist: ein Käsewagen, bestückt von Maître Affineur Waltmann. Restaurantleiterin Beatrice Ahrens stellt alle 12 Sorten vor. Bei den top gereiften Stücken kann man blind zugreifen: BrillatSavarin mit schwarzer Trüffel, Vera Pagliettina, mit Rosé verfeinert, Bleu de Neiges oder doch ein Cironé aus der Schweiz? Die Antwort lautet: Gern alle!
Welche Botschaft möchte Lasse Knickrehm vermitteln?
Lasse Knickrehm will mit seiner Küche auch eine Botschaft vermitteln. „Ich möchte zeigen, dass man mit regionalen Produkten und handwerklicher Präzision großen Genuss bereiten kann.“ Er legt Wert darauf, dass die Gäste seine Küche verstehen und ohne viele Erklärungen wissen, was sie vor sich haben. Viele Gäste seien erstaunt, wenn sie erfahren, dass die Gerichte mit Zutaten aus der Umgebung zubereitet wurden. Damit ihm die Ideen nicht ausgehen, setzt sich Knickrehm regelmäßig mit seinem Team zusammen, auch mit dem Service. Jeder kann Ideen einbringen, damit die Speisekarte lebendig bleibt. „Es kommt nicht vor, dass wir drei Monate lang das gleiche Menü haben“, sagt der Koch, „alle sechs bis acht Wochen wechselt die Karte.“ Auch wenn er es nicht darauf anlegt, für Auszeichnungen zu kochen, bleibt er mit seiner Küche an der Ostsee ambitioniert. Er selbst ist ein Botschafter für die Produktvielfalt des Nordens – einer, der noch viel zu erzählen hat.
Konzept: Lasse Knickrehm hat im Gourmetrestaurant des Hotels Kieler Kaufmann die Chefkochposition übernommen und präsentiert ein 4-8-gängiges Menü.
Küche: Knickrehm hat seine Küche stärker auf regionale Produkte und zeitgemäß interpretierte regionale Klassiker ausgerichtet. Beim Auftakt begeistern Minifischbrötchen, eine Zwiebeltarte mit Deichkäse und Ferkelsülze auf Malzboden durch das gekonnte und unverfälschte Zusammenspiel der Aromen. Kräftige Noten überzeugen auch in der Kombination von Gelbflossenmakrele mit Grünkohl und Topinamburchips. Das Filet vom Steinbutt serviert der Koch auf einem Sauerkrautbett mit etwas blasser Mark-Pannacotta und roten Trauben. Sehr empfehlenswerte Käseauswahl vom Wagen.
Wein: Sommelier Björn Urbach berät kenntnisreich und enthusiastisch aus den 175 Positionen auf der Karte. Sehr empfehlenswerte, zum Teil hausgemachte alkoholfreie Begleitung – Sauerkirsche mit Cuminhydrolat!
Atmosphäre: Historisch-klassisches Ambiente in der Villa mit Fördeblick. Im Sommer bietet die große Außenterrasse die schönsten Plätze.
Fazit: Erstklassige Wohlfühlstimmung, bei der sich regionale Traditionen neu entdecken lassen.