Lukas Nagl im Portrait

Lukas Nagl: Mann mit Tiefgang

Lukas Nagl, zu Hause im seenreichen Salzkammergut, gilt als bester Fischkoch Österreichs. Aber auch in die japanische Fermentationskunst und die MehlspeisenTradition seiner Heimat taucht er ein.
Text Patricia Bröhm
Datum26.08.2024

Das Salzkammergut, dieses Jahr „Kulturhauptstadt Europas“, ist landschaftlich eine Wucht. Östlich von Salzburg führt der Weg von einem Bilderbuchsee zum nächsten: Mondsee, Attersee, Traunsee – und das sind nur die größten. Lukas Nagl ist hier aufgewachsen, bereits als kleiner Junge ging er mit zum Angeln hinaus. Die Großeltern führten eine Metzgerei, die Onkel gingen zur Jagd, er selbst saß schon mit drei Jahren in der Küche auf der Arbeitsfläche seiner Mutter: „Bei uns wurde immer gekocht, das Kulinarische wurde sehr hochgehalten.“ Heute schaut er aus seiner Profiküche direkt aufs Wasser des Traunsees, mit 190 Metern der tiefste Alpensee Österreichs. Im kalten Wasser wachsen die Fische langsamer, das macht ihr Fleisch schmackhafter: „Der Schatz, den wir hier haben, gehört geborgen“, sagt Nagl. Doch auch in diese landschaftliche Idylle hat die Moderne Einzug gehalten: Am Traunsee gibt es nur noch einen hauptberuflichen Fischer – Nagl nimmt ihm den gesamten Fang ab, egal was. Und kann seinen Gästen deshalb auch mal eine Spezialität wie die Leber von der Aalrutte bieten: „Die schmeckt fast wie Foie gras.“

Produktküche mit Fisch von Lukas Nagl: Reinanke, Gersten Koji, Topinambur und Sanddorn

Warum nennen sie ihn den „Fischflüsterer“?

Eigentlich mag Nagl solche Etiketten nicht. Aber schon als junger Koch im „Steirereck“ übernahm er den Posten des Poissonniers. Heute freut er sich jedes Frühjahr auf den ersten Hecht: „Der steht dem Steinbutt in nichts nach.“ Viele Köche scheuen ihn wegen der berüchtigten YGräte, Nagl lernte schon als Junge von einem alten Fischer, wie man sie durch einen gezielten Schnitt entfernt. Zander aus dem Mondsee serviert er behutsam gedämpft in einem Sud, den er aus dem geräucherten Fischkopf zubereitet und mit Zwiebel, eingelegter Berberitze und geröstetem Roggenbrot anreichert: „Ein Wohlfühlgericht!“ Überhaupt kommen seine Teller nie kompliziert oder mit zu viel Chichi daher, er konzentriert sich lieber auf den guten Geschmack: Seeforelle wird heißgeräuchert und mit Blatt sowie Wurzel von der Petersilie angerichtet, und die auffallend frische, feinsäuerliche Vinaigrette verdankt ihre Aromatik rotem Holunder, der erst in Höhen ab 1600 Metern wächst.

Lukas Nagl und sein Team im Restaurant Bootshaus

Hat er ein Signature-Gericht?

Bei einem so kreativen Kopf wechselt das ständig. Derzeit gefällt ihm besonders gut die Vorspeise „Salzsellerie“, die eigentlich ein verkappter Fischgang ist. Kommt unprätentiös daher, entfaltet aber am Gaumen ungeheure Eleganz, feine Harmonie und ein schönes Texturenspiel zwischen knackigem, milchsäurefermentiertem Sellerie „FISCHFLÜSTERER“ UND MANNSCHAFTSKAPITÄN: Lukas Nagl inmitten seiner Küchen-Crew. Im Restaurant „Bootshaus“ gibt es 15 Tische, das Interieur greift mit vielen Naturtönen die spektakuläre Umgebung auf 80 Feinschmecker 9/24 und zartem Saibling. Der rohe Fisch ist zum Sashimi geschnitten und mit Holunderblütenöl mariniert. Er ruht auf Mayonnaise, die ihre Umami-Geschmackstiefe dem japanischen Schimmelpilz Koji verdankt, begleitet von fermentiertem Jalapeño. Versteckt ist das Ganze unter hauchdünnen Selleriescheiben. Ein Hingucker ist dagegen die „Rote Rübe“, im eigenen Saft geschmort, mit orientalischen Gewürzen von Kardamom bis Sternanis gepimpt und zum Servieren zur bildschönen Rose gedreht. Dazu gibt es eine Sauce aus einreduzierter Schafsmolke, die mit Hechtkaviar zu üppiger Konsistenz gebunden wurde.

Den Ursprung der Gerichte hat man im Bootshaus immer im Blick.

Er verwertet Fische im Ganzen. Wie geht das?

Nagl hat mit einem Freund eine eigene Firma namens „Luvi“ gegründet, die durch Fermentation entstandene Spezialitäten anbietet. Zum Sortiment gehört ein „Traunsee Garum“, nach dem Vorbild der Fischsaucen im alten Rom: „Dafür werden keine Fische eigens gefangen – wir verwenden die frischen Abschnitte und alles, was in der Küche übrig bleibt.“ Das Thema Nachhaltigkeit ist Nagl wichtig. Aus dem Presskuchen, der bei der Herstellung von Kürbiskernöl übrig bleibt und sonst meist an Schweine verfüttert wird, erzeugt er ein Shoyu: „Eine besonders nussige Sojasauce, die aber kein Soja enthält, sondern ein typisch österreichisches Produkt.“

Es geht auch ohne Fisch: Rote Rübe, Rosen, Steinpilz und Schafmolke

Woher kommt die Faszination für Miso und Sojasauce?

„Ich habe mich schon früh mit Fermentation befasst“, sagt Nagl. Zweimal ist er quer durch Japan gereist, abseits der touristischen Routen, jeweils einen Monat lang: „Das ist kulinarisch wie ein anderer Planet. Alles ist so präzise abgeschmeckt, mit einem unglaublichen Gespür für Harmonie.“ Und für Details: „Ein Sushimeister kann 30 verschiedene Aromen aus einem Thunfisch herausschmecken.“ In Japan arbeitete Nagl drei Tage bei der Produktion von Bonito-Flocken mit, um den kompletten Prozess zu verstehen. Sein nächstes Projekt sei, etwas Ähnliches auf Karpfenbasis herzustellen.

Nach der Küche der Lieblingsort von Lukas Nagl: auf den heimischen Gewässern.

Wie prägen die Kinder sein Leben als Koch?

Seit Lukas Nagl Vater ist, empfindet er in der Küche eine andere Verantwortung: „Essen ist identitätsstiftend. Ich will, dass meine Kinder wissen, wie eine gute Grießnockerlsuppe oder ein Grammelknödel schmeckt.“ An freien Tagen liebt er es, zu Hause in der Küche zu stehen. Mit seinen drei Kindern kocht er Marmelade ein, backt Buchteln, bereitet Kaiserschmarren oder Palatschinken zu. Auch im „Bootshaus“ pflegt er seither bei den Desserts die gute alte österreichische Mehlspeisentradition. Zum Beispiel, wenn er eine alte Apfelsorte in den Mittelpunkt stellt und auf buttrigem Blätterteig serviert: Das cremige Sorbet vom Berner Rosenapfel schmeckt so intensiv wie frisch gepresster Saft, dazu gibt es einen Schaum vom heimischen „Hopfenkönig“-Bier, Apfelchips und Salzkaramell. Und den Blick auf das tiefe Blau des Traunsees natürlich gratis dazu.

Bootshaus Lukas Nagl
K M Q

Lukas Nagl, zu Hause im seenreichen Salzkammergut, gilt als bester Fischkoch Österreichs. Aber auch in die japanische Fermentationskunst und die Mehlspeisen-Tradition seiner Heimat taucht er ein. Nagl hat eine eigene Firma namens „Luvi“ gegründet, die durch Fermentation entstandene Spezialitäten anbietet, etwa „Traunsee Garum“, nach dem Vorbild der Fischsaucen im alten Rom. Aus dem Presskuchen, der bei der Herstellung von Kürbiskernöl übrig bleibt, erzeugt er ein Shoyu, eine besonders nussige Sojasauce. Die Vorspeise „Salzsellerie“ kommt unprätentiös daher, entfaltet aber am Gaumen ein schönes Texturenspiel zwischen knackigem, milchsäurefermentiertem Sellerie und zartem Saibling. Der rohe Fisch ist zum Sashimi geschnitten und mit Holunderblütenöl mariniert. Er ruht auf Mayonnaise, die ihre Umami-Geschmackstiefe dem japanischen Schimmelpilz Koji verdankt, begleitet von fermentiertem Jalapeño. Versteckt ist das Ganze unter hauchdünnen Selleriescheiben. Im Restaurant „Bootshaus“ gibt es 15 Tische, das Interieur greift mit vielen Naturtönen die spekta­kuläre Umgebung auf.

Klosterplatz 4, 4801 Traunkirchen
+43 7617 2216
www.dastraunsee.at
Do-Mo 18-21 Uhr, Sa und So auch 12-14 Uhr
Menüs € 169 - 219
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