Nonino: Die Grappa-Dynastie
Grappa Nonino: Vom simplen Schnaps zum Edel-Destillat
Grappa, ach?! Dieser simple Schnaps soll Gourmets begeistern können? Jawohl, denn die Schwestern Nonino präsentieren heute ein brillantes, edles Destillat, das kaum mehr als die Grundtechnik mit dem billigen Verdauungsschluck aus dem Ristorante um die Ecke gemeinsam hat.
Dabei hat die Firmengeschichte bescheiden begonnen, als in den 1890er-Jahren Orazio Nonino eine kleine Brennanlage auf Rädern bastelte und damit von Haus zu Haus fuhr. Er brannte den Trester der Bauern – das, was nach dem Abpressen der Beeren übrig bleibt – und bekam von ihnen dafür einen Teil des Destillats, den er weiterverkaufte. Orazios Urenkel Benito, heute der Seniorchef, legte dann den eigentlichen Grundstein für die Marke Nonino.
Er ärgerte sich darüber, dass Italien zwar gute Weine zu bieten hatte, aber keine exklusiven Digestifs wie Cognac oder Malt Whisky. Angestachelt vom Weinkritiker Luigi Veronelli, überlegte er, dass jede Rebsorte für sich ihre besonderen Aromen, ihren Charakter auch als Grappa zeigen müsste. Seitdem arbeiten die Noninos reinsortig und kultivieren als Grappabrenner besonders die seltenen heimischen Reben des Friaul wie Picolit.
Heute ist der Grappa Nonino ein Statussymbol und eine feste Größe in der schillernden italienischen Szene zwischen Gastronomie und Glamour. Der römische Juwelier Bulgari stellt Nonino-Flakons in den Vitrinen aus, und der Modemacher Fendi nennt Nonino in einem Atemzug mit dem Hutmacher Borsalino und dem Autobauer Maserati. Made in Italy vom Feinsten also. Und all das mit Tresterschnaps!
Familie Nonino – ein Women’s Business Club
Die Noninos sind eine Unternehmerfamilie, in der seit je die Frauen das Heft in der Hand hielten. Neben Benito leitet seine Frau Giannola die Firma. 1897 gegründet, wird das Unternehmen heute von drei charmanten Schwestern geführt: Elisabetta, Cristina und Antonella. Mit Cristinas 28-jähriger Tochter Francesca verstärkt die nächste Generation diesen erfolgreichen Women’s Business Club; sie kümmert sich vor allem um die Barszene.
Exklusiver Tresterschnaps ist alte Handwerkskunst
Die Noninos besitzen selbst 40 Hektar Land, bepflanzt mit Moscato, Sauvignon blanc, Ribolla Gialla, Merlot und heimischen Rebsorten. „Für einen Grappabrenner mit Anspruch ein Muss“, sagt Cristina und zeigt die roten Merlot-Beeren, die aromatisch und süß schmecken, „aber das würde nicht reichen. Wir kaufen noch sehr viel Trester dazu, wie es Tradition ist.“ Und zwar bei Größen wie dem Weingut Livio Felluga. Dort machen sie aus dem Saft der Trauben hochklassige Weine, was übrig bleibt, geht zu Nonino. Diese Reste sind von erster Güte, frisch und sauber, und keinesfalls, wie oft geschmäht, faulender „Abfall“.
In der Destillierhalle duftet es angenehm nach süßlichen Früchten, Rosinen und natürlich Alkohol. „Wir brennen nach alter Handwerkstradition“, erklärt Cristina, „also zweifach, ähnlich wie Whisky und Cognac. Damit heben wir uns ab von der Industrie, die Grappa immer kontinuierlich in einem Durchgang brennt, weil das viel billiger ist.“ In Brennbottiche aus Kupfer, die außen mit Holz verkleidet sind schütten die Arbeiter mit maschineller Hilfe den Trester, immer schichtweise übereinander auf durchlöcherte Metallplatten, insgesamt 450 Kilo in jeden Bottich. Dann wird der Trester im Dampf im ersten Durchgang auf 30 Vol.-% destilliert, bevor dieser Vorbrand in kupferne Brennsäulen gepumpt und dort im zweiten Durchgang auf 73 Vol.-% gebracht wird. Der fertige Tresterbrand geht entweder gleich in den Verkauf, oder er reift noch jahrelang in Holzfässern, und zwar in eichenen französischen Barriques, ehemaligen spanischen Sherryfässern sowie Fässern aus Akazien- und Kirschholz.
Selbst wer bei Grappa immer dankend abwinkt, muss einmal den Grappa Nonino Riserva, fünf Jahre fassgelagert, probiert haben. Verblüffend, wie sich nach kurzem Schwenken den typischen Trestertönen geschmeidige Noten von Vanille und Karamell zugesellen, aber auch Fruchtnoten von Äpfeln, Birnen und Kirschen. Fast überflüssig zu sagen, dass der Grappa trotz seinen 43 Volumenprozent cremig-sanft über die Zunge rollt.
Luxusprodukt Grappa: Qualität und Transparenz im Kampf um den Imageverlust
Für den einstigen Alkohol der Bauern und Tagelöhner ist das ein erstaunlicher Aufstieg. Schön beschreibt es der Autor David Maria Turoldo aus dem Friaul: „Grappa trank man, und mit Grappa rieb man sich ein, wie mit Parfum. Grappa verbrannte dir den Hunger und gab dir Mut, jede Anstrengung anzupacken.“ Die Nonino-Familie hat ein Luxusprodukt daraus gemacht – „aus Aschenputtel eine Königin“, schreibt sie kokett über die Flaschen, von denen die feineren einen Verschluss aus Muranoglas mitgeliefert bekommen.
Doch die fröhlichen Schwestern Antonella und Cristina können auch laut und wütend werden. „Es ist einfach ungerecht“, schimpft Antonella, „dass die Industrie schlechten Grappa herausbringt und damit sein Image so ramponiert. Selbst namhafte Hersteller füllen nur importiertes Zeug ab, das sie nicht selber gebrannt haben. Dann färben sie das mit Zuckercouleur, was ja leider erlaubt ist, und die Verbraucher denken, sie hielten eine wertvolle Flasche in der Hand. Handwerklich ist da nichts.“ Dagegen setzen die Noninos auf größtmögliche Transparenz. Vielleicht schon bald wollen sie mit QR-Codes auf den Flaschen die Herkunft des Tresters und alle Arbeitsschritte offenlegen. Das sollte auch Skeptiker überzeugen.
Vor allem tut das natürlich der Geschmack, und zwar am besten beim Ausgehen. In der Bar „Lume“ in Udine serviert mir Cristina spektakuläre Cocktails, gemixt mit Grappa und Amaro von Nonino. „Das Schönste am Grappa“, sagt Cristina und lacht, „man trinkt ihn immer in Gemeinschaft. Per fare brindisi, zum Feiern. Er bringt die Menschen zusammen. Cin cin!“