Von Hand gemacht: Piment d’Espelette
Baskischer kann ein Mensch kaum aussehen: die Statur klein, die Nase kräftig, die Beine stämmig. Und natürlich die schwarze Baskenmütze. Gut möglich, dass Gilbert Darthayette sie auch des Nachts im Bett seines Landhauses in Espelette nicht abnimmt. Espelette, dieses Dorf am Fuße der Pyrenäen, das Synonym für ein Gewürz geworden ist. Die Schoten der Pflanze, die sie hier anbauen, hängen in langen Zöpfen an jedem Haus, sogar an der Bankfiliale von Crédit Agricole. Früher ließen die Bauern die Früchte an den Fassaden von der Sonne trocknen, bis sich ihr erntefrisches Hellrot in ein tiefes Rostrot verwandelt hatte. Das edle Pulver, das aus den Schoten gewonnen wird, ist einzigartig: angenehm scharf, fruchtig süß und leicht rauchig. Gilbert Darthayette hat sich zur Lebensaufgabe gemacht, den besten Piment überhaupt herzustellen. Bipertegia heißt sein Familienbetrieb, zu dem ein Laden im Ortskern gehört, um den sich seine Frau Véronique kümmert. Die Firma trägt das Siegel des renommierten Instituts Collège Culinaire – als einer von dreien unter insgesamt 200 Piment-Produzenten.
Nur in Espelette und in neun Gemeinden ringsum darf die Gorria-Schote angebaut werden, die später zu Piment d’Espelette wird. Gorria ist eine Chili-Sorte, stammt ursprünglich aus Mexiko und wurde von baskischen Seefahrern mit nach Hause gebracht. In vielen Haushalten hier gibt es keinen Pfeffer, stattdessen kommt das rote Pulver auf Omelettes, Salate, in Eintöpfe und vor allem in das baskische Kalbsgulasch, die Axoa. Irgendwann fanden auch die Spitzenköche in Paris Gefallen an diesem Gewürz, das mehr tiefe Schärfe hat als Pfeffer, mehr Ausgewogenheit als Chili, mehr Kraft als herkömmliche Paprika. Die Erzeugung ist aufwendig, erst recht, wenn man so hingebungsvoll vorgeht wie Darthayette. Er nimmt die Samen aus eigenen Schoten und zieht damit ab Februar seine Pflanzen – erst in Töpfen, dann im Gewächshaus, im Mai kommen sie dann aufs Feld. Die Schoten an den Pflanzen brauchen etwa 70 Tage bis zur Reife. Das Wetter in den grünen Hügeln des Baskenlands ist perfekt für den Anbau, es regnet hier mehr als im Rest des Südwestens, und die Böden haben die richtigen Nährstoffe.
Manche Betriebe setzen dennoch reichlich chemischen Dünger ein, doch dadurch verlören die Schoten an Kraft und Geschmack, sagt Darthayette. Die außergewöhnliche Qualität seines Piments liegt aber vor allem an etwas anderem: Er und seine fünf Mitarbeiter lesen nicht alle Schoten auf einmal vom Feld, sondern machen bis zu zehn Erntegänge, wählen dabei stets nur jene Früchte aus, die perfekt reif sind. Anschließend werden die Schoten gut zwei Wochen lang in Schränken getrocknet, danach kommen sie für drei Tage in den Ofen, um ihnen jede Restfeuchte zu entziehen. Das geschieht bei schonenden 44 Grad, manche Kollegen rösten bei 60 Grad, dann geht es schneller. Doch Darthayette möchte, dass die Aromen und Vitamine erhalten bleiben. Am Ende werden die Schoten in einer großen Mühle zermahlen: die Haut, das Fruchtfleisch und die Samen, die besonders scharf sind. Das Pulver wird sofort in Gläser abgefüllt oder für andere Bipertegia-Produkte verwendet, etwa eine Mischung mit Fleur de Sel oder pikantes Öl. Und was verfeinert Darthayette am liebsten mit seinem Gewürz? „Spiegeleier! Am besten die vom Nachbarn, weil das Eigelb so würzig ist. Unser Piment dazu, und schon ist es eine feine Mahlzeit.“