Sebastian Obendorfer im Portrait

Es war eine Kaffirlimette, die Sebastian Obendorfer davon abhielt, mit dem Kochen aufzuhören. Sie eröffnete ihm eine neue Aromenwelt, die er heute gekonnt mit der französischen Küche verbindet – so frisch, so unbeschwert, dass man seinen Stil eher in den Metropolen dieser Welt verorten würde. Stattdessen begeistert der 34-Jährige seine Gäste im oberpfälzischen Neunburg vorm Wald, einer Stadt mit etwas mehr als 8000 Einwohnern. Das Restaurant „Eisvogel“, einst eröffnet von seinem Vater Hubert, hat Sebastian Obendorfer in die Spitze der deutschen Gastroszene gekocht.

Woher kommt seine Leidenschaft fürs Kochen?
Sebastian Obendorfer wuchs in Regens- burg auf, wo sein Vater eine Stelle als Küchenchef hatte. An den Wochenenden ging es ins nahe gelegene Hofenstetten, in die Wirtschaft der Großeltern. Eingebrannt haben sich in dieser Zeit Geschmäcker und Gerüche, nachhaltig beeindruckt hat ihn auch die Geschäftstüchtigkeit seines Opas. „Als Tanztees populär wurden, fuhr er in die umliegenden Dörfer und notierte, wie viele Getränke dort verkauft wurden.“ Der Großvater dachte sich, das kann er besser – und hatte mit einem eigenen sonntäglichen Tanztee großen Erfolg. Die Großraumdisco „CD“, die Obendorfers Großeltern in einem alten Kuhstall eröffneten, war die logische Fortsetzung – mit Bühne und Live-Bands. „Das war damals ein Riesenspektakel“, sagt Obendorfer, „erst ins Wirtshaus, dann tanzen, dann wieder ins Wirtshaus.“

Was war der Grundstein für seine Karriere?
Das Wirtshaus des Opas? Nicht ganz. Zwar ging Obendorfer mit 17 Jahren nach München, um im Mandarin Oriental seine Ausbildung zu machen, und wechselte anschließend nach Schloss Elmau – doch schon bald verließ ihn jeder Antrieb. „Ich war jung, gelangweilt von der klassischen Küche und wollte kein Koch mehr sein“, erinnert er sich. Er nahm sich eine Auszeit und flog nach Bali, um einen befreundeten Koch zu besuchen. Eigentlich wollte er sich darauf vorbereiten, seinem Vater die schlechte Nachricht zu überbringen – bis sich im Kühlhaus des Freundes eine neue Welt auftat. „Es war wie ein Erweckungs- erlebnis, ich hatte zum ersten Mal frische Kaffirlimetten in der Hand“, erzählt er noch heute begeistert. „Der Duft der frisch geriebenen Schale hat mich umgehauen!“
Obendorfer entdeckte eine Welt, die ihn nicht mehr losließ. Aus drei Wochen wur- den acht, er reiste mit seinem Freund noch nach Japan. „Die Qualität, diese Vielfalt, das war der absolute Wahnsinn, genau diese Impulse brauchte ich.“ Wieder in Deutschland, hatte er es zum Souschef im Nürnberger Fine-Dining-Restaurant „Zweisinn“ gebracht und einen weiteren Karriereschritt in Aussicht, als sein Vater erkrankte. Für Obendorfer war klar, dass er nach Hause zurückkehren musste, um im Familienbetrieb zu helfen. Im Jahr 2022 übernahm er die volle Verantwortung für die Küche im „Eisvogel“.

Was erwartet Gäste heute im Restaurant?
Den Tanztee und die Großraumdisco gibt es schon lange nicht mehr, aber die Oma ist immer noch dabei. Sie ist die Seele des Hotels und steht am Eingang zum Restaurant, begrüßt die Gäste. Im Gastraum fällt sofort der begehbare Weinklimaschrank aus Glas und Kirschholz auf, ein ebenso imposanter wie eleganter Raumteiler. Der Raum ist hell, durch die bodentiefen Fens- ter blickt man über die Pools des Hotels auf die dahinter liegenden Seen und Wälder. Eine Besonderheit sind die mit Leder und einer dünnen Polsterschicht bezogenen Tische – hier klappert kein Teller.
Wie präsentiert sich die Küche?
Das Menü beginnt eindrucksvoll mit ge- beizter und geflämmter Makrele, begleitet von Grapefruit-Ponzu, Crème fraîche und eingelegtem Kürbis. Die Fettigkeit des Fischs, perfekt dosierte Zitrus-Säure, die Knackigkeit des Kürbisses – ein wunder- bar harmonischer Auftakt. Der anschließend servierte Skrei ist saftig und wird von Senfkaviar begleitet, der in Apfelsaft gekocht und drei Wochen fermentiert wurde. So entsteht ein angenehmes Säure-Schärfe- Spiel, das durch ein feines Gewürz-Dashi ausbalanciert wird.
Im Mittelpunkt des Menüs steht Fisch von herausragender Qualität: Die japani- sche Dorade wird auf der Haut gebraten, darunter liegt fein geschnittener Wirsing. Die samtige Sauce mit Reisessig-Schalotten, Ingwer, Zitronengras und Kaffirlimetten sorgt für unmittelbare Glücksgefühle. Die Spuren, die der Besuch von Sebastian Obendorfer auf Bali und in Japan hinter- lassen hat, sind in jedem Gang nachzuvoll- ziehen. So auch in seinem Signature-Ge- richt: gegrillter Carabinero mit Kimchi, einer XO-Beurre-blanc und einem Mini- Sandwich aus Sticky Rice mit Mango. Das ist irgendwie frech, passt aber hervor- ragend zu dem süßlich-jodigen Krustentier und dem pikanten Kohl.
Um die passenden Weine kümmert sich Sommelière Miriam Mette. Sie konzentriert sich auf den deutschsprachigen Raum, vor allem kleinere und unbekannte Weingüter liegen ihr am Herzen. Und zu den Ritualen von Restaurantleiter Christopher Pech gehört, dass er vor den Desserts einen imposanten Käsewagen an den Tisch rollt – mit ausgesuchten Sorten von Top- Affineur Bernard Antony aus dem Elsass. Wer Käse mag, kann blind zugreifen.

Wer kümmert sich um was in Hotel und Restaurant?
Als Hubert und Claudia Obendorfer 1997 in einer kleinen Gemeinde ein Hotel er- öffneten, bewiesen sie Mut. Heute hat der „Birkenhof“ 85 Zimmer, zwei Restaurants und ein großes Wellnessangebot. Sebastian Obendorfer wird das Haus mit seinem Bruder Lukas in die Zukunft führen. „Er hat die Zahlen im Blick, ich bin für die Kulinarik verantwortlich.“ Als Obendorfer 2022 die Leitung der Küche übernahm, stand zunächst ein Um- bau an. Die bestehende Küche war für zwei Restaurants zu klein geworden, außerdem sollte die neue zu Obendorfers Ambitionen passen. Entstanden ist ein Hightech-Arbeitsplatz mit einem riesigen Pass aus weißem Granit und mit viel Tageslicht. „Mein Team soll sich wohlfühlen, dazu gehört auch eine durchdachte Küche“, sagt Obendorfer. Der Küchenchef bezieht bei der Entwicklung neuer Gerichte die Kolle- gen mit ein. „Dabei gibt es nur eine golde- ne Regel: Das Gericht muss uns dreimal begeistern.“ Wenn es beim dritten Mal das Küchenteam „flasht“, wie Obendorfer sagt, wird es Teil des Menüs und erhält eine ei- gene Visitenkarte. Diese wird dem jeweiligen Gang beigelegt, und am Ende erhalten die Gäste ein kleines Kuvert mit den Visitenkarten der Gerichte. Als Erinnerung an ganz besondere Geschmackserlebnisse.
Konzept: Exzeptionelle Kulinarik in einem lichtdurchfluteten, in kühler Eleganz gehaltenen kontemplativen Logenplatz über den spiegelnden Wasserflächen des Oberpfälzer Seenlands.
Küche: Das Investment in eine Hightech-Küche, die einzig dem Zweck dient, bestechende Genusserlebnisse zu kreieren, hat sich gelohnt: Komplex, facettenreich und dabei subtil Aromen japanischer Küche zitierend sind Sebastian Obendorfers Gerichte. Impressionistisch farbintensiv auf marineblauem Glas kommt das Signature Dish vom knackigen, über Buchenholz angegrillten Carabinero. Mango-Mayo setzt das fruchtig cremige Kontra zu salziger Mineralität und zarten Grilltönen. Präzise beflügelt von feinsäuerlichem Spitzkraut-Kimchi, blumig fruchtigen Reis-Mango Macarons, Reisflakes und dem Umami-Kick von XO-Beurre blanc. Das Makrelenfilet – trocken gebeizt, geräuchert, mariniert und geflämmt – erhält eine muskulöse Struktur und fast elegante Aromatik. Mit eingelegten Kürbisblüten, Grapefruit-Ponzu und Crème fraîche nicht zu übertreffen. Die Patisserie trägt die Hochspannung über den Abend hinaus: Das Ensemble von Haselnusspraline und -eis, Crème Patissier, Malz mit Tanariva-Ganache (Schokolade aus Madagaskar), eingelegten Preiselbeeren und Perlen vom fermentierten Honig bleibt im kulinarischen Langzeitspeicher.
Wein: 350 Positionen aus aller Welt. Budgetfreundlich kalkulierte offene Zweit- und Drittweine klassifizierter Châteaux wie Margaux. Für Pétrus-Aficionados hat man drei Jahrgänge im Keller. Hausgemachte alkoholfreie Menübegleitung.
Atmosphäre: Vollendete Genusswelt mit traumhaftem Seenlandpanorama. Das Flair so gepflegt lässig wie der Dresscode: Casual Chic.
Fazit: Exzellente Küche, außergewöhnliche Location, sympathisch-entspannter, professioneller Service.