Koch des Monats: Stefan Heilemann

Stefan Heilemann im Porträt

Im Zürcher „Widder Restaurant“ kocht Stefan Heilemann seinen ganz eigenen Stil, eine Mischung aus französisch geprägter Klassik, kräftigen Aromen und Streetfood-Inspirationen - unser Koch des Monats.
Text Patricia Bröhm
Datum25.02.2025
Alt und Neu gehen in den Gasträumen eine harmonische Verbindung ein. 35 Gäste finden im „Widder“ Platz.

Seit dem 14. Jahrhundert ist die Zunft zum Widder, die Gilde der Metzger, in der Widdergasse im Herzen der Züricher Altstadt zu Hause. Nur passend also, dass hier Restaurant, Bar und Hotel nach ihr benannt sind. Aus der kopfsteingepflasterten Gasse betritt man zunächst die stimmungsvolle Bar, längst eine Ikone der Züricher Szene. Eine schmale Treppe führt hinauf ins Restaurant, dessen Räume sich über zwei der neun historischen Häuser erstrecken, die zum Gesamtkunstwerk Widder Hotel zusammengeführt wurden. 

Historische Räumlichkeiten

Bühne frei für ein großes Menü: offene Küche und Chef’s Table bilden das Entree des Restaurants

Man sitzt hier unter dem freigelegten Gebälk eines mittelalterlichen Dachstuhls: „Ein Ort voller Geschichte, den wir mit neuem Leben füllen dürfen“, sagt Stefan Heilemann. Und serviert eigenhändig ein Amuse-Bouche, das ebenfalls das Handwerk der Metzger feiert – als Dreierlei vom Rind: Cannelloni von Trockenfleisch aus dem Hochrücken einer alten Kuh, gefüllt mit Foie gras und Senf, dazu ein Taco aus der Rindersehne, gefüllt mit Rindstatar „Thai Style“ und schließlich ein Bao Bun, gefüllt mit Gulasch aus der Short Rib. Kleine Randnotiz: Die Rinder stammen aus eigener Zucht der Hausbesitzer im Schweizer Jura.

Wer hat Stefan Heilemann kulinarisch am meisten geprägt?

Rindstatar vom eigenen Bauernhof mit Blumenkohl und Estragon.

„Definitiv Harald Wohlfahrt. Sein Drang zur Perfektion war unerreicht.“ Heilemann, der lange den Saucierposten in der „Schwarzwaldstube“ innehatte, erinnert sich an den Kommentar des Chefs, als der eine Kalbsjus probierte: „Das ist gut, aber das können wir noch besser.“ Wohlfahrt empfahl seinem jungen Mitarbeiter, einen vierten Ansatz zu machen, mit Pilzen und etwas Madeira. „Und tatsächlich: Erst dann war die Sauce erstklassig.“

In der „Schwarzwaldstube“ lernte Heilemann schon als junger Koch den großen klassischen Kanon, und sein Chef vermittelte ihm den Wert eines unverwechselbar eigenen Küchenstils mit den Worten: „Wenn Sie eine eigene Handschrift entwickeln wollen, müssen Sie ganz Sie selbst sein – und nicht nach rechts und links schauen.“ Heute denkt er oft an diese Worte, wenn die Gäste im „Widder“ sagen: „Das ist ein echter Heilemann.“

Was macht „einen echten Heilemann“ aus?

„Kochen ist mein Leben – zu Hause bin ich nur zum Schlafen“, sagt Stefan Heilemann, der zusätzlich zum Tagesgeschäft auch Events bekocht.

„Ich möchte, dass meine Küche Spaß macht. Es soll einfach Soulfood sein.“ Viele seiner Gerichte kann man mit dem Löffel essen, die Saucen sind immer exzellent und großzügig portioniert, durch seine Menüs zieht sich ein Spiel von Texturen und Temperaturen. Und immer ist ein Tick Säure im Spiel – oft auch im Duell mit Schärfe. Heilemann setzt schon mal auf Luxusprodukte, etwa auf die Gillardeau-Auster Nummer eins, die mit Estragon-Béarnaise, Beurre blanc und Osietra-Kaviar den Menü-Auftakt bildet. Aber dann folgt eine Suppe, die von thailändischem Streetfood inspiriert ist und für deren Zutaten alle Teile vom Ormalinger Jungschwein verarbeitet wurden, von der Schnauze bis zum Bauch: ein vollmundig-intensives Gericht mit Nussbutter, Sojasauce und feiner Yuzu-Säure, das Magen und Seele wärmt. Es sind solche Kontraste, das Changieren zwischen edelsten Produkten und Inspirationen von der Straße, die Heilemanns Küche so spannend machen.

Woher kommt Stefan Heilemanns Liebe zur Thai-Küche?

Norwegische Königskrabbe mit Kopfsalat, Thai-Salsa und Koriander.

Schon als junger Mann flog er zum ersten Mal nach Bangkok, um ein Event zu bekochen: „Ich war sofort angefixt. Ich habe mich in das Land verliebt, in die Menschen, in die Küche.“ Mehr als 20 Mal war er seither dort, oft zweimal im Jahr. Nicht erstaunlich also, dass viele seiner Gerichte eine Thai-Seele haben: „Die Aromen, die mir dort in den Garküchen so gut schmecken, versuche ich auf Fine-Dining-Level zu heben.“ Zum Beispiel bei der Königskrabbe, die zum einen als Tempura, zum anderen als gezupftes, mariniertes Fleisch auf den Teller kommt und angemacht ist wie ein Salat – mit Thai-Vinaigrette, Koriandercreme, frischer Minze und Kopfsalat. Dazu gibt es à part ein Süppchen aus den Karkassen des Meerestiers.

Er gilt als Produktfanatiker – wo kauft Stefan Heilemann ein?

Tiroler Reh mit Roter Bete, Entenleber und Cassis.

Über die Jahre hat sich der Wahlschweizer ein Netz bester Produzenten und Händler aufgebaut. Der Züricher Delikatessenhändler Alfred von Escher liefert ihm nicht nur erstklassiges Milchlamm aus den Pyrenäen und Bresse-Hühner, sondern in der Wildsaison auch so Seltenes wie schottisches Moorhuhn oder Schnepfe. Auch beim Thema Seafood setzt Heilemann auf absolute Premiumware, sein Fischhändler lässt zweimal pro Woche Makrele und Rotbarbe aus Portugal einfliegen. 

Besonders haben es dem Vollblutkoch Carabineros von der Algarve angetan: „Sie wiegen zwischen 300 und 400 Gramm – eine unerreichte Qualität.“ Aber Heilemann schätzt auch die Produkte der Region: Das Reh bringen ihm Züricher Jäger an die Küchentür. Vom hoch über dem Zürichsee gelegenen Bauernhof Schlattgut, der zum Widder Hotel gehört, kommen Eier, Milch, Joghurt, Butter und Quark, aber auch frische Kräuter. Beim Einkauf kennt der Spitzenkoch keine Dogmen: Auf der Speisekarte steht mal Simmentaler Fleckvieh vom Schweizer Bio-Hof, mal Kagoshima-Wagyu der Güteklasse A5. „Was zählt, ist nur die Qualität.“

Widder
H M N R Q F

Rennweg 7, 8001 Zürich, CH
+41 44 2242526
www.widderhotel.com
nur Abendessen, Mo, Di geschl.
Menüs € 149 - 242

Werdegang und Privates über Stefan Heilemann

Ein Schwabe in der Schweiz: Seit fünf Jahren leitet Stefan Heilemann die Küche im „Widder Restaurant“.

KOCH DES MONATS – STEFAN HEILEMANN

  • Alter: 42 Jahre (Stand 25.02.2025)
  • Stationen: 1982 in der Nähe von Stuttgart geboren, wächst er mit dem großen Nutzgarten seiner Mutter auf. Mit 21 Jahren bricht er sein Wirtschaftsinformatik-Studium ab, um eine Kochlehre im Hotel Traube Tonbach in Baiersbronn zu machen. Zwei Jahre kocht er danach in der dortigen „Köhlerstube“, es folgen fünf prägende Jahre bei Harald Wohlfahrt in der „Schwarzwaldstube“. 2012 geht er in die Schweiz, zunächst als Souschef ins „Ecco“ in Ascona, später in das neu eröffnete gleichnamige Restaurant in Zürich, wo er rasch zwei Sterne erkocht. Seit 2020 führt er das „Widder Restaurant“ im Herzen der Züricher Altstadt.
  • Restaurant: Das Ambiente hinter den 700 Jahre alten Fassaden zweier Zunfthäuser ist einzigartig. In zwei großzügigen Gasträumen treffen Bauelemente aus dem Mittelalter auf zeitgemäßes Design. Eine offene Küche und ein Chef’s Table bilden das Entrée. Sechs Service-Mitarbeiter kümmern sich um maximal 35 Gäste. Sieben Köche hat Heilemann im Team, dazu Spüler Micael aus Portugal („unser wichtigster Mann“).
  • Privat: Er sei nur zum Schlafen zu Hause, sagt er: „Kochen ist mein Leben.“ An den Wochenenden arbeitet er oft auch auf Events – oder geht mit Freunden essen. Sport? Bleibt ein guter Vorsatz.
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