Mrs. Malt

Stephanie Macleod riecht tief in ein Glas mit Single Malt Whisky der Marke Aber- feldy hinein. „Salbei!“, sagt sie. „Und Rosmarin!“ Ein paar Sekunden später dann: „Veilchen, Rosen, Honig und Vanille!“ Sie verkostet den Aberfeldy 21 Year Old Malbec Cask Finish, eine Kooperation mit dem argentinischen Weingut Finca Ambrosia und jüngste Ergänzung der von Macleod initiierten Wine Cask Collection. Seit 1998 arbeitet die Schottin für das 1864 gegründete Whisky-Imperium John Dewar & Sons. Zunächst im hauseigenen Qualitätslabor, später als Master Blender und Malt Master. Heute ist sie in dieser Doppelrolle verantwortlich für neue Kreationen durch Blendings und die Qualitätsüberwachung der reifen- den Fässer der Single Malts des gesamten Produktportfolios, zu dem Aberfeldy, Aultmore, Craigellachie, The Deveron und Royal Brackla gehören. 2023 wurde sie von der International Whisky Competition zum fünften Mal in Folge als Master Blender of the Year ausgezeichnet.

„Ich kann selbst kaum glauben, dass ich schon so lange dabei bin“, sagt die gebürtige Glasgowerin. Zu- mal eine Laufbahn in der Whiskybranche ursprüng- lich nicht vorgesehen war. „Ich mochte Whisky nicht, ich fand ihn irrelevant“, sagt sie über die Anfänge ihrer Karriere Anfang der 1990er-Jahre. Die Whisky- Industrie sei für sie damals unsichtbar gewesen. „Die Menschen, die ihn getrunken haben, waren alte Männer, das hatte nichts mit mir zu tun.“ Ab 1988 studierte Macleod an der Strathclyde Uni- versity in ihrer Heimatstadt Lebensmittelwissenschaften und arbeitete parallel für die schottische Softdrinkmarke Irn-Bru. Ihre Fakultät sei eng mit der Whisky-Industrie verbunden gewesen, so Macleod. Als man sie fragte, ob sie dort einen Job übernehmen wolle, habe sie zugesagt – weil sie das Team mochte und weil ihre Leidenschaft für Irn-Bru ebenso wenig ausgeprägt war wie für Spirituosen. „Ich habe es als Herausforderung gesehen – und mich dabei in Whisky und die Branche verliebt“, sagt sie. Vor allem die Passion für das Handwerk habe sie beeindruckt. „Den Whisky, den wir heute machen, werden wir vielleicht nie in einer Flasche sehen“, so Macleod. „Und trotz- dem legt jeder von uns sein Herzblut in jeden Tropfen.“

Mehrere Jahre forschte sie als sensorische Analytikerin zur Reifung von Whisky. Heute sei sie froh, dass es ihr in dieser Zeit nicht gelungen ist, die Prozesse im Fass restlos zu verstehen, so Macleod. „Das unvorhersehbare Moment ist Teil der Magie“, findet sie. „Zwei Fässer des gleichen Holzes, die am gleichen Tag abgefüllt werden, können 12 Jahre später trotzdem andere Nuancen haben.“ In einem Aberfeldy Noten von Kokosnuss oder in einem Craigellachie Anflüge von Ananas zu entdecken, „obwohl man so etwas Exotisches niemals mit Schottland in Zusammenhang bringen würde“, fasziniere sie bis heute.
Kürzlich ist in Stephanie Macleods Sammlung noch ein weiterer Titel hinzugekommen: Director of Blending, Scotch Whisky. In dieser Position soll sie die Zukunft der Marken mit weiteren Innovationen voranbringen. Rückblickend auf ihre eigenen Anfänge sei sie besonders froh über den Imagewandel von Whisky, da die Branche sich vermehrt um neue Zielgruppen bemühe. Einen „Frauen-Whisky“ werde es bei ihr allerdings nie geben. „Nichts macht mich wütender als dieses Attribut“, betont Macleod. Dass mehr Frauen Whisky für sich entdecken, liegt in ihren Augen daran, dass es auch in der Industrie immer mehr Frauen gibt, die als Botschafterinnen dienen. Entscheidend für die wachsende Beliebtheit bei jungen Menschen sei der Abbau des lange gepflegten Standesdünkels, glaubt sie. Früher habe es schon als anstößig gegolten, Whis- ky mit Eis zu trinken. Das ist vorbei. „Wenn mich heute jemand fragt, wie er seinen Whisky trinken soll, sage ich: So, wie er dir schmeckt!”