Themenschwerpunkt: Spezialitäten-Kaffee
Was versteht man unter Specialty Coffee?
Gourmetkaffee, Meister-Kaffee – das klingt gut, dahinter steckt aber keine nachprüfbare Qualität. Genau das aber bietet das Label “Specialty Coffee”, das vom Verband Specialty Coffee Association (SCA) festgelegt wird. Die gesamte Lieferkette des Kaffees von der Farm bis zum Aufbrühen des gerösteten Kaffees muss dabei den Qualitätsstandards entsprechen. Dabei spielt die Transparenz über die Herkunft des Kaffees eine große Rolle. Außerdem ist die Kaffeequalität in den Augen des SCA objektiv messbar. Regelmäßig werden daher Rohkaffee, das Wasser für das Aufbrühen und der aufgegossene Kaffee überprüft, die Ergebnisse protokolliert. Am wichtigsten ist die Geschmacksprüfung des Kaffees, das “Cupping”, das schon auf der Farm durchgeführt wird. Geschulte Verkoster bewerten dabei den Kaffee mit einer Punktzahl bis 100. Für die Auszeichnung “Specialty Coffee” müssen mindestens 80 Punkte erreicht werden.
Foto: jalag/seasons.agency
Eine Sonderform des Cuppings ist der Wettbewerb “Cup of Excellence”, organisiert von der “Alliance for Coffee Excellence”. Hier wird in jeweils einem Land, zum Beispiel Peru, der beste Kaffee gesucht und mit dem Award ausgezeichnet – auch hier sind maximal 100 Punkte zu erreichen. Der preisgekrönte Kaffee wird versteigert und mit dem entsprechenden Siegel vermarktet. Schöner Effekt: Das Anbauland kann auf seine Top-Qualitäten aufmerksam machen, und der Farmer wird dadurch, zumindest in der Kaffeeszene, weltbekannt.
Was sind Q-Grader?
Q-Grader sind mit Master-Sommeliers im Weinbereich zu vergleichen: besonders ausgebildete Verkoster mit ultrafein geschulten Gaumen. Die Ausbildung hat das Coffee Quality Institute (Hauptsitz in Kalifornien, USA) festgelegt. Kandidaten für diese aufwendige Schulung müssen in 20 Prüfungen zum Beispiel Kaffee nur aufgrund des Geschmacks einem Land und einer Region oder Lage zuordnen. Ziel ist die objektive Einstufung von Kaffeequalitäten. Ein Q-Grader muss seine Lizenz alle drei Jahre wiederholen.
Was sind Microlots und Single Origins?
Standard-Kaffee, wie man ihn in der Regel im Supermarkt erhält, ist ein Blend aus verschiedenen Lagenkaffees. Wenn der Röster überhaupt angibt, woher der Kaffee stammt, nennt er allenfalls die Länder wie Kolumbien, Brasilien, Guatemala. Dagegen zeigt ein Single Origin sofort seine Herkunft: Es ist nicht nur ein Land, sondern eine einzelne Lage des Kaffees. Bekannte Beispiele sind etwa der Yrgacheffee aus der gleichnamigen Region in Äthiopien, der Vilcabamba aus Ecuador oder der Sulawesi aus Indonesien. Single Estate bedeutet Kaffee aus einer bestimmten Lage, Single Finca von einer einzigen Kaffeefarm. Kaffeefans schätzen beides. Einzellagen, um Geschmacksprofile zu erkennen und zu unterscheiden, und Blends für einen schönen allgemeinen Kaffeegeschmack. Vor allem bei Espresso gelten Blends als den Single Origins mindestens ebenbürtig.
Foto: jalag/seasons.agency
Microlots sind kleine Kaffee-Erntemengen aus eng umgrenzten Bereichen. Sie sind meist für große Röster uninteressant, die auf große Farmen für gleichbleibende Qualitäten angewiesen sind. Manufaktur-Röstereien können aber auch kleine Erntemengen Kaffee handeln – bis zu wenigen Sack – und als Röst-Spezialität an ihre Kunden weitergeben.
Die oben erwähnten Cup of excellence-Kaffees sind meist Microlots.
Äthiopien als Ursprungsland des Kaffees
Äthiopischer Kaffee gilt außerdem als einer der besten der Welt – er zeigt als Filterkaffee ausgeprägte Frucht- und Blütennoten ohne aufdringliche Säure. Noch bis vor etwa vierzig Jahren war nur die Qualität Sidamo bekannt, inzwischen hat ihm Yirgacheffe den Rang deutlich abgelaufen. Neu ist das Gebiet Gujii in der Region Oromia, nördlich der bekannteren Lagen Sidamo und Yirgacheffe. Der Boden ist sehr mineralisch, in der Region wird auch Gold abgebaut. Geerntet wird der Kaffee von Kleinbauern, die im Durchschnitt nur zwei Hektar Parzellen bewirtschaften. Der Kaffee wird in Höhenlagen von etwa 2000 Metern über dem Meeresspiegel geerntet und bis zu 21 Tage lang in der Sonne getrocknet. Die Natural-Aufbereitung ergibt Kaffee mit ausgeprägten Fruchtnoten von Pfirsich, Kirschen, Blaubeeren und Äpfeln.
Foto: Zeynep Sümer
Die Äthiopier selbst trinken ihren Kaffee mehrmals täglich gern nach alter Tradition: Die grünen Bohnen rösten sie in einer Feuerschale, zerstoßen die Bohnen in einem Mörser zu grobem Pulver und gießen den Kaffee dann in einer Jabana, einer Tonkanne auf.
Aufbereitung – honey, anaerob, natural und washed
Grundsätzlich wird beim Verarbeiten der Kaffeekirschen zwischen washed und natural unterschieden. Im modernen washed-Verfahren trennen Maschinen nach dem Waschen der Kaffeekirschen das Fruchtfleisch von den Kernen. Traditioneller ist das Trocknen der Kirschen an der Sonne, wobei das Fruchtfleisch über etwa drei Wochen fermentiert und erst dann vom Kern, der Bohne, abgelöst wird. Diese “Natural”-Aufbereitung bewirkt stärkere Fruchtnoten in Richtung Blaubeere und Gewürze, die nicht jeder mag. Bei der “Honey”-Aufbereitung werden die Bohnen zwar maschinell “gepulped”, also vom Fruchtfleisch getrennt, aber nicht gewaschen, so dass ein Rest Fruchtfleisch am Kern bleibt und fermentiert. Der Effekt ist entsprechend schwächer als bei “fully natural”. Alle drei Methoden bieten dem Kaffeefarmer und Röster viel Spielraum, seinen Kaffee in eine bestimmte Richtung der Aromen zu lenken.
Anaerobe Fermentation ist der neueste Trend der Kaffee-Hipster: Als Sonderform der Natural-Methode werden die Kaffeekirschen in Fässern ohne Sauerstoff (anaerob) bis zu hundert Stunden lang zum Fermentieren gegeben. Manche Röster verwenden auch Whiskyfässer dafür und erzielen entsprechend ganz neue Aromen – von Vanille bis zu Jasminblüten, Cassis und Pflaume, Zimt und Nelken oder Muskatnuss. Jörg Plümacher etwa von der Hildener Rösterei “Röstzeit” ist besonders findig bei der besonderen Fermentation. Er hat schon einen Costa Rica-Kaffee im ehemaligen Whiskyfass fermentiert und gibt jetzt einen Kaffee aus Ruanda in einen Intangokrug, der sonst für Bananenbier benutzt wird. Die Aromen von Bananen und tropischen Früchten wie Ananas und Maracuja finden sich tatsächlich auch im Kaffee wieder (www.roestzeit.de). Aufsehen erregte auch die Hamburger Rösterei Elbgold mit ihrem Kaffee “Bombe” aus dem gleichnamigen Dorf in Äthiopien-Sidamo, das auf etwa 2000 Metern Höhe liegt. Die Kaffeekirschen werden nach der Ernte fünf Tage lang in Fässern ohne Sauerstoff „anaerob“ fermentiert. Ein komplexes Erlebnis: Blaubeeren, Apfelringe, Feigen, Honigkuchen, Muskatnuss, Piment (www.elbgoldshop.com).