Trendcheck - Regiomaten

Trendcheck - Regiomaten

Frisches Obst, Gemüse, Milch und Eier direkt vom heimischen Erzeuger und das rund um die Uhr? In ländlichen Regionen versorgen moderne Automaten die Kunden mit guten Produkten
Datum14.04.2020

HIER FLIESST DIE MILCH TAG UND NACHT

Johannes Eckhoff vor seiner „Milchtankstelle“ vom Hof Kriets in Elsdorf, Nordrhein­ Westfalen

Wer auf dem Land wohnt oder im Grünen unterwegs ist, merkt es schnell: Automaten, in denen regionale Produkte von Landwirten angeboten werden, liegen im Trend. An den Regiomaten nahe den Höfen kann man sich mit frischem Obst, Gemüse, Milch, Eiern oder Marmelade versorgen – und das rund um die Uhr. In einer Zeit, in der oft beide Partner berufstätig sind und in die Innenstädte pendeln, ist der Service eine willkommene Quelle für frische Produkte aus der Umgebung, schließlich ist das Bewusstsein für Regionalität enorm gestiegen. Frisch, bio, saisonal – viele Menschen wollen wissen, woher ihre Lebensmittel kommen und möchten sie vor allem auf dem Land möglichst direkt vom Erzeuger beziehen. Und auch die Bauern sind begeistert von der Möglichkeit, ihre Erzeugnisse ohne Zwischenhändler an die Kunden zu bringen.
So hat auch Landwirt Sven Trochelmann, der mit seiner Frau Ina den Röpers Hof im niedersächsischen Wohlsdorf betreibt, diese Entwicklung wahrgenommen und sich auf die neuen Bedürfnisse seiner Kunden eingestellt. Münzen rein, Produkt auswählen, eine Nummer ins Bedienungsfeld eingeben – und schon hält man ein Glas selbst gemachte Hochzeitssuppe oder Apfelmus in den Händen.

GRILLFLEISCH

aus der RegioBox von David Schulze am Freizeitpark Dülmener See in Nordrhein­-Westfalen

„WIR HABEN MEHRERE AUTOMATEN AN VERSCHIEDENEN STANDORTEN in der Region“, erzählt Sven Trochelmann stolz. Milch, Frischkäse, Joghurt, Eis, Aufstriche, Gewürze, Ketchup und Kartoffeln bietet er darin aus eigener Herstellung an. Lebensmittel, die er nicht selbst produziert, kauft er aus der Region an, um das Sortiment für seine Kunden attraktiver zu machen – selbst gemachte Suppen, aber auch Süßigkeiten und Chips für eine breitere Zielgruppe. In der Flexibilität liege eine der größten Stärken der Automaten, findet Sven Trochelmann. „Sie sind an jedem Tag des Jahres geöffnet, eigentlich rund um die Uhr.“ Dieses Angebot wäre mit Mitarbeitern nicht umsetzbar. Das Automatenkonzept wird von den Menschen aus Wohlsdorf und Umgebung gut angenommen – vielleicht auch, weil viele das Prinzip aus Kindheitstagen kennen. Denn die Idee ist nicht neu, sie hat sich mit den Jahren nur weiterentwickelt. Schon vor Jahrzehnten haben Landwirte ihre Waren an der Straße zum Verkauf angeboten, meistens in kleinen, unverschlossenen Holzbüdchen, in denen Kartoffeln oder Gemüse lagen – vielerorts ist das immer noch so.

IN DEN ALTEN BÜDCHEN HERRSCHT DAS VERTRAUENSPRINZIP. Geld wird an den offenen Ständen in eine angekettete Spardose oder eine Kassette gelegt, die täglich geleert wird. Die heutigen Automaten, die gekauft oder geleast werden können, sind deutlich besser vor Diebstahl geschützt, werden aber trotzdem hin und wieder „attackiert“, wie Trochelmann erzählt: „An einem Standort hatten wir extrem mit Vandalismus zu kämpfen. Da blieb uns am Ende nichts anderes übrig, als ihn wieder abzubauen.“

WURST UND SCHINKEN

im Automaten bei Petersberg in Hessen.

DIE FIRMA STÜWER BETREIBT 2100 AUTOMATEN in Deutschland. Der erste Regiomat der Firma aus dem baden­ württembergischen Heroldstatt wurde 2007 aufgestellt. Den Erfolg sieht auch Adrian Ott, Marketingleiter bei Stüwer, in der Flexibilität der Geräte: „Die Direktvermarkter können selbst bestimmen, was, wie viel und zu welchem Preis sie ihre Produkte verkaufen wollen. Zudem hat der Regiomat eine Öffnungszeit von 24/7, ohne dass ständig Personal anwesend sein muss.“ Regiomat­Konkurrent RegioBox besitzt derzeit um die 2500 Automaten. Jenny Krümpel, die im Vertriebsinnendienst der Hensing GmbH tätig ist, sieht den Erfolg des RegioBox­Trends allerdings nicht nur in der Direktvermarktung rund um die Uhr, sondern vor allem in den angebotenen Produkten: „Regional ist das neue Bio.“

NEBEN DER VERFÜGBARKEIT RUND UM DIE UHR UND DEM BIO-ANGEBOT trägt noch ein weiterer Aspekt zum Erfolg der regionalen Automaten bei: die soziale Komponente. Bei Landwirt Vrochte aus Sassenberg etwa, einem kleinen Städtchen nahe Münster, werden auch schon mal Fußballtickets vor dem Automaten ausgetauscht. Man trifft sich zufällig – und sitzt später vielleicht gemeinsam im Stadion beim Spitzenspiel der Champions League Borussia Dortmund gegen FC Barcelona. Für Sven Trochelmann und seine Frau Ina vom Röpers Hof hat das Konzept in jedem Fall Potenzial. So viel Potenzial, dass Trochelmann gemeinsam mit einem Freund eine eigene Firma gegründet hat, die Automatastisch GmbH: Sie vertreibt Automaten, die Speiseeis anbieten. „Die Zukunft in der Landwirtschaft muss jeder Betrieb für sich selbst finden. Einfacher wird es für uns nicht, dies ist unser Weg.“ Das Prinzip Regiomat zieht also weiter Kreise: Auch immer mehr Metzger stellen vor ihren Läden Automaten auf, die – gut gefüllt mit Bratwurst, Steak und Salaten – gerade in der Grillsaison dankbar angenommen werden. Selbst in Österreich: Seit Ende November gibt es bei der Konditorei Koloini in Kärnten kapitale Torten auf Knopfdruck – etwa Mandel­Schoko mit Marzipan, Sauerkirschen und verschiedenen Likören. Für viele sicher die Rettung bei Heißhunger außerhalb der klassischen Ladenöffnungszeiten.

TEXT INA VOLKMER

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