Voller Vorfreude
Nach einem turbulenten Jahr blicken wir gespannt auf das, was kommt – fünf vielversprechende Neueröffnungen für 2022
2022, die Eröffnungsrunde
2021 war von Veränderungen geprägt, Eröffnungen wurden verschoben, es gab bedeutende Personalwechsel und viele neue Konzepte. Für das nächste Jahr sind spannende Neueröffnungen angekündigt, die hohe Erwartungen wecken. Fünf von ihnen, die Sie sich für 2022 unbedingt vormerken sollten, stellen wir hier vor. Noch in der Planungsphase ist Jan Hartwig. Der vielfach ausgezeichnete Küchenchef verließ im Sommer das Restaurant Atelier im Bayerischen Hof in München, um sich selbstständig zu machen. Mit seinem eigenen Restaurant will Jan Hartwig ebenfalls in München bleiben. Das Top-Niveau, das er bisher auf die Teller brachte, wird auch am neuen Standort die Richtung vorgeben.
An der Isar wird auch Gerhard Retter sein Restaurant eröffnen. Der österreichische Sommelier und Gastronom hat Ort und Küchenchef schon gefunden: Im Frühsommer 2022 wird er mit dem Österreicher Christian Schagerl sein Restaurant in einem außergewöhnlichem Baudenkmal eröffnen – mehr Details dazu verrät er in Kürze.
Die Weiterentwicklung
Am fortgeschrittensten sind die Planungen bei Benjamin Peifer. Er wollte sein „Intense“ weiterentwickeln, und wird im Mai mit dem Intense 2.0 in Wachenheim an den Start gehen. Dort soll ein ganzheitliches Genusserlebnis entstehen, das im sogenannten Wohnzimmer beginnt: Kleine Pfälzer Gerichte, modern interpretiert, werden dort aufgetischt, etwa „Dampfnudel un Woisoß“ – inklusive Dubbegläsern auf Häkeldeckchen. Dann wechseln die Gäste den Raum und damit auch die Küchenrichtung: Das Ambiente wird japanisch, hier wird hauptsächlich über offenem Feuer gekocht und an der Theke serviert. In einem Omakase-Menü zelebriert Benjamin Peifer dann seinen ganz eigenen japanisch-regionalen Stil.
Etwas weiter südlich, in Freiburg, arbeitet Spitzenkoch Martin Fauster weiter an seinem eigenen Restaurant. Die Zusammenarbeit mit dem Markgräfler Hof kam anders als geplant nicht zustande, das „Morillon“ ist als Pop-up bisher in der „Kellerwirtschaft“ in Vogtsburg zu Gast. Der Plan für das eigene Restaurant bleibt, und wir sind guter Dinge, dass Fauster ihn in 2022 realisieren wird.
Zurück zu den Ursprüngen
Blickt man über die Grenze, sorgt eine Ankündigung für besondere Aufmerksamkeit: In Paris wird Dominique Crenn, eine der wenigen internationalen Spitzenköchinnen auf absolutem Topniveau, das „French Nola“ eröffnen. Die gebürtige Französin betreibt in San Francisco das Restaurant Atelier Crenn und kehrt mit dem neuen Projekt 2022 zu ihren Ursprüngen zurück. Das „French Nola“ wird den kulinarischen Einflüssen von New Orleans gewidmet sein. Die Küche in Paris wird Christophe Bourguignon leiten, der in Kalifornien schon Gerichte für das neue Konzept in Europa entwickelt. Fünf spannende Neueröffnungen, die man sich vormerken sollte!
BERLIN / BRIKZ ERÖFFNUNG IM LOCKDOWN
Kalt erwischt hat es Arne Anker mit seinem ersten eigenen Restaurant – die tiefroten, rohen Backsteinwände waren Inspiration für den Namen (brick, engl. für Backstein), edle Leuchten und schwarze Ledergarnituren sorgen für ein urban-elegantes Ambiente. Der Eröffnungstermin für November war schon lange geplant. Dann kam der zweite Lockdown. Eröffnet wurde trotzdem – mit viel Kraft, Mut und Zuversicht. Statt am Tisch serviert wurden die geplanten Menüs und das BRIKZ -Erlebnis als Take-away in die Box gepackt. „Unser Job ist es, Leuten gut zu tun, gerade jetzt – warum warten und Zeit verlieren!“, so Anker.
Mittlerweile läuft das Restaurant auch ohne Lieferservice, Gerichte wie die saftig geschmorte Kalbsbacke mit Steinpilzcreme, Seitlingen, Topinambur, gerösteter Hanfsaat und bittersüßer Chrysanthemenblüte oder Tonkabohnen-Crémeux mit Zwetschgen und Baiser-Crumble verlieh die Buttermilch-Vanille-Vinaigrette den für Arne Anker typischen spritzig-säuerlichen Twist. Für passende, nachhaltig deutsche Weine sorgt Maria Rehermann, einst Chefsommelière im „Vendôme“ bei Joachim Wissler in Bergisch Gladbach. Restaurantleiterin Sabine Panzer aus dem geschlossenen „5 Cinco by Pérez“ in Berlin steht für tadellosen Service.
BRIKZ, OT Charlottenburg, Grolmanstr. 53/54, 10623 Berlin, Tel. 0152-03 74 36 34, www.restaurantbrikz.com, nur Abendessen, So, Mo geschl., Menü € 77
DREIS / SONNORA NEUSTART EINER IKONE
Einen legendären Klassiker wie das Sonnora zu modernisieren, ohne ihm die DNA zu nehmen, ist eine denkbar schwere Aufgabe. Für das Haus in Dreis, das mit Helmut Thieltges zur Ikone wurde, hat eine neue Ära begonnen: Der junge Küchenchef Clemens Rambichler und die Sommelière Magdalena Brandstätter haben Hotel und Gourmetrestaurant zum Jahresbeginn von Ulrike Thieltges übernommen und den Lockdown für eine umfassende Modernisierung genutzt. Dabei ist ihnen das Kunststück bravourös gelungen, eine Brücke zu bauen zwischen dem klassischen Geist des Hauses und einem zeitgemäßen Ambiente. Das Restaurant ist nun von lichter Eleganz und Leichtigkeit geprägt: die Bögen für mehr Raumgefühl begradigt und vergrößert, hellgrauer Teppich, blaue Polsterstühle, kleine Beistelltischchen für Wein, Wasser und mehr sowie ein zeitlos-klassisches Lichtdesign schaffen eine stilvolle moderne Atmosphäre.
In der Küche, ebenfalls komplett neu, zelebriert Clemens Rambichler mit seinem Team weiterhin schwelgerische Produkt-Opulenz und kompromisslose Qualität. Zum sanft gegrillten Stück vom Steinbutt aus La Rochelle auf intensiv fruchtiger Fumet von Strauchtomaten setzt eine hauchdünne Scheibe Wassermelone mit feiner Süße einen kongenialen Akzent, den Rücken vom Reh aus Eifler Jagd umrahmen dezent-nussige Pistazienaromen. Klassiker wie die geniale Torte vom Tatar mit Kaviar gibt es weiterhin. Magdalena Brandstätter ist die charmant-souveräne Gastgeberin mit einer der besten Weinkarten der Republik!
„Sonnora“, Auf’m Eichelfeld 1, 54518 Dreis, Tel. 06578- 982 20, www.hotel-sonnora.de, Do abends, Fr-So mittags und abends geöffnet, Hauptgerichte € 85-105
MÜNCHEN / WERNECKHOF SIGI SCHELLING LEGENDÄRES ERBE, NEU ERFUNDEN
Es ist nicht Sigi Schellings Art, viel Aufhebens um die eigene Person zu machen – doch die Tatsache, dass sich Hans Haas’ langjährige Souschefin selbstständig macht, war in München Stadtgespräch, lange bevor sich die Türen öffneten. Tatsächlich hat sich hinter der sonnengelben Fassade des Werneckhofs viel verändert, seit die gebürtige Vorarlbergerin hier ihre zeitgemäße Spitzenküche umsetzt. Der schlicht-schöne Gastraum präsentiert sich heller und im neuen Look, mit weißen Designerlampen, edlem Holzboden und einer Installation mit bunten Fischkarkassen von Hans Haas. Klar, dass ein paar Gaumenschmeichler der Haas-Küche mit umgezogen sind, allen voran das legendäre Lauchpüree mit Kaviar und Nussbutter. Großer Genuss auch das im Ganzen perfekt rosa gebratene Lammkotelett, das am Tisch tranchiert wird. Dazu gibt es Spinat und feinwürzige Lamm-Kräuter-Sauce, die man bis zum letzten Tropfen genießen möchte. Die Weinkarte stellte keine Geringere als Paula Bosch, einst Sommelière im „Tantris“, zusammen, rund 250 Positionen, darunter einige Preziosen, die man nur mit besten Beziehungen bekommt.
„Werneckhof Sigi Schelling“, OT Schwabing-Freimann, Werneckstr. 11, 80802 München, Tel. 089-38 37 74 64, www.werneckhof-schelling.de, Di abends, Mi-Sa mittags u. abends geöffnet, Menü mittags € 75-145, abends € 160-180
ROTTACH-EGERN / DICHTER STARKER AUFTRITT AM TEGERNSEE
Dass die neuen Eigentümer des Parkhotels Egerner Höfe, Molkereifamilie Ehrmann, keinen Stein auf dem anderen ließen, traf auch das Gourmetrestaurant. Vom Keller des etwas abgelegen Pavillons der Suiten-Höfe wechselte Kellermanns Mannschaft ins Herz der Anlage. Seine sich am Eingang öffnende, jadegrün geflieste Küche wirkt inspirierend, der dann folgende Gastraum ist spektakulär: Ein lichter Wintergarten mit Blick auf Koppel und Kastanien. Vielleicht ist es Raumpsychologie, die Kellermanns Gerichte hier schmecken lässt, als könne er endlich seine Flügel zur Gänze spreizen.
Ein erster Gruß aus gegrillter Wassermelone und Estragon-Eis zieht einen direkt in den Bann. Glockenklar schmeckt danach ein Tegernseer Renkentatar, dessen Beigabe aus Weißbiersauce und Holunder alles bananig parfümierte auslässt und den Fisch sanft untermalt. Auch die „kühle Erbsensuppe“ bleibt nur Andeutung ihres Ursprungs: ein federleichter Anguss bildet zwei Flachteller-Inseln aus Zuckererbsen und Imperial-Kaviar auf Sauerrahmbutter. Gerichte wie dieses zeigen eine enorme Eigenständigkeit, die auch das Herzhafte nicht ausspart: Bei gebratenem Stör bekommt der Fisch zur Umami-Grundwürze einer Rauchaalgerste noch Gurkenfrische und Verjus-Säure beigestellt. Bis zum Schluss bleibt die Menüdramaturgie klavierseitenstraff, auch dank einer originellen Patisserie, die Pfirsich, Pistazie und Olivenöl-Joghurt-Eis mit einem nelkenduftigen Basilikumfond umgießt. Ulf Sundermann
„Dichter“ im Parkhotel Egerner Höfe, Aribostr. 19-26, 83700 Rottach-Egern, Tel. 08022-66 65 82, www.gourmetrestaurant-dichter.de, Mi-Sa abends geöffnet, Menüs € 148-208
GRASSAU / ES:SENZ SPITZENKÜCHE IM CHIEMGAU
Edip Sigl erfand sich komplett neu: Der Ex-Küchenchef des Münchner „Les Deux“ folgte dem Lockruf des Chiemgau, wo man im Golf- und Wellnessresort „Das Achental“ (im Besitz von Motel-One-Gründer Dieter Müller) ein Restaurant für ihn maßschneiderte, großzügig gestaltet und mit Blick in den Apfelgarten. Das Bekenntnis zu Region und bestem Handwerk steht im Vordergrund – vom geflochtenen Messing-Paravent im Entree über altes, sorgfältig aufgearbeitetes Holz bis zur getöpferten Keramik.
Sigl bietet zwei Menüs auf Basis sorgfältigst gescouteter Produkte, mal aus der Region, mal aus aller Welt, vom bretonischen Wildfang-Steinbutt zum US-Rinderfilet. Beide starten mit ambitioniertem Amuse-Bouche-Reigen, dessen minutiös austarierte Aromatik den Ton setzt. Im Menü begleiten feinste Salatherz-Mousse und erfrischende Buttermilchemulsion das Medaillon von gebeizter Chiemsee-Forelle, für Knackigkeit sorgen Gurke und Forellenkaviar. Ein Prachtexemplar von norwegischem Kaisergranat thront auf eingelegtem Fenchel, gepaart mit grünen Mandeln, Hummerbisque und feiner Limetten-Kefir-Sauce. Gebratener Rehrücken kommt unter feinwürziger Walnusskruste mit grünem Spargel, glasierter Aprikose, Selleriepüree und Wacholderjus (wie immer bei Sigl große Saucenkunst). Der Service ist bei Ex-Königshof-Maître Simon Adam in besten Händen, die Weinkarte zeigt viel Ambition und wird weiter ausgebaut. „es:senz“ im Golf- und Wellnessresort Das Achental, Mietenkamer Str. 65, 83224 Grassau, Tel. 08641-40 10, www.das-achental.com, Di-Sa abends geöffnet, Menüs € 145-195
VOLKACH / WEINSTOCK IN DER SCHWANE HOMMAGE AN FRANKEN
Cornelia Fischer ist nach Stationen bei Christian Jürgens und zuletzt als Souschefin bei Andreas Caminada zurück in der unterfränkischen Heimat. Als Küchenchefin führt sie im traditionsreichen Weingut Zur Schwane das Schwane 1404 und das Gourmetrestaurant Weinstock, das mit seiner barocken Stuckdecke schon vor zwei Jahren mit lederbezogenen Tischen, grauen Wänden und messingfarbenen Pendelleuchten modernisiert wurde.
Kulinarisch setzt sie auf eine unverspielte, produktorientierte Küche, die weltläufige und regionale Akzente unprätentiös vereint. Gaumenschmeichler wie Bratwurstcreme unter Sauerkrautgelee und Spargelragout mit seinem Parfait sind eine geschliffene Hommage an die Regionalküche. Originell sind die kleinen Einstimmungen vor Zwischen- und Hauptgängen, die subtil deren Aromen, Zubereitung und Texturen variieren: Softe Zanderklößchen mit feinsäuerlichem weißem Butterschaum gehen etwa dem auf den Punkt gegarten Zanderfilet mit seinen krossen Schuppen, Erbsencreme und klassischer Beurre blanc voran. Wer herb-süßen Nachtisch mag, verliebt sich auf der Stelle in Desserts wie den geräucherten Ziegenkäseschaum auf Blaubeeren mit gerösteter Macadamianuss. Überragende Weinauswahl von Frankens Besten, unwiderstehliche Petits Fours.
„Weinstock“, im Hotel Zur Schwane, Hauptstr. 12, 97332 Volkach, Tel. 09381-806 60, www.schwane.de, Fr-Di abends geöffnet, Hauptgerichte € 25-32
NÜRNBERG / ETZ REDUKTION AUFS MAXIMUM
Felix Schneider inszeniert seine originäre Produktküche jetzt im „Etz“ in der Nürnberger Altstadt. Wobei „Produktküche“ dem kulinarischen Konzept nur unzureichend gerecht wird. Es unterschlägt, dass der inspirierte Chef das aromatische Wesen seiner in der Umgebung und im eigenen Garten angebauten, gesammelten Grundprodukte bis ins Detail auf ihr jeweiliges Aromenpotenzial auslotet und entschlüsselt. In der neuen Location (auf Zeit, im kommenden Jahr soll es noch mal einen Umzug geben), einem stylishen Frontcooking-Studio mit viel Beton, Holz und bequemen Ledersesseln, werden 14 Gänge serviert.
Ike-Jime-Saibling aus Erlangen etwa setzt wunderbare japanische Ausrufezeichen: bei Sashimi vom Bauch, danach mit Saiblingskaviar und geflämmtem Filet auf fermentiertem Weißkohl statt Reis, dazu Spirulina-Miso. Schneiders Küchenphilosophie spiegelt sich ultimativ in einer Schlachtschüssel-Interpretation der besonderen Art: Späne von gesalzener, geräucherter und ein Jahr getrockneter Schweineleber auf gekochter Kartoffel und einer „Beurre blanc“ aus fermentiertem und mit kalter Butter gebundenem Rotkohlsaft. Die Weine aus dem noch kleinen Keller mit Empfehlungen wie Velichs lebendig stoffigem Chardonnay „Darscho“ ergänzen das Menü bestens, ebenso „Sosein“-Klassiker wie das knusprige Bresse-Huhn, begleitet von mit Heu aromatisierter Nussbutter und glasierter Kirsche. Top-Service. „Etz“, OT Sebald, Bindergasse 22, 90403 Nürnberg, Tel. 0911-47 71 28 09, www.etzrestaurant.de, Do-Sa abends geöffnet, Menü € 210