Nachgefragt: Was machen Spitzenköch:innen privat?
Das erwartet Sie hier:
- Was macht Spitzenkoch Sven Wassmer privat?
- Was macht Spitzenkoch Clemens Rambichler privat?
- Was macht Spitzenkoch Lucki Maurer privat?
- Was macht Spitzenkoch Boris Rommel privat?
- Was macht Spitzenkoch Juan Amador privat?
- Was macht Spitzenkoch Michael Kempf privat?
- Was macht Spitzenköchin Hanna Lehmann privat?
In der Profiküche herrscht oft nur eine Geschwindigkeit: schnell, schnell, schnell. Die Schichten werden nicht selten lang, und wenn Tische monatelang im Voraus ausgebucht sind, ist kein Ende in Sicht. Bei unseren Gesprächen mit erfolgreichen Köchen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz ist eines aufgefallen: Auch die Hobbys zum Stressausgleich sind oft durchorganisiert. Clemens Rambichler etwa bucht sich im Urlaub einen professionellen Fliegenfischer-Guide, um von morgens bis abends seiner Leidenschaft, dem Angeln, nachzugehen. Juan Amador fährt mindestens einmal pro Woche in sein Atelier und arbeitet dort an seinen Ölgemälden. Sven Wassmer kann Hobby und Familie verbinden, denn auch sein Sohn interessiert sich neuerdings fürs Skateboardfahren. Und Boris Rommel nutzt gern mal die Nacht, um seinen Holzarbeiten nachzugehen. Flexibilität ist bei der Freizeitbeschäftigung wichtig. Während die einen künstlerisch-kreativ werden, toben sich andere beim Sport aus oder suchen die Verbindung zur Natur. Für alle gilt: So diszipliniert, wie sie arbeiten, kümmern sie sich um ihre Work-Hobby-Balance.
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Was macht Spitzenkoch Sven Wassmer privat?
"Zuerst bin ich Inliner gefahren, habe aber schnell festgestellt, dass Skaten cooler ist. Da war ich ungefähr zwölf. Damals kam das alles durch den Skateboard-Profi Tony Hawk. Mein erstes Board musste natürlich eins von seinem Label sein: ein originales Birdhouse. Dann hieß es: Tag und Nacht skaten, es gab nichts anderes. Dabei ist schon mal das eine oder andere Skateboard zerbrochen. Auf dem Skateplatz triffst du immer Leute, die so denken wie du – Freigeister eben. Wenn du einen neuen Trick lernen willst, hilft dir sofort jemand. Als ich dann die Kochlehre anfing, ließ sich mein Hobby gut mit dem Beruf vereinbaren: keine Trainingszeiten, keine festen Verpflichtungen. Und es gibt Parallelen. Um einen Trick zu beherrschen, heißt es ja immer: üben, üben, üben. Und dann: wiederholen, wiederholen, wiederholen. Das ist bei Kochtechniken nicht anders.
Skaten hat für mich viel mit Freiheit, Haltung und Kommunikation zu tun. Das ist etwas, was ich auch in meinem Restaurant lebe. Die Küche ist für mich wie ein Skateplatz. Wir gehen alle offen miteinander um, sprechen Probleme direkt an. Skaten macht auch kreativ. Gerade als Streetskater suchst du nach Geländern und Bänken zum Grinden oder für neue Tricks. Dadurch habe ich gelernt, mein Ding zu machen. Ich bereite Gästen auch gern mal Gerichte zu, die so nicht auf der Karte stehen. Letztens war das ein Eichelschwein mit Spitzkohl und Wurzelgemüse. Mein Sohn ist mit vier Jahren langsam in dem Alter, wo er Skaten auch cool findet. Ich bin jetzt schon ein paar Mal mit ihm in die Halle gefahren. Heute bin ich vielleicht ein bisschen vorsichtiger unterwegs. Ich habe mir noch mal beibringen lassen, wie man richtig fällt, und mache nicht mehr die waghalsigsten Tricks. Zum Abschalten fahre ich gern alleine Skateboard. Dann kann ich alles um mich herum vergessen. Das ist wie eine Verbindung zur Vergangenheit. Mich erdet das, und es gibt mir Bodenhaftung."
Was macht Spitzenkoch Clemens Rambichler privat?
"Ich angle schon, seitdem ich laufen kann. Früher habe ich das gemeinsam mit meiner älteren Schwester gemacht. Wir sind dann mit den Rädern zur Saalach runter und haben einfach drauflos geangelt. Ich kann mich noch gut an meinen ersten großen Fang erinnern, da war ich acht Jahre alt. Es war im Urlaub am Lipno-Stausee in Tschechien: ein 85 Zentimeter langer Hecht. Mein Vater hat ihn dann zu einem Restaurant gebracht, und wir konnten ihn abends zusammen essen. Heute angle ich ganz anders. Meine Frau hat mir vor ein paar Jahren die Teilnahme an einem Kurs zum Thema Fliegenfischen geschenkt. Das hat mich total gereizt, weil es nicht jeder macht und es dabei auf strategisches Denken ankommt. Wo ist der Zielfisch? Welches Gewässer habe ich vor mir? Das Klischee vom Angler, der mit Bier am Ufer sitzt, erfülle ich schon mal nicht. Ich bin immer in Bewegung und muss auf Zack bleiben. Timing und Fingerspitzengefühl sind entscheidend.
Das ist beim Kochen ja nicht anders. Da lege ich gern mal die Pinzette weg und versuche, mit den Händen das Produkt zu spüren, eine Verbindung aufzubauen. Im Gegensatz zu früher angle ich heute immer mit Schonhaken und lasse die Fische wieder frei – Catch & Release also. Es kann nämlich vorkommen, dass man am Tag bis zu 40 Forellen fängt. Die mag meine Frau eh nicht, also passt das. Für meinen Urlaub in Südtirol habe ich extra einen professionellen Guide gebucht. Der zeigt mir die besten Spots, und dann heißt es: von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang angeln. Für mich geht es nicht darum, bei einem Hobby den Kopf komplett auszuschalten. Abschalten heißt für mich, nicht ans Gewöhnliche zu denken. Obwohl ich meinen Beruf als Koch auch als Hobby ansehe: Ich liebe das, was ich tue. Das wäre vielleicht anders, hätte ich eine Banklehre gemacht. Aber das kam für mich nie infrage."
Was macht Spitzenkoch Lucki Maurer privat?
"Ein Konzert spielen oder ein Acht-Gänge-Menü schicken? Ich würde immer die Bühne vorziehen. Das ist schon ein Wahnsinnsgefühl, wenn Tausende von Leuten vor dir stehen und deine Texte mitbrüllen. Texte, die du geschrieben hast und die dich bewegen. Der Adrenalinschub auf der Bühne ist einfach unbeschreiblich. Ich könnte auch noch nach der zweiten Zugabe eine Stunde weiterspielen, weil der Moment mir einfach so viel gibt. Das Kochen ist da, seit ich denken kann. Mein Vater ist Koch, mein Bruder ist Koch, meine Mutter ist Wirtin. Es war klar, dass ich in der Gastronomie lande, und ich mache das auch mit Leidenschaft. Mein Traum war es aber, Rockstar zu werden. Der Frontmann von Metallica, James Hetfield, war mein absolutes Idol – nicht Heinz Winkler oder Eckart Witzigmann. Vor 26 Jahren habe ich neben der Kochlehre die Heavy-Metal-Band "Seasons in Black" gegründet. Wir waren alle Köche und haben nachts nach den Schichten geprobt. Heute machen wir das kurz vor Auftritten, und bald erscheint unser neues Album "Anthropocene".
In der Küche und in der Musik gefällt mir vor allem die kreative Freiheit. Ich sehe Kochen als Kunstform an. Es ist so vielfältig, so bunt, es gibt keine Grenzen. Man muss nur sein Ding machen. Mein Motto ist sowieso: nie müssen, immer nur wollen. Wenn ich ein solides Gericht wie Rinderfilet Rossini mache, ist das eine sichere Bank. Wenn ich Kutteln und Rindermagen mit indonesischen Aromen kombiniere, ist das ein Risiko, weil es nicht gefällig ist. Genauso ist es bei unseren Songs: Wir schreiben alles selbst und probieren gerne rum, machen auch mal ruhigere oder klassische Nummern – das ist nicht für alle was. Mir war es immer wichtig, etwas Eigenes zu machen und nicht in einer Cover-Band vor einem Mainstream-Publikum zu stehen. Nur einen Unterschied gibt es: Bei der Musik ist es mir egal, ob ich Erfolg habe. Kochen ist mein Business. Ich habe mehr als 20 Mitarbeiter im Team, für die ich verantwortlich bin. Da würde es mich schon ärgern, wenn die Gäste ausblieben. In der Küche läuft meistens keine Musik. Und wenn doch, dann eher Klassik – davon bin ich großer Fan. Ich mag es aber auch mal, wenn niemand spricht, und kann selbst gut leise sein."
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Was macht Spitzenkoch Boris Rommel privat?
Wir haben fürs Restaurant einen alten Käsewagen gekauft, der mir optisch nicht gefiel. Ich hatte aber direkt eine Idee im Kopf, wie ich ihn umgestalten kann, und habe ihn vier Monate lang Stück für Stück mit Blattgold verziert. Im Restaurant schieben wir den Goldwagen – so nennen wir ihn jetzt – mit dem berühmten Gänseleber-Gugelhupf von Lothar Eiermann direkt zum Gast. Das Ergebnis meiner Arbeit im Einsatz zu sehen, macht mich schon stolz. Vor ein paar Jahren fing ich an, mit Holz und Epoxidharz rumzubasteln. Auf dem Hotelgelände haben wir eine Werkstatt, in der ich dafür alles benutzen kann. Dort drechsle, schleife und fräse ich – gieße aber auch kleine Podeste aus Epoxidharz. Gerade habe ich Fingerfoodständer aus Hirschgeweihen fürs Restaurant gemacht, auf denen wir Amuse-Bouches präsentieren. In Italien habe ich durch Zufall hinter unserem Ferienhaus alte Olivenholzstämme entdeckt, von denen fünf in meinem Auto gelandet sind. Sie wurden später zu Käse- und Chutneyständern verarbeitet.
Ich suche immer nach interessanten Materialien, die zum rustikalen Ambiente des Restaurants passen, und überlege dann, was ich daraus machen kann. Weinreben waren auch schon dabei. Ich finde besonders spannend, dass sich jedes Holz in Struktur und Härtegrad unterscheidet – so wie jedes Lebensmittel seine typischen Eigenschaften hat. Da ich seit Kurzem Vater bin und der Kleine nachts oft keine Lust hat zu schlafen, verlagere ich manche Arbeiten auch nach Hause. Ich setze ihn in den Hochstuhl, und er kann mir von dort aus beim Lasieren oder Ölen zugucken. Ich erinnere mich gut an das erste Mal, als ich Epoxidharz angemischt habe. Die Zusammensetzung war falsch, es fing mächtig an zu rauchen. Aber der Ehrgeiz war da, es das nächste Mal besser zu machen. Dieses Herumwerkeln ist für mich auch deshalb Entspannung, weil es eben nicht mein Beruf ist und auch mal was schiefgehen darf.“
Was macht Spitzenkoch Juan Amador privat?
"Als das Restaurant während Corona geschlossen war, brauchte ich etwas für mein Oberstübchen. Eine Beschäftigung, die mich herausforderte. Zu der Zeit habe ich eine Dokumentation über Gerhard Richter gesehen – ein Künstler, der mich schon lange fasziniert. Ich mag an abstrakter Kunst, dass jeder etwas anderes in den Bildern sehen kann. Nachts kam mir dann die Schnapsidee, einfach mal Leinwände und Farben zu bestellen. Vorher hatte ich nie daran gedacht, selbst zu malen. Dabei hat das Mischen von Farben viel Ähnlichkeit mit dem Kochen, wo ich ja auch Produkte und Gewürze zusammenfüge. Inzwischen habe ich mehr als 200 Bilder gemalt und auch welche verkauft. Am Anfang reichte mir für mein Hobby noch der Keller, aber zu Hause lenkte mich zu viel ab, so habe ich mir dann ein Atelier gemietet, fünf Minuten von meinem Haus entfernt. Es ist für mich, wie in die Küche zu gehen: Ich bin fokussiert und mache das, wozu ich da bin. Kunst, sonst nix. Beim Malen höre ich meistens Musik. Viele meiner Werke tragen deshalb Titel wie ‚Killing me softly‘ oder ‚Smoke on the Water‘.
Zurzeit koche ich vier Tage die Woche und fahre an mindestens einem freien Tag ins Atelier. Da ich von Acryl auf Ölfarben umgestiegen bin, muss ich ohnehin immer zwei Wochen warten, bis die Bilder getrocknet sind. Das sorgt ganz natürlich für Pausen. Sonst würde ich viel zu viel malen. Oft heißt es ja, dass Köche wie Künstler sind. Dagegen habe ich mich immer gewehrt. Wir sind keine Künstler, wir sind Hochleistungssportler. Köche müssen jeden Tag reproduzieren und abliefern. Der Entstehungsprozess bei neuen Gerichten ist natürlich kreativ, aber dann ist es Copy & Paste. Wenn Gäste aus aller Welt für bestimmte Gerichte anreisen, müssen sie das bekommen, was sie erwarten. Deswegen bin ich in der Küche ein Kontrollfreak, das muss ich zugeben. Bei Kunst muss man niemanden zufriedenstellen, man muss sich selbst zufriedenstellen. Da kann ich loslassen und ganz frei sein."
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Was macht Spitzenkoch Michael Kempf privat?
"Ich bin schon vier Mal den Marathon in Berlin gelaufen. Die Stimmung hier ist einfach toll mit den ganzen Bühnen und den Leuten, die einen vom Streckenrand aus anfeuern. Das Laufen habe ich damals eigentlich nur angefangen, weil es sich gut mit dem Job vereinbaren lässt: Laufsachen an und direkt los. Dann habe ich gemerkt, dass es auch ein guter Ausgleich ist. In der Küche bist du von einer ständigen Geräuschkulisse umgeben. Beim Laufen höre ich deswegen keine Musik. Ich stelle alles aus, bin komplett bei mir und kann einfach den Kopf freibekommen. Auch wenn ich nicht gerade für einen Marathon trainiere, gehe ich jede Woche joggen. Beim ersten Marathon dachte ich noch: einfach nur ans Ziel kommen! Aber dann kam der Ehrgeiz dazu. Ich wollte schneller laufen. Das habe ich beim letzten Mal auch geschafft. In drei Stunden und elf Minuten habe ich das Ziel erreicht – und mich damit um 15 Minuten verbessert. Das ist schon eine Leistung, auf die ich als Hobbyläufer stolz bin.
Als eine Art Glücksbringer habe ich immer ein altes Laufshirt an, wirklich nichts Besonderes, aber ich trage es einfach gern bei den großen Läufen. Natürlich hat jeder, der regelmäßig an Marathons teilnimmt, gewisse Rituale, was das Essen betrifft. Ich frühstücke um sechs Uhr morgens drei bis vier Portionen Pasta. Das fühlt sich schon ein bisschen absurd an. Beim Lauf greife ich alle sieben Kilometer auf Powergels zurück. Da bin ich kulinarisch nicht anspruchsvoll, ich brauche einfach die Kraft."
Was macht Spitzenköchin Hanna Lehmann privat?
"Löffel und Pinzette sorgen für Kunst auf dem Teller. Das Anrichten von Gerichten, aber auch die Zubereitung sind für mich kreativ. Natürlich muss es in der Küche immer schnell gehen. Beim Malen hingegen bin ich ganz frei. Da übe ich mich in Geduld, weil Bilder einfach Zeit brauchen. Oft fertige ich zunächst Skizzen an, erst viel später kommt die Farbe dazu. Mit der Zeit habe ich einen Blick fürs Schöne entwickelt – und Schönheit muss nicht immer offensichtlich sein. Zum Beispiel sammle ich schon seit meiner Kindheit Pilze und wollte ihre Ästhetik dauerhaft einfangen – in meiner Küche landen sie ja direkt in der Pfanne. So kam ich auf die Idee, ein Projekt daraus zu machen: Ich zeichne alle gefundenen Speisepilze, gestalte die Zeichnungen mit Aquarell farben und fertige davon anschließend einen Linoldruck an. Ich kann sie dann wie Stempel benutzen und damit Postkarten oder Geschenkpapier verschönern.
Wenn ich dagegen mit Acryl auf Leinwand male, wird es abstrakt, und ich lasse mich von meinem Gefühl leiten. Mit 14 Jahren habe ich meine erste Digitalkamera bekommen und angefangen, Menschen zu fotografieren und besondere Momente festzuhalten. Die Porträtfotografie hat es mir bis heute angetan. Wenn ich Fotos von Freunden, Bekannten oder auch meinem Team in der Küche mache, ist es mir wichtig, alle so natürlich wie möglich darzustellen. Bei Fotoshootings hüpfe ich deswegen auch gern um meine Modelle herum und drücke dabei immer wieder ab. Stets kreativ zu bleiben, ist mir gerade auch im Beruf wichtig. Ich habe mich gerade mit dem Gastronomiekonzept "Mycel" in Otterndorf selbstständig gemacht. Hier koche ich auf einem Bauerngehöft zweimal die Woche mit regionalen Produkten aus Sachsen."