Feinschmecker-Interview mit Bulthaup Chef Marc Eckert

Interview: Marc Eckert, Chef von Bulthaup

Für Marc Eckert, Chef von Bulthaup, sollen Küchen nicht für Instagram konzipiert werden, sondern als Orte zum Wohlfühlen
Text Gabriele Heins
Datum29.08.2024

Feinschmecker: Herr Eckert, Sie führen ein deutsches Familienunternehmen und sind auch in Asien engagiert. Wie unterscheidet sich aus Ihrer Sicht die Küchenkultur dort von der in Europa?
Marc Ecker: In Asien gibt es in einer Wohnung oder einem Haus oft zwei Küchen: Die eine wird als „Darkroom“ angesehen, ist klein, verschlossen, im äußersten Eck des Apartments oder des Hauses, dort wird wirklich gekocht. Die andere, repräsentative Küche ist im Wohnbereich angesiedelt und nennt sich „dry kitchen“ – im Gegensatz zur „wet kitchen“, die täglich genutzt wird.

In der „dry kitchen“ fließt also kein Wasser, da wird gar nicht gekocht? 
Nein, so gut wie nicht. Wenn mir asiatische Partner ihre Küchen zeigen, die seit Jahren installiert sind, stecken die Kupfertöpfe oft noch in der Originalverpackung und sie wissen gar nicht, wo sich etwas befindet. Die Küche ist nur für Gäste und Partys konzipiert, das Essen wird beim Lieferservice bestellt. Die Materialien sind sehr hochwertig, etwa Massivholz und Edelstahl. Die Küche, die in Gebrauch ist, ist nicht repräsentativ, aber hochfunktional, die Materialqualität ist eher durchschnittlich.

Haben Sie den Eindruck, dass dieses Prinzip der doppelten Küche auch bei uns Einzug halten wird?
Ich hoffe nicht! Aber in Asien wird, obwohl meistens außer Haus gegessen wird, dennoch der große Wert einer Küche gesehen sowie die Idee, die dahintersteckt. Und die ist natürlich viel tiefergehend als die Küche als reiner Produktionsort.

„Die Küche ist auch eine Werkstatt, es geht um Handwerk.“

Wie würden Sie die wahre Idee der Küche beschreiben?
Als Ort der Gemeinschaft und das schlagende Herz der Familie. Die Küche ist auch eine Werkstatt, es geht um Handwerk. Du hast ein Brett, du schneidest eine Tomate, du stellst etwas her, das hat auch etwas Befreiendes und ist ein Ausgleich zur Digitalisierung. Wir sitzen ja ständig an unseren Bildschirmen und sehnen uns dann nach etwas Haptischem – gerade auch in der heutigen Zeit der Instabilität. Die Menschen spüren, dass mit dieser Welt etwas nicht stimmt, dass es eine Zerbrechlichkeit gibt. Die Künstliche Intelligenz verunsichert dazu. Wir haben Social-Media-Blasen – wir möchten aber Orte der Stabilität und Harmonie schaffen, ausgestattet mit allerbester Qualität, die man vererben kann. Küchen sollen auch dynamische Orte sein, in denen etwas kreiert wird, und sei es nur ein Tomatensugo. Das ist es, woran wir glauben.

Bei den ersten modernen Küchen ging es indes gar nicht um Gemeinschaft, denken wir nur an die Frankfurter Küche von 1926.
Ja, diese war auf pure Effizienz ausgerichtet, die Hausfrau stand mit dem Gesicht zur Wand, hatte alle Geräte schnellstmöglich griffbereit, um allein das Essen für den Mann und die Kinder zuzubereiten. Gegen dieses alte Bild kämpfen wir bei Bulthaup schon lange an.

Wie genau?
Unsere Küchenkonzepte stehen für offene individuelle Lebenssituationen, für mobile Inseln und somit für Kommunikation. Und der Küchentisch im Zentrum ist der Ort, an dem alle Entscheidungen des täglichen Lebens getroffen werden – ob klein oder groß. Hier wird geliebt und gestritten.

„Die Küchen sind oft für Instagram gemacht, entsprechen eher dem Prinzip der Beeindruckungsarchitektur.“

Wie ist Ihre eigene Küche denn eingerichtet?
Die sieht gar nicht so sehr nach Küche aus, sondern ist mit biografischen Gegenständen eingerichtet, etwa einem alten Stuhl, den ich noch aus meiner Studentenzeit habe, einem Sekretär oder einem Sessel von meiner Großmutter. Ich will nicht in einem sterilen Raum stehen.

Sind die modernen Küchen heute eher zu steril?
Ich glaube, dass die Küchen der letzten Jahrzehnte nicht das sind, was die Menschen im tiefsten Inneren wollen. Die Küchen sind oft für Instagram gemacht, entsprechen eher dem Prinzip der Beeindruckungsarchitektur.

Auch einschüchternd?
Das auch, dabei geht es gar nicht darum, dass ich eine Küche so perfekt, so museal, so untouchable mache, dass man Angst hat vor Fingerabdrücken oder Kratzern. Küchen sind oftmals zu sehr Repräsentationsobjekte geworden, die nicht für das Wohlfühlen eines Menschen taugen. Oder sie sind zu sehr Statussymbol. Ich bin gerade in München auf der Suche nach einer Wohnung, und auch da fällt mir auf: Eine gleicht oft der anderen, vieles ist voneinander kopiert. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Freude über eine tolle neue Luxusküche vielleicht zwei Minuten anhält. Dann muss es aber der wichtigste Ort in der Wohnung werden, an dem man sich wohlfühlt und die Kinder malen.

Und wie ändern Sie das?
Die Küche ist natürlich der komplexeste Raum im Haus, was die Technik betrifft. Man hat Wasser, Strom, Gas, Licht, viel Hightech. Alles ist miteinander vernetzt. Auf der anderen Seite schwebt uns diese gute alte Bauernstube vor, da war in der Mitte ein Tisch, da war der Ofen. Es war das Zentrum der häuslichen Gemeinschaft. Und diesen Gedanken versuchen wir mit unseren Konzepten wieder aufleben zu lassen. Ich sag’s jetzt mal ein bisschen martialisch: Wir wollen der Einbauküche das Rückgrat brechen und sind gerade dabei, dieses alte Gefühl des Wohlfühlens zeitgemäß in die heutige Welt zu tragen, sodass die Menschen den Duft von Apfelkuchen in der Nase haben, wenn sie eine Bulthaup-Küche sehen.

Was ist Ihr persönlich schönster Moment in der Küche?
Wenn die Gespräche so intensiv waren, dass ich hinterher nicht eimal mehr weiß, was ich gegessen oder getrunken habe oder wie spät es zum Schluss war. Wo man ein- fach voll im Hier und Jetzt ist. Oder wenn mein Sohn etwas malt und ich dabei Spaghetti mit etwas Butter für ihn koche. Das sind die Momente in der Küche, da bleibt die Zeit stehen.

Bulthaup

Marc O. Eckert, Jurist, Inhaber und Geschäftsführender Gesellschafter von Bulthaup, ist Enkel des Firmengründers und führt das Unternehmen seit 2009. Bulthaup hat seinen Sitz in Aich in Bayern. Neben individuellen Küchenösungen gehören auch Möbel, Leuchten und Accessoires zum Repertoire der Premiummarke. Alles, inklusive der rund 7000 Küchen pro Jahr, wird final von Hand fertiggestellt.

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