Feinschmecker Interview mit Max Strohe

Feinschmecker-Interview mit Max Strohe

Mit seinen süffig-kreativen Gerichten macht er im Berliner „Tulus Lotrek“ Furore und wandelt nebenbei auf vielen anderen Wegen: Max Strohe schreibt, fotografiert, designt und bekocht seine Tochter. Wie bekommt er das hin?
Text Gabriele Heins
Datum21.03.2025

Feinschmecker: Herr Strohe, vielen Köchen gelingt es zeitlich nicht einmal, Sport zu treiben. Sie haben zig Interessen: schreiben, fotografieren, Design – und außerdem sind Sie Vater. Wie oft schaffen Sie es noch ins Restaurant?
Max Strohe: Das „Tulus Lotrek“ ist das Herzstück meines Seins. Ich wohne direkt darüber, bin täglich da, aber ich arbeite nur noch selten komplette Schichten. Wenn Menü­wechsel sind, Not am Mann oder an der Frau ist, helfe ich. Oft gehe ich frühmor­gens runter, setze schon mal eine Sauce an und koche sie bei mir oben fertig, hier verkosten wir auch die neuen Gerichte, die ich alle entwickele.

... und dazwischen haben Sie Ihre Autobiografie „Kochen am offenen Herzen“ geschrieben. Wie kam es dazu?
Das war in der Corona­Zeit, als mich jemand fragte, warum ich überhaupt Sternekoch geworden bin. Darauf habe ich alles einfach mal aufgeschrieben, um zu sortieren, woher ich überhaupt komme. Schließlich wollte ich früher immer Harald Schmidt oder Schriftsteller werden. Und es war sehr therapeutisch. Das Schreiben war aber auch ein Ventil und eine Abwechslung in der Pandemie, als wir für Ärzte und Pflegekräfte ge­ kocht haben. Das war die härteste Zeit.

Wie hat die Branche auf Ihre sehr persönliche Autobiografie reagiert?
Das große Problem in Deutschland ist aus meiner Sicht, dass es zwischen Gastronomie, Kunsthandwerk und Kultur keine Schnittstelle gibt, anders als in Frankreich oder Skandinavien, wo Köche auch popkulturell gefeiert werden und Küche auch in der Kunst stattfindet. Mir hat kein Mensch geglaubt, dass ich das Buch selbst geschrieben habe. Dann haben sich alle beschwert, dass keine Bilder drin sind, und schließlich wurde ich gefragt, warum in einem Buch von einem Koch keine Rezepte sind. Es war überhaupt nicht vorstellbar, dass jemand ein Buch schreibt, das nicht auf den Hauptkern seines Schaffens einzahlt.
Ich weiß aber, dass Tim Mälzer und Tim Raue es gelesen haben.

Und jetzt kommt jeden Freitag eine Kolumne von Ihnen auf Spiegel- Online. Was ist der Kern?
Die Kolumne heißt „All you can eat“, anfangs habe ich über Phänomene wie Hipsterklitschen, Regionalitätswahn und McDonald’s geschrieben, jetzt geht es mehr ums Essen und Kochen: Bouilla­baisse, Ceviche, Trüffel oder Kinder­geburtstag. Es gibt Phasen, in denen ich einen guten Lauf habe, dann verfasse ich gleich mehrere Texte auf Vorrat.

Max Strohe in seine Küche – direkt über seinem Restaurant.

„Mit der Leica gerate ich in einen Sog und vergesse die Zeit. Das ging mir vorher nur beim Kochen so.“

Sie haben auch das TV-Format „Kitchen Impossible“ gemacht. Wie wichtig ist es, auf Sendung zu sein?
Das ist ein wunderbares Format von Tim Mälzer. Bei der ersten Staffel war ich allerdings monatelang ein Nervenbündel. Wenn man noch nie Fernsehen gemacht hat, ist die Angst vor dem Scheitern, davor, sich zu blamieren, groß – ein un­heimlicher Druck. Aber dann hat es viel Spaß gemacht, und bei der ersten Staffel ist unser Restaurant­Server zusammengebrochen, wir konnten uns vor Reservierungen nicht retten. Die Geschichte Strohe/Mälzer ist jetzt aber auserzählt. Wenn ein neues, interessantes Format kommt, würde ich es wieder machen, aber derzeit ist nichts geplant.

Dafür fotografieren Sie intensiv und posten die Bilder auf Instagram.
Zuerst habe ich mir eine Fuji­Kamera gekauft, damit wir selbst Foodfotos von unseren Gerichten machen können. Der Gamechanger war dann, als ich mir eine Leica Q2 gekauft habe, da bin ich in einen Sog geraten, da vergesse ich die Zeit, und das war bisher nur beim Kochen so. Als ich mit meiner Tochter kürzlich in New York war, bin ich um halb fünf auf- gestanden, habe in den Straßen fotogra- fiert und mich wie Jäger und Sammler in einer Person gefühlt. Aber Instagram ist frustrierend, für ein Foto bekommt man kaum mehr Reaktionen, nur noch für Reels. Als Koch ist man es aber gewohnt, unmittelbar Resonanz auf seine Arbeit zu erhalten, positive wie negative. Mein Kochbuch, das wir demnächst produzieren, werde ich auch selbst fotografieren.

Worum geht es dabei?
„Dirty Bistro“ ist der Titel. Früher habe ich mir meine Reisen zugebucht mit Sternerestaurants. Jetzt machen mich die einfachen, gut gemachten Lokale eher glücklich.

Warum entwerfen Sie auch Kleidung für Köche?
Ich habe lange Zeit gar keine typische Arbeitskleidung getragen, weil ich
mich darin unwohl gefühlt habe. Bei der Kollektion von Kaya & Kato habe ich Latzschürzen entworfen, die nicht am Nacken kneifen, Kochjacken mit ver- nünftigem Schnitt, und die Hose hat ein Design von Jil Sander als Vorbild. Grundsätzlich glaube ich, dass die alten Kochklamotten mit weißen Jacken und karierten Hosen zurückkommen, auch durch die Kult-Serie „The Bear“. Die pastellfarbenen Leinen- und Lederschür- zen aus dem „Noma“ sind bald vorbei.

Trotz all der vielen Aktivitäten wirken Sie entspannt, nicht gestresst.
Wenn man für Dinge brennt, merkt man ja nicht, wie beanspruchend sie sind. Ich brauche aber viel Schlaf, und weil ich viel weniger Alkohol trinke, hat sich auch mein Rhythmus verändert: Ich gehe um 22.30 Uhr ins Bett und stehe mit meiner Tochter um sechs Uhr morgens auf, dann schreibe ich und gehe zum Sport.

Kochen Sie denn auch noch aufwendig für Ihre Tochter?
Im Moment ist es eher eine Strafe, Sternekoch in unserem Haushalt zu sein, denn meine Tochter isst nur Pasta mit Pesto, aber von wegen selbst gemacht, nur Fertigprodukte.

Tulus Lotrek
K N R Q F V

Konzept: Frech, unkonventionell und sinnlich präsentiert sich dieses Restaurant, das Max Strohe und Geschäftspartnerin Ilona Scholl sehr persönlich führen. Zwei Menüs, Fleisch/Fisch & Vegetarisch (gefiltertes Wasser ist inbegriffen).
Küche: Max Strohe ist als TV-Koch, Autor, Kolumnist und Fotograf präsent. Als Hedonist liebt er den Genuss in jeder Hinsicht. Die Idee seines Restaurants – aus dem Vollen schöpfen und genießen ohne Manierismus. Er mixt munter Zutaten, Stile und Aromen: Das Menü mit Fleisch und Fisch startet etwa mit Otoro (Thunfischbauch), dazu Chawanmushi (japanischer Eierstich) und Buttermilch, eine Zwiebelsuppe peppt er mit Pilzen auf, zur Lachsforelle kombiniert er geschmolzenen Kalbskopf mit Champagner-Sauerkraut-Nage und Schmorgurke. Ein besonderes Vergnügen im Veggie-Menü ist eines seiner Signatures: Versengter Lauch mit aufgeschlagener Zwiebelcreme und Käse aus Norwegen.
Wein: Sommelier Felix Fuchs stellt die Begleitung zum Menü aus 450 Positionen zusammen – große Champagnerauswahl, die besten Güter aus Deutschland und Frankreich, außerdem spannende Neu-Entdeckungen junger Winzer.
Atmosphäre: Understatement im Berliner Altbau. Legeres Ambiente mit alten blanken Holztischen, die markante dschungelartige Tapete findet sich in der Kleidung des Serviceteams wieder, das unter Ilona Scholls lässig-cooler Art die Atmosphäre prägt.
Fazit: Fine Dining meets Soulfood mit Emotionen, lockerer Stimmung und sehr viel Lebensfreude.

Fichtestr. 24, 10967 Berlin
+49 (0) 30 41956687
www.tuluslotrek.de
So, Mo, Do-Sa 18.30-23.30 Uhr
Menüs € 225 - 280
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