Patisserie Johanna: Café in Hamburg

Patisserie Johanna: Ein Denkmal für die Tochter

Die „Pâtisserie Johanna“ in der Hamburger Speicherstadt ist spektakulär und erzählt zugleich eine bewegende Geschichte.
Text Monique Dressel
Datum06.09.2024

Der plötzliche Tod des eigenen Kindes ist der wohl härteste Schicksalsschlag, der Eltern treffen kann. Viele verkraften das nie. Aber manche spüren, dass man den Schmerz besser erträgt, wenn man etwas tut. Inka und Ralph Orth haben etwas getan, etwas sehr Ungewöhnliches: Sie haben den Traum ihrer verstorbenen Tochter zum Leben erweckt. 

Denkmal für Flutopfer Johanna Orth

Patisserie Johanna erinnert an Johanna Orth, die beim Jahrhunderthochwasser im Ahrtal ums Leben kam.

Johanna Orth aus Bad Neuenahr-Ahrweiler wollte seit frühester Kindheit Konditorin werden – und in ihrer Heimatstadt einen eigenen Betrieb gründen. Dazu ist es nicht gekommen. Beim Jahrhunderthochwasser im Ahrtal beendeten die Fluten am 15. Juli 2021 ihr junges Leben. Sie wurde nur 22 Jahre alt. 

Im Februar 2024, 32 Monate nach dem tragischen Verlust, haben ihr die Eltern ein Denkmal gesetzt. Denn da eröffneten sie am Sandtorkai in der Hamburger Hafencity die „Pâtisserie Johanna“ – ein 700 Quadratmeter großes Mekka der Konditorenkunst, eingerichtet mit viel Herzblut und Detailliebe.

Eine gläserne Produktionsküche

Einige Sitzgelegenheiten geben den Blick frei in die Produktionsküche, wo die süßen Köstlichkeiten liebevoll zubereitet werden.

Man wähnt sich in Paris, London oder New York, wenn man den großen, dunkel gehaltenen Raum betritt. Schwarz und Gold dominieren. Von der Decke leuchten illuminierte Schmetterlinge. Einst war das hier ein Kakaospeicher, später eine Markthalle, jetzt werden an diesem Ort Küchlein und Pralinen auf schwarz glänzenden Tresen und in edlen Vitrinen präsentiert, als wären es Schmuckstücke beim Juwelier. Und man kann zusehen, wie die Köstlichkeiten entstehen: Produktionsküche und Chocolaterie sind gläsern.

Tochter Johanna überall präsent

Eine Bronzestatur im Verkaufsraum erinnert an Johanna Orth.

An nicht vielen Orten in Deutschland kann man so stilvoll Kuchen essen, Kaffee trinken oder kunstvolle Pralinés in wunderschönen Präsentschachteln kaufen. Auch für Eisliebhaber ist gesorgt, überdies gibt es Herzhaftes, und eine Bar versorgt mit Wein, Cham­pagner und Cocktails. Trotz der Größe und des mon­dänen Designs wirkt alles gemütlich. Und das Wich­tigste: Johanna ist präsent – durch großformatige Schwarz-­Weiß-­Porträts an den Wänden und eine Bron­zeskulptur in Lebensgröße im Verkaufsraum.

Hamburg als Neustart

Die Orths verloren bei der Flut nicht nur ihre Tochter, sondern auch ihre Existenz. Doch die Villa Sibilla, eine von ihnen geleitete Seniorenresidenz in Bad Neuenahr, bauten sie bald wieder auf. Gleichzei­tig ließ sie der Traum der Tochter nicht los. Zufällig entdeckten sie die Hamburger Immobilie und brauch­ten nur fünf Monate Bauzeit, um diese in eine Kondi­torei der Extraklasse zu verwandeln. „Hamburg hat uns seit über 30 Jahren fasziniert und ist unsere Lieblings­stadt“, sagt Inka Orth. „Es bedarf dieser Großstadt, um das Projekt umzusetzen, denn hier gibt es ein Publikum für unsere moderne Patisserie.“

Marcel Reinhardt ist Chefpatissier

Inka Orth belegte Konditor­ und Patissierkurse – als Basis für den Quereinstieg und auch, weil es sie ab­ lenkte vom Schmerz. Für ihr Projekt holte sie sich mit Marcel Reinhardt einen exzellenten Bäcker­ und Kon­ditormeister als Chefpatissier an ihre Seite, ließ die Produktion mit modernsten Maschinen ausstatten.

Alle Lieferanten wurden sorgfältig ausgesucht. Die Kakaomasse stammt vom französischen Spitzenproduzenten Valrhona. Die Milch für das Eis kommt vom Hamburger Milchhof Reitbrook, seit 400 Jahren im Familienbesitz, die Kühe grasen auf fruchtbarem Land im Urstromtal der Elbe. Der Kaffee kommt von der örtlichen Spezialitäten-­Rösterei Mr. Hoban.

Selbstgemachte Pralinen, Tartes und Macarons

Zum Sortiment gehören zehn verschiedene Prali­nen, 13 Schokoladen­-Dragees, acht Sorten Tartes, Ma­carons, Zartbitter-­Schokoladen, Granolas und vieles mehr. „Wir produzieren alles selbst“, sagt Ralph Orth, „bis zu jedem kleinsten Dekor.“ Besonders viel Auf­wand betreiben sie bei den Pralinen. Von der Herstel­lung der Ganache über die Fertigung von Füllungen und das Trocknen der verschiedenen Einfüllschichten bis zur Verzierung vergeht eine Woche. Bei den Aro­men finden sich oft Salzig­-Süß-­Kontraste oder Gewür­ze, die man aus der herzhaften Küche kennt, etwa bei der Asia­Praline oder der Sorte Erdnuss-Wasabi.

Mittlerweile gibt es auch einen Onlineshop und ab Herbst werden Patisserie­-Kurse angeboten. Ein Seminar­raum und zusätzliche Arbeitsflächen sind bereits vorhanden. Johanna wäre glücklich.

Partner