Fischerei in der Bretagne: Tradition und Tagesfrische
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Malerische Landschaft an der Plage de Pors Riagat in der Bretagne
An der Plage de Pors Riagat bei Lesconil fühlt man sich wie in ein Standbild versetzt. Denn Künstler von Pont-Aven haben genau das gemalt: den cremig-weißen Strand und die kringeligen Algen, die sanften Dünen im Hintergrund und die kolossalen Granitfelsen zu beiden Seiten. Voraus wogt das weite Meer, und über den blauen Himmel ziehen bauchige Wolken. Ein Sonnenstrahl lässt den Hummerkutter in der Bucht für eine Sekunde aufleuchten. Irgendwie magisch, dieses Motiv von der Fischerei in der Bretagne.
Paul Gauguin ließ sich von der Magie der bretonischen Küstenlandschaft hinreißen, bannte Tang-Sammlerinnen auf Leinwand und auch die weißen Häuser mit Kamin an beiden Spitzgiebelseiten. Aus den lichterfüllten Werken des großen Meisters und dessen Zeitgenossen spricht Faszination. Sie hatten sich in Finistère verliebt, in den westlichen Zipfel der Bretagne. Anders die Römer: Sie erklärten die abgelegene Halbinsel zum Ende der Welt – finis terrae.
Fischerei in der Bretagne: Besinnung auf die Ursprünge
Die eigensinnigen Bretonen indes betrachten ihre Heimat aus gegensätzlicher Perspektive: "Penn-ar-Bed" – Anfang der Welt. Was nicht weiter verwundert, waren keltische Stämme, von den Britischen Inseln geflüchtet, einst übers Meer gekommen. Eine Besinnung auf die Ursprünge zeigt sich heute stärker denn je. Alteingesessene Generationen, nicht nur aus der Fischerei in der Bretagne, pflegen die Zweisprachigkeit, und auf Orts- und Straßenschildern steht unter dem französischen Namen der bretonische. Manch traditionelles Handwerk – wie Algenernte, Hochsee- und Küstenfischerei – hielt sich ebenfalls. Zwar sind mit dem Niedergang der Fischindustrie in den 90er-Jahren die Flotten der großen Trawler passé, doch an der Südwestküste, im sogenannten Pays Bigouden, sind noch etwa 260 Schaluppen und Kutter unterwegs. Ihr Fang sichert den Lebensunterhalt von 600 Fischern. An Land kümmern sich noch mal 100 Betriebe um Ein- und Verkauf, Verarbeitung und Export. Ein solcher Betrieb heißt – wie auch die Angestellte in den Sparten – Mareyeur.
Der Mareyeur ist gewissermaßen das Auge des Kunden. Er beurteilt den angelandeten Fang, wählt und kauft. Da ist beispielsweise die Firma "Moulin Marée" mit Arbeitsstätten in Lorient und im pittoresken Loctudy. Sie liefern an Feinkostmärkte von Frische-Paradies sowie an Spitzenrestaurants in Frankreich und Europa. Denn Moulin Marée kauft Ware ausschließlich von handverlesenen Leinenfischern und Kuttern. Letztere sind in der Regel drei bis vier Tage auf See. "Doch ich sorge dafür", sagt Firmenchef Jean-Michel Le Floch, "dass der zuletzt gefangene Fisch bei uns landet." Im Betrieb unverzüglich verarbeitet, mit Namen des Schiffes und der Fangmethode gekennzeichnet, geht die Ware sorgfältig verpackt an die Spedition. Andere Spezialitäten aus den Tiefen des Atlantiks erreichen noch schneller ihr Ziel. In Loctudy etwa landet der Kaisergranat vom Hafen direkt im Topf. Und im Strandlokal "An Atoll" in Guilvinec kommt der Hummer tagesfrisch und schnörkellos auf den Tisch: Hummerzange und-gabel, ein halbes Dutzend hausgemachter Saucen und Dips, Pommes als Beilage. Man könnte hier bei dem einen oder anderen Gläschen buttrigen Chardonnays oder gut gekühlten Champagners stundenlang schwelgen.
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Französische Qualitätsware aus Guilvinec in der Bretagne
Guilvinec ist der berühmteste Fischereihafen an der bretonischen Südwestküste für die Fischerei in der Bretagne. Aus diesem Port stammt der größte Teil der handwerklich gefangenen französischen Qualitätsware. In der Fischauktionshalle, Criée genannt, werden knapp 300000 Tonnen im Jahr umgeschlagen. Das Quartier beherbergt außerdem eine Erlebniswelt, in der detailreich alle Fragen zum Fischfang von Finistère beantwortet werden. Sogar die knochenharte Arbeit auf dem Trawler "Bara Breizh" lässt sich live auf dem Bildschirm verfolgen. Im Eintritt enthalten ist die Möglichkeit, der Versteigerung beizuwohnen. Doch zunächst gilt es, die Anlandung des frischen Fangs zu verfolgen.
Gegen 16 Uhr laufen die ersten Kutter ein. Kräne hieven die großen Fänge an Land, die kleinen werden, bereits an Bord in gelbe Kisten sortiert, von Mann zu Mann bis zum Gabelstapler weitergereicht. Gefischt wird je nach Saison und Quote, in Sommer und Herbst beispielsweise Seeteufel, Rotbarsch und Saint-Pierre, im Frühjahr auch Steinbutt, Seehecht und Kabeljau. Übers Jahr landen rund 30 Arten im Hafen, auch Taschenkrebse, Seespinnen und Jakobsmuscheln. Manche Fische wechseln zwischen Auktion und Vertrieb den Namen: Der Seeteufel heißt als komplettes Tier Baudroie, während das Schwanzstück als Lotte gehandelt wird.
In der Auktionshalle fletscht das Tier noch die spitzen Zähne in seinem großen Maul – respekteinflößend. 137 Einkäufer sind für die Versteigerung registriert. Nach Begutachtung der Fänge aus der Fischerei in der Bretagne auf dem Laufband wird es spannend. Auf der Digitalanzeige erscheinen die einzelnen Partien mit Nummer, Beschreibung und Menge. Der Auktionator setzt den Anfangspreis fest, der dann er im Sekundentakt sinkt. Der Mareyeur muss blitzschnell entscheiden, wann sein Daumen den roten Knopf auf dem Handgerät drückt. Ist er zu langsam, schnappt ihm ein Konkurrent die gewünschte Partie mit Fisch oder Krustentieren weg.
Apropos Krustentiere: Im "Café du Port" in Sainte-Marine dürfte dem Aficionado angesichts der dortigen Meeresfrüchteplatte das Herz aufgehen. Austern, Seespinnen, Seeigel, Kaisergranat, Garnelen und Taschenkrebs schmecken so frisch und fein, wie sie aussehen. Denn örtliche Gastronomen haben eine Qualitätsrichtlinie verfasst: Tiefgefrorenes ist tabu. Das Aufbrechen und Auspulen ist knifflig. Die Hände kleben, und man muss aufpassen, sich an den scharfen Schalen nicht zu ritzen. Aber der Aufwand lohnt sich: Das zart-saftige Fleisch der Meeresfrüchte schmeckt himmlisch. Die Bretonen sind zu Recht stolz auf ihre Fischerei in der Bretagne.