Ardèche und Cevennen – eine junge Weinszene in Südfrankreich

Ardèche und Cevennen – eine junge Weinszene in Südfrankreich

Wegen ihrer Abgeschiedenheit waren Ardèche und Cevennen in Südfrankreich schon immer ein Anziehungspunkt für Um- und Aussteiger. So hat sich hier eine junge, selbstbewusste Weinszene etabliert, die den großen Appellationen der Rhône genussfreudige Konkurrenz macht
Datum12.03.2022

Mas Seren

Erst kurz vor der Weinlese war der Umzug ins neue Domizil geschafft. Jetzt empfängt die Winzerin Emmanuelle Schoch ihre Besucher in einem alten Gutshof im schlichten Stil der Cevennen in Massillargues-Attuech bei Anduze im Tal des Gardon. Solche Höfe heißen im französischen Süden „Mas“ und deshalb trägt Schochs Weingut den Namen Mas Seren.
Die flachen Weingärten ringsum gehören nicht zu ihrem Besitz. Denn Schochs Reben befinden sich etwa zwanzig Kilometer entfernt auf 300 Meter Höhe direkt im Cevennen-Nationalpark, der auch als „Sternenpark“ unter Hobbyastronomen bekannt ist. Madame Emmanuelle liebt den nächtlichen Himmel ihrer Heimat und hat ihre Weine – Cuvées von höchstens zwei Rebsorten – deshalb nach Sternen und Sternsystemen benannt. So ist „Etamin“ etwa eine frische, dennoch recht körperreiche Komposition aus Roussanne und Grenache Blanc, den weißen Traditionssorten des Südens. „Lilith“ hingegen kommt als seidige, harmonisch schmeckende Cuvée von Grenache und Cinsault ins Glas.
 
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Der Charakter des Terroirs

Die Ausläufer der Cevennen und der  Ardèche-Berge, der südlichste Teil des französischen Zentralmassivs, sind bekannt für ihre Abgeschiedenheit. Der Trubel des industrialisierten Rhônetals und die hohen Preise für landwirtschaftliche Flächen sind hier weit weg. Schon immer galt die Gegend als idealer Ort für Um- und Aussteiger. Unter ihnen finden sich auch viele Weinmacher so wie Emmanuelle Schoch, die aus einer Lyoneser Familie stammt, aber keine Lust aufs Stadtleben hatte. Nach 15 Jahren als önologische Beraterin gründete sie im Jahr 2009 ihre eigene Domäne, und zwar hier in diesem versteckten Tal. Wie viele Neugründer der Region hat auch sie sich konsequent dem Ökoweinbau verschrieben. Sie setzt nicht nur auf eine besonders schonende, technikarme Weinbereitung. Sondern auch auf den Einsatz eines Arbeitspferdes, um ihre Böden zu schonen. Von allem, was den Charakter des Terroirs verfälschen könnte, will sie nichts wissen. „Man muss die Steine herausschmecken“, sagt Schoch.

Kieselsteine für zunehmend wuchtigere Weine

Von den Steinen gibt es in den Cevennen wahrlich genug. Sie zwingen die Reben dazu, tief zu wurzeln. Die Weine von Mas Seren erhalten dadurch eine unverkennbare Textur: griffig, straff, charaktervoll. Neben Terroir ist „Fraîcheur“ das Zauberwort vieler Winzer in den Departements Ardèche, Gard und Vaucluse. Sie reagieren damit auf die steigende Nachfrage nach filigranen und fruchtbetonten Weinen, die moderat im Alkohol, mit wahrnehmbarer Säure und nicht überextrahiert ins Glas kommen. Sie sollen durch ihre Feinheit überzeugen. In Zeiten des Klimawandels erfordert dieser Typus nicht nur eine besonders sorgfältige Arbeit in Weinberg und Keller, sondern auch ein Umdenken bei Rebsorten und Weinlagen. Denn je wärmer es wird, desto schwieriger wird es, diesen Stil zu erzielen. In sehr heißen Rhône-Appellationen wie Châteauneuf-du-Pape geben die Kieselsteine auch nachts ihre Wärme ab und sorgen für zunehmend wuchtigere Weine. Deswegen treibt es immer mehr Winzer in hohe, oft extrem karge Lagen. Dort kann es im Sommer zwar tagsüber auch sehr heiß werden, doch es kühlt nachts ab, wenn die Winde von den Bergen ins Tal wehen. Das erhält die Säure in den Beeren und damit die späteren Weine frisch. Auch die Tradition der Assemblage unterschiedlichster Rebsorten erweist sich als Vorteil, wenn es gilt, ausgewogene Weine zu produzieren und unterschiedliche Reifegrade elegant auszutarieren.

Mein Vater hätte mich enterbt

Einst war der Gemischte Satz ein Sammelsurium unterschiedlichster Rebsorten im Weinberg, eine natürliche Versicherung gegen Ertragsausfälle und Qualitätsschwankungen. Auch die Schwestern Elisabeth und Marie-Laurence Saladin setzen auf diese Praxis. Die beiden führen ein Öko-Weingut in Saint-Marcel-d’Ardèche, dessen Historie bis ins Jahr 1422 zurückreicht. Der Vater kehrte der konventionellen Bewirtschaftung bereits vor 70 Jahren den Rücken. Selbst der Boom stark holzbetonter Weine ist spurlos an dem Gut vorübergegangen. „Mein Vater hätte mich enterbt, wenn ich Barriques angeschafft hätte“, sagt die Winzerin und schöpft ein Glas Weißwein des aktuellen Jahrgangs aus einem in den Boden eingelassenen Beton-Tank. Frucht, Frische und Grip bestimmen ihre Erzeugnisse.

Anpassung an einen speziellen Boden

Unter ihren sieben Kreationen entstehen zwei im natürlichen gemischten Satz: „Per El“ aus sechs weißen Sorten (Marsanne, Bourboulenc, Viognier, Clairette, Roussanne und Grenache Blanc) sowie „Paul“ aus Grenache Noir und Cinsault. Sie kultivieren die beiden roten Rebsorten nach dem Prinzip der „Sélection massale“. Dabei werden von besonders gesunden Rebstöcken im Weinberg Reiser geschnitten und auf Unterlagsreben gepfropft. Mit ihnen werden abgängige Rebstöcke ersetzt und ein Weinberg aus sich selbst heraus immer wieder erneuert. Auch dies ist eine Methode der fortwährenden Anpassung an einen speziellen Boden und sein Mikroklima.
 
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Aromatische Dichte

Etwa vierzig Kilometer östlich von Mas Seren in Saint-Quentin-la-Poterie nahe dem reizenden Provinzstädtchen Uzès mit seinem markanten Schloss, trifft man auf Serge Scherrer. Auch er ist Quereinsteiger. Bevor er hier seine Domaine Agarrus gründete, war Serge Postbote, zunächst in seiner elsässischen Heimat, dann im Midi. Er ist ein vielseitiger, experimentierfreudiger Mann mit Bodenhaftung. Er strebt keine großen Ehren an, wolle eigentlich nur Trinkweine machen – „Vins glou glou“, wie er sie nennt. Doch da stapelt der sympathische Landwirt ziemlich tief, denn sein verführerisch nach Aprikose und Marzipan duftender Roussanne „Les Passages“ ist alles andere als ein Schoppenwein. Sein Roter „Les Toiles“, der vor allem aus Grenache und Syrah bereitet ist, zeigt, was die noch junge Appellation Duché d’Usèz zu bieten hat: aromatische Dichte verbunden mit Frische und Trinkfluss.

Das Flaggschiff dieser Gegend

Noch ein paar Kilometer weiter Richtung Rhônetal schmiegt sich die Domäne Réméjeanne bei Sabran in eine liebliche Landschaft aus Weingärten, Olivenhainen und niedrigen Eichenwäldern mit Blick auf den fast 2000 Meter hohen Mont Ventoux. Réméjeanne ist so etwas wie das Flaggschiff dieser Gegend: ein professionell geführter ökologischer Traditionsbetrieb, in dem Olivier Klein das Sagen hat. Der Mittdreißiger sorgt für größtmögliche Biodiversität in seinen Weinbergen. Im Keller fühlt sich der junge Winzer frei, auszuprobieren, was seinen Weinen gut steht: Beton, Edelstahl, Holzfässer verschiedener Größe. Am eindrucksvollsten geraten ihm die Roten Côtes-du-Rhône-Villages-Weine: körperreiche, wuchtige und dennoch differenzierte Syrah oder traditionelle Verschnitte aus Grenache und Syrah, die wie viele Nobelcuvées aus Châteauneuf-du-Pape jung getrunken werden können und dabei bei deutlich räsonableren Preisen auch Reifepotenzial besitzen.
Damit die Trauben nicht zu viel Hitze abbekommen, vertraut er auf die uralte Gobelet-Erziehung, bei der die Rebstöcke eine Art Busch bilden und die Blätter die Trauben beschatten können. „Die Grenache ist der König“, sagt Olivier, der so lange wie möglich auf die eingeführten Rebsorten setzen will.
 
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An Selbstbewusstsein mangelt es nicht

Wieder einen anderen Weg gehen die beiden Weinbau-Pioniere Elise Salel und Benoît Renaud im Herzen der Cévennes-Ardèchoises. Sie setzen auf die Kultivierung heute unbekannter alter, autochthoner Rebsorten wie Chatus, Dureza, Chichaud, Pougnet auf der roten oder Picardan, Raisaine und Bonne Vituaigne auf der weißen Seite. „Wir sind überzeugt, dass sich hier in der Ardèche die Terroirs von morgen finden. Sie haben alle Voraussetzungen, um große Weine zu produzieren“, sagt Renaud. So viel ist sicher: An Selbstbewusstsein mangelt es den Winzerinnen und Winzern im französischen Süden nicht – zum Glück!

DAS RHÔNETAL

Das Anbaugebiet Rhône besteht aus zwei sehr unterschiedlichen Abschnitten, die sogenannte nördliche und südliche Rhône. Der Norden ist das unangefochtene Reich reinsortiger strenger Syrah, während im Süden die Grenache dominiert, oft mit anderen Rebsorten cuvéetiert. Das Anbaugebiet hat absoluten Kultfaktor, nicht zuletzt aufgrund weltbekannter Appellationen wie Châteauneuf-du-Pape und Legenden wie Michel Chapoutier, der Domaine Guigal oder der Domaine Jamet.

REISE-TIPPS ZUR REGION

UZÈS
Bezauberndes Städtchen unweit von Nîmes und dem berühmten Pont du Gard. Besonders lohnt sich der Besuch am Mittwoch: Der Wochenmarkt auf der Place aux Herbes hat alles, was die Region zu bieten hat. Im Winter ist Uzès auch ein Zentrum von Spezialitäten der schwarzen Trüffeln.
 
TERROIR CÉVENNES, THOIRAS
Sehr gut sortierter Laden mit Produkten lokaler und regionaler Erzeuger der Cevennen. Hier gibt es unter anderem Pelardon, den pikanten Ziegenkäse der Region in allen Reifestufen. Daneben sollte man auch den Blütenhonig von den Lavendelfeldern oder den mit Kastanien bewachsenen Hängen des schroffen Mittelgebirges probieren, sowie andere Maroni-Produkte. Sie waren einst als „Brot des armen Mannes“ ein Grundnahrungsmittel der ländlichen Bevölkerung. www.terroircevennes.fr
 
LE MOULIN D’UZÈS
Olivenölkooperative vor den Toren von Uzès. Besonders das außerhalb Frankreichs schwer erhältliche Olivenöl der AOP Nîmes lohnt sich! www.lemoulinduzes.com
 
LES SAVEURS D’UZÈS
Bekannte, ökologisch zertifizierte Manufaktur für „Brandade de Morue“, die traditionellen Stockfischpaste. Nordeuropäische Händler tauschten einst Stockfisch gegen Meersalz aus dem Süden Frankreichs, etwa der Camargue. Daraus bereiteten die Franzosen eine Spezialität, die bis heute aus der Küche der Region nicht wegzudenken ist. www.lessaveursduzes.fr
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