Neu getestet: Überfahrt

Wohl keine Eröffnung wurde in Deutschland zuletzt mit so viel Spannung erwartet wie das Comeback des Gourmetrestaurants im Seehotel Überfahrt der Althoff-Gruppe. Nachdem sich die Wege von Christian Jürgens und dem Haus im Mai 2023 trennten, hatte man hier mit Pop-ups überbrückt. Nun stehen die Zeichen wieder auf Spitzenküche! Cornelia Fischer heißt das neue Talent am Tegernsee – ein Homecoming für die gebürtige Unterfränkin. Von 2015 bis 2018 war sie als Pâtissière im Team der „Überfahrt“, es folgte eine Station bei Andreas Caminada in der Schweiz; danach machte sich die heute 39-Jährige im „Weinstock“ in Volkach rasch einen Namen.

Im auch optisch aufgefrischten Restaurant können die Gäste zwischen zwei Menüs (eines vegetarisch) sowie à la carte wählen. Cornelia Fischer, die mit Landwirtschaft aufwuchs, hat große Nähe zu den Produkten und setzt Schwerpunkte in der Region. Ab nächstem Jahr will sie selbst Gemüse und Kräuter ziehen, um so den Erntezeitpunkt steuern zu können. Dogmatismus aber ist ihr fremd, es darf auch mal Kaisergranat oder Wagyu sein. Gleich zu Beginn zeigt sie, wie man alles vom Kaninchen genussvoll verwertet: Die Rolle aus gebeiztem Rücken füllt sie mit Leber und Vorderläufen, fermentierte rote Zwiebeln und Specksud runden das Gericht ab. Sanft gegarten fränkischen Stör begleiten Ossietra-Kaviar und Fenchel als Püree, Salat und mariniert; Verjus bringt fruchtige Säure in die Sauce. Zur Keule vom Perlhuhn mit kräftig einreduzierter eigener Jus passen geröstete Karotte und eine Praline von Polenta und Bergkäse.

Eine facettenreiche Küche mit ganz eigenem, feinsinnig-herzhaftem Unterton, die viel Potenzial aufzeigt, nicht zuletzt bei den Saucen. Schöne Idee: Viele Gänge haben ihr eigenes Amuse-Bouche, das einzelne Produkte in anderer Interpretation vorwegnimmt und das Aromenprofil vielseitig auffächert: Der Stör wird durch sein Tatar mit Fenchelpesto eingeführt, das Perlhuhn durch eine geröstete Innereien-Schnitte. Ein Gewinn ist auch die Rückkehr von Sommelière Marie Christin Baunach. Ihre rund 700 Positionen umfassende Weinkarte setzt Schwerpunkte in Deutschland und Frankreich (Burgund, Rhône). Die Pairings sind stets inspiriert, gerne auch mutig wie die 1992er Riesling Auslese Oestricher Doosberg von Wegeler zum vegetarischen Gang aus Zwiebel, geräucherter Kartoffel und Pilzen – ein perfektes Match! Wer die Restaurantleitung übernimmt, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest. Sicher aber ist schon jetzt: Von der neuen „Überfahrt“ wird man noch viel hören!

FAZIT: Rundum geglückter Neustart mit talentierter Küchenchefin.