Vegane Fleischerei: Tradition trifft Innovation
Eine Auslage mit Wurst, Steaks, Braten und Feinkostsalaten, dahinter weiße Fliesen und schwarze Wände, auf der Arbeitsplatte eine Aufschnittmaschine. „Ein Leberkäsebrötchen bitte!“, gibt eine Kundin ihre Bestellung auf. Gleichzeitig ruft ein Mitarbeiter: „Pastrami-Sandwich und Currywurst sind fertig.“ Hier sieht es auf den ersten Blick aus wie in einer klassischen Metzgerei – dabei hell und modern. Lediglich die kleinen Schilder mit den Kilo- oder Stückpreisen verraten durch den Zusatz „kein“ oder „keine“, dass es sich nicht wirklich um Fleisch handelt. Denn „kein Schinkenspeck“ und „keine Leberwurst“ kommen in der Veganen Fleischerei in Hamburg ganz ohne tierische Zutaten aus – sehen dem Original aber zum Verwechseln ähnlich.
Vegane Fleischerei in Hamburg
Filialleiter Benjamin Amshoff ist besonders stolz auf die regionale Spezialität: „Im Norden musste ein Backfischbrötchen her!“, sagt er selbstsicher. Seinen Job als Ingenieur hat der 36-Jährige gekündigt und steht jetzt hinter der Theke, berät Kunden bei der Auswahl, bietet ihnen „keine Salami“ an und reicht kleine Käsestücke über die Auslage. Was Anfang 2023 in Dresden als Herzensprojekt der vier Freunde Nils Steiger, Andreas Henning, Stefan Meyer-Götz und Daniel Quis begann, hat sich zu einer beeindruckenden Erfolgsgeschichte entwickelt. Ende 2024 eröffnete die Vegane Fleischerei mit der Filiale im Hamburger Stadtteil Hoheluft-West den fünften Standort in Deutschland.
Sauerbraten wie von Oma
Die große Auswahl an veganen Spezialitäten gibt es außerdem in Berlin, München und Augsburg. Unter dem Motto „Friends not food“ wollten Gründer Nils Steiger und sein Team eine Lösung finden, um die Geschmackserlebnisse von früher wieder aufleben zu lassen – nur eben ohne Rinder, Schweine und Hühner. Ihr Ziel war es, einen Ort zu schaffen, der Emotionen weckt: „Wenn ich an Sauerbraten denke, kommen Erinnerungen an meine Oma hoch, wie sie ihn zu Weihnachten serviert hat“, sagt Steiger. Die Produkte erinnern daher bewusst an traditionelle Fleischwaren. „Wir wollen die Leute nicht zu etwas bekehren. Die größte Schnittmenge ist der Geschmack, und wenn der stimmt, kommen die Kunden wieder. Und das tun sie“, bestätigt der 29-Jährige.
Lebensmitteltechnologie trifft traditionelles Handwerk
Doch wie entstehen diese Produkte? Modernste Lebensmitteltechnologie und traditionelles Handwerk bilden die Basis. In der zentralen Produktionsstätte in Dresden werden Proteine aus Weizen, Soja oder Erbsen verarbeitet. „Wir produzieren nach wie vor handwerklich und nicht industriell. Wir verwenden nur etwas größere Töpfe und Pfannen“, sagt Steiger. Koch und Gründungsmitglied Andreas Henning betreibt in Dresden das vegane Restaurant „Steffenhagen“ mit typischer Hausmannskost. Er bringt langjährige Erfahrung mit Fleischalternativen mit.
Kleine Zutatenliste, hohe Qualität
Statt Rind für das Steak wird hochwertiges Soja aus Österreich verwendet, den Weizen für die Produkte, die an Braten, Chorizo oder Salami erinnern, bezieht die Vegane Fleischerei von der Dresdner Mühle. „Keine Bratwurst“ besteht zum größten Teil aus Erbseneiweiß und Sonnenblumenkernmehl. Sie haben diesen knackigen Biss und würzigen Geschmack, der sofort an das tierische Pendant erinnert. Für solche Innovationen wurden auch Lebensmitteltechnologen eingestellt. „Wir versuchen die Zutatenliste so kurz wie möglich zu halten“, sagt Steiger.
Wie die Metzgerei von nebenan
Neben dem klassischen Sortiment gibt es in jeder Filiale regionale Bezüge. „Wir haben rund 90 Produkte im Angebot. Nur ein Drittel davon ist online erhältlich. Wir wollen den Menschen vor Ort ein Erlebnis bieten. Der Fleischer um die Ecke verkauft ja auch lokale Produkte“, sagt Steiger. In München und Augsburg setzen sie auf Weißwürste, in Dresden laufen die Thüringer Bratwürste am besten, in Berlin sind es die Buletten. Überzeugen wollen sie vor allem auch Menschen, die sich nicht primär vegan ernähren – und das über den Geschmack. Die Vision der Veganen Fleischerei ist ambitioniert: „Jeder Kassenzettel ist ein Stimmzettel für weniger Tierleid und mehr Nachhaltigkeit“, sagt Steiger. Das Ziel? „Kühlschränke ein bisschen veganer zu machen.“
Geschmackstest bestanden
Vor der Tür der Veganen Fleischerei in Hamburg steht eine Frau und beißt beherzt in ihr Leberkäsebrötchen mit Senf. Sie schaut ihre Begleitung fast schon irritiert an: „Das schmeckt genau so, wie ich es in Erinnerung habe!“ Ein älterer Herr betritt den Laden, probiert skeptisch ein paar Spezialitäten und bestellt auf Empfehlung von Benjamin Amshoff ein Pastrami-Sandwich. Sein zustimmendes Nicken ist die beste Bestätigung.