Herbert Knaup: Wein macht Menschen offener und interessanter!
Gabriele Heins: Herr Knaup, Sie kommen aus einer künstlerischen Familie, es wurde viel musiziert. Aber Sie sind Schauspieler ...
Herbert Knaup: Mein Vater war Schlosser, sang aber aus dem Stand Operetten. Meine Mutter stammt aus den Alpen, konnte jodeln undKoloraturen darbieten. Zu Hause wurde immer Musik gemacht, wenn der Wind schief stand, konnte man sich so über Lieder retten. Ich singe auch gut, aber die Schauspielerei war dann doch die größere Herausforderung für mich.
Wurde im Hause Knaup auch gut gegessen und getrunken?
Ich komme aus dem Allgäu, da gab es rustikale Kost und viel Bier. Wein nannte man „Sauerlumpen“. Und es wurde viel geraucht. Als Junge saß ich im Auto immer neben meinem Vater und musste ihm seine Zigaretten anzünden. Dabei hat sich niemand etwas gedacht. Unsere Autofahrten fanden immer in einer Rauchwolke statt.
Wann kam Ihre Erleuchtung in Sachen Wein und Kulinarik?
Meine Eltern wollten, dass jeder von uns vier Kindern einen ordentlichen Beruf erlernt, und bei meinem Bruder war das eben Kellner. Er arbeitete in Luxusrestaurants in Zürich und St. Moritz, bediente den Schah von Persien. Und als ich dort auch mal saß, war ich, der Junge aus Sonthofen, plötzlich mit 16 verschiedenen Gabeln, Messern und Tellern konfrontiert. Als junger Künstler habe ich noch cool Bier getrunken, bis ich dann in Basel mein erstes Theaterengagement hatte, mit großen Rollen wie Torquato Tasso und Don Carlos. Abends trafen sich alle Schauspieler in einem Bistro hinter dem Tinguely-Brunnen, wir tranken Fendant, Sancerre und Chablis. Zur Erholung, zum Runterkommen. Das waren die 80er-Jahre, eine hedonistische Zeit. Vor dem Mauerfall wurde noch einmal aufgedreht.
Und Sie sind beim Wein geblieben ...
Ja, ich bin kein Biertrinker mehr. Bier empfinde ich nicht als Genuss-Getränk, der Hopfen macht mich schnell dumpf und satt und sediert.
Was macht Wein im Gegensatz dazu?
Wein ist anregend und animierend, wenn man ihn gut dosiert. Wein macht, im Gegensatz zu Bier, Menschen offener und interessanter, die Abende schöner und inspirierter. Er lockert die Zunge. Ich liebe den Weingenuss.
Gehen Sie nach Drehschluss mit Kollegen essen und trinken?
Nein, wenn ich drehe, bleibe ich klar und konzentriert. Einmal habe ich allerdings mit Götz George eine Flasche Wein geleert, und er hat mir viel aus seinem Leben erzählt. Ich werde auch nie vergessen, dass ich ihn Jahre früher im Fahrstuhl traf. Da war ich noch ein No-Name, auf dem Weg zur Preisverleihung für „Die Sieger“. Plötzlich erschreckte ich und rief: „Ich habe meine Fliege vergessen!“ Daraufhin nahm er seine ab und gab sie mir.
Sie haben ja einige Preise bekommen. Feiern Sie die auch mit einem besonderen Wein oder Champagner?
Natürlich bekommt man immer mal wieder Wein geschenkt, aber sich selbst feiern, nein, das bin ich nicht, ich feier das Leben. Neulich habe ich zu Hause einen geschenkten Wein aufgemacht, einen Mouton Rotschild. Der war eine Sensation. Man muss einfach alles jetzt genießen. Dieses Aufbewahren macht doch keinen Sinn.
Was ist Ihr schönster Wein-Moment?
Ich habe so einen kleinen Weinkeller, nein, es ist eher ein Regal. Wenn ich den Tag über gearbeitet habe, die Stimmung gut ist, mit meiner Frau zusammen oder auch allein, suche ich gern eine gute Flasche aus. Das ist etwas Besonderes, wenn der Wein eine Energie und Kraft hat, die Fantasie und die Gedanken kreiseln lässt. Ich mag charakterstarke Weine, die etwas widerborstig sind, etwa einen Antinori aus der Toskana oder auch elegante Spätburgunder. Mit Ulrich Tukur habe ich auch mal einen Amarone getrunken, den er ja liebt, aber mir ist der einfach zu süß. Da greife ich lieber zu Barolo oder Brunello. Es gibt so viele tolle Weine und Weingüter, das ist ja unglaublich. Auch die Spanier mag ich sehr.
„Man muss einfach alles jetzt genießen. Das Aufbewahren macht doch keinen Sinn.“
- Herbert Knaup
Was war das letzte beeindruckende Erlebnis?
Ich hatte das große Glück, in Barcelona einen Zweiteiler fürs ZDF zu drehen: „Hotel Barcelona“. Dabei ging es um einen Familienbetrieb, der sich gegen die Übernahme von „Heuschrecken“ wehrt. Über die Filmcrew konnte ich zweimal Plätze für das Kult-Restaurant „Disfrutar“ ergattern, für ein Essen ist dafür extra meine Frau aus Berlin angereist.
Das ist genial.
Ja, normalerweise ist das Restaurant Monate im Voraus ausgebucht. Und dann saß ich bei 28 Gängen in dieser Megaküche, in der etwa 25 Köche arbeiten. Zusammen mit der Weinbegleitung war das ein unglaubliches Erlebnis.
Wie bringen Sie dieses Erlebnis auf den Punkt?
Es war ein Fest. Eine kulinarische Dauer-Überraschung, die auch etwas Provokantes hatte in dem Prinzip der Täuschung. Nach dem Motto: Trau nicht dem, was Du siehst, sondern probier es. Ein Gericht sieht etwa aus wie ein Pulpo, schmeckt aber nach Mango. Oder Du nimmst ein dünnes Blatt in den Mund – und es schmeckt wie ein Pilzrisotto. Das Essen war ein einziges Abenteuer. Sie haben sich hier in Berlin das „Cassambalis“ als Treffpunkt gewünscht.
Was gefällt Ihnen an dem Lokal?
Es ist so schön luftig, es ist nicht laut, man kann sich gut unterhalten, und es ist nicht eng. Enge halte ich nicht aus. Ich kenne die Besitzer schon lange, ich mag die mediterrane Küche, die Kunst an den Wänden und die Weine.
Sie sind also ein unkomplizierter Gast?
Durchaus. Es gibt ja Leute, die immer sagen müssen, was ihnen nicht schmeckt. Aber ich bin kein Nörgler, das finde ich schlimm. Ich respektiere es immer, wenn sich jemand bemüht, und bin grundsätzlich eher dankbar.
Kochen Sie auch selbst?
Und ob, meine Frau und ich wechseln uns ab, weil wir auch unseren 15-jährigen Sohn bekochen. Wir wollen nicht, dass er Fastfood isst, wenn er aus der Schule kommt. Dann sitzen wir zusammen und reden, bevor er in sein Zimmer geht und chattet. Die Jugendlichen treffen sich ja gar nicht mehr draußen, sondern vor allem virtuell. Das Essen ist dann ein wichtiger gemeinsamer Punkt. Grundsätzlich koche ich unheimlich gern. Wie sich die Zutaten verwandeln, diese Metamorphose der Zutaten – das fasziniert mich.
Gibt es so ein Paradegericht von Herbert Knaup?
Oh ja: Hühnchen mit Datteln und Kapern mit orientalischen Gewürzen nach einem Rezept von Yotam Ottolenghi, seine Küche liebe ich derzeit sehr. Früher habe ich auch viel nach Jamie Oliver gekocht, aber auch ganz frei, dann gibt es oft Gemüse, gern auch mit einem Bio-Huhn. Fleisch essen wir immer weniger.
Gibt es ein guilty pleasure?
Eigentlich nur, dass ich rechtzeitig aufhören muss, zu essen. Das fällt mir manchmal schwer, wenn es gut schmeckt.
Sie lieben Wein, aber würden Sie sich auch als Weinkenner bezeichnen?
Ich war schon bei vielen Weinverkostungen eingeladen, aber ich höre vor allem zu, wenn sich Profis austauschen. Ich habe das Glück, Freunde zu haben, die gern gut essen gehen, in die besten Restaurants mit tollen Weinen. Ich weiß die Namen leider alle nicht mehr. Natürlich kostet das auch etwas. Aber es ist ein Geschenk, wenn die Sommeliers den genau passenden Wein zum Essen einschenken.
Was wäre denn Ihr Traummenü?
Die würde wahrscheinlich aus Weinen bestehen, und zwar denen, die ich neulich probieren durfte. Ein Freund von mir lud zehn Gäste zu zehn Weinen nach Unterammergau ein. Ich habe es mir für Sie aufgeschrieben: Silex von der Loire, Montrachet und Musigny aus dem Burgund, Penfolds Grange aus Australien, Vega Sicilia aus Spanien, Sassicaia aus der Toskana. Alles Kultweine, die wir in Ruhe probiert und besprochen haben, jeder hat seine Eindrücke beschrieben. Das war großartig.
Wie fühlt man sich nach so einer Weinprobe, bei der nur Kultweine ausgeschenkt werden?
Glücklich. Man spürt, wie besonders diese Weine sind, was sie für einen eigenen Charakter und Geist haben, die in einem selbst wirken. Es war auch aufregend und lehrreich, denn zu allen Weinen wurden die Hintergründe erklärt.
Und man muss natürlich Maß halten, um es bis zum Schluss bewusst zu genießen. Apropos: Ist es eigentlich schwer, einen Betrunkenen zu spielen?
Man muss es gedanklich umdrehen. Betrunkene wollen nicht auffallen und geben sich Mühe, nüchtern zu wirken. Also muss man einen Betrunkenen spielen, der sich zusammenreißt.
Herbert Knaup: Privatleben und Filme
Alter: 67 Jahre
Stationen: Geboren im Allgäu, macht er seine Schauspielausbildung an der renommierten Otto-Falckenberg-Schule in München. Er hat in vielen Theaterstücken und vor allem Filmen mitgespielt, etwa „Die Sieger“, „Lola rennt“, „Kluftinger“, und wurde vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Deutschen Filmpreis und der Goldenen Kamera. Bei den Feinschmecker WINE AWARDS am 9.11.2024 in Hamburg wird er als „Weingourmet 2024“ geehrt.
Privatleben: Herbert Knaup lebt mit seiner Frau und dem gemeinsamen Sohn in Berlin. Er organisiert und kuratiert Kunstausstellungen und spielt fünf Instrumente.
Lieblingsrollen von Herbert Knaup:
- Toter Winkel (2017)
Knaup spielt den Friseur Karl Holzer, der in einen rechtsextremen Zusammenhang gerät (mit Johanna Gastdorf). - Glückskind (2014)
Im Film von Michael Verhoeven ist er ein verarmter Buchhalter. - Puppenspieler (2017)
In dem Historienfilm nach einem Roman von Tanja Kinkel brilliert Knaup als Jakob Fugger.