Patricks Fundstücke – Quartalsbericht

Patricks Fundstücke – Quartalsbericht

Patrick Bauer ist im FEINSCHMECKER-Team der Mann für alle Weinfragen. Er verkostet auf Reisen, bei Winzern und Events und probiert, was Winzer aus aller Welt ihm zur Begutachtung schicken. Hier stellt er fortan seine Highlights des Quartals vor.
Datum13.08.2020

Das mit dem Wein ist so eine Sache in unserer Profession. Weinjournalisten, Sommerliers und Händler sind fortwährend auf Veranstaltungen, Events und Messen und verkosten Weine, besonders gern vormittags, wenn der Gaumen frisch ist. Da landen im Jahr ein paar Hundert Weine im Mund, die natürlich wieder ausgespuckt werden – man will schließlich am Mittag noch bei Sinnen sein. Bei so viel Wein könnte man denken, es würde eh alles zum Einheitsbrei. Ist aber nicht so. Deswegen stelle ich Ihnen in meinem Quartalsbericht jetzt immer Highlights vor, die mich unter den vielen Weinen echt beeindruckt haben.

(1-6 von links nach rechts)

1. DER OLLE CHARLES

Während der Corona-Pandemie war Verkosten schwierig, viele Menschen auf engem Raum, dazu Wein: der Alptraum aller Virologen. Beim ersten erlaubten Treffen in privater Kleinstrunde wurde diese Flasche geöffnet. Ich dachte erst, na ja, eine große Champagner-Marke mit langer Tradition, das wird keine große Überraschung. Ertappt vom Vorurteil. Ein toller Start! Das Bukett ist aromatisch und kräftig, dennoch reintönig. Gelbe Frucht, unterlegt von einer dezenten Rauchigkeit, Zitrone, Grapefruit, leichte Röstaromen, sehr komplex. Die Perlage ist superfein, dazu eine angenehme Salzigkeit. In den nächsten Monaten werden wir hoffentlich Freunde und Familie wieder öfter sehen können. Ich habe dafür ein paar Flaschen Charles bereitgestellt.

Charles Heidsieck, Champagner Brut Réserve, Bezug: www.ludwig-von-kapff.de, € 46,50

2. FERDIS BESTER BIOSTOFF

Ferdinand Boeselager, oder Ferdi, war Sommelier im „Tantris“ und im „Hoiz“ in München und arbeitet jetzt beim Berliner Händler Viniculture. Wir waren mal gemeinsam Juroren beim FEINSCHMECKER Wein Champion. Seitdem weiß ich, dass seine Tipps immer spitze sind: charaktervolle, manchmal freakige Naturweine. Diese Flasche hat mich aber wegen der Zugänglichkeit überzeugt. Ein Cuvée aus Carignan, Grenache und Syrah von der Domaine Saint Antonin. Die Reben stehen auf schieferhaltigen Lagen auf einer Hochebene im Hinterland von Beziers. Die Würzigkeit des Syrah spielt mit der kraftvollen, reifen Frucht. Alles verpackt in einem eleganten Körper mit schönem Frischekick. Das geht gut runter.

Domaine Saint Antonin, 2018 Lou Cazalet, Bezug: www.viniculture.de, € 11,60

3. WALLA WALLA, BITTE WAS?

Ich werbe immer dafür, Weine auch gegen den Jahrestrend zu trinken. Nicht jeder Sommertag hat über 30 Grad – und selbst wenn. Mit Mut zum Bruch packe ich diesen Syrah aus. Vor einiger Zeit war der Winzer selbst in Hamburg. Greg Harrington baut Wein im Walla Walla Valley in den USA an, klingt lustig, ist aber ein Anbaugebiet im Bundesstaat Washington und extrem seriöser Stoff. Die Reben stehen am Fuße der Blue Mountains, die stark von kühlen Wettereinflüssen geprägt sind. Auch der Wein ist sehr pur, exakt und frisch. Am Bukett rieche ich Waldfrüchte, Lakritze, Eukalyptus und etwas Teer. Am Gaumen schöne Kirschfrucht, Würze, Oliventapenade und Veilchen. Saftig und lang. Eine moderne, leicht irre und spannende Syrah-Interpretation.

Gramercy Cellars, Syrah Forgotten Hills 2015, Bezug: www.weinamlimit.de, € 53,90

4. ÖLIGER WEISSER BAROLO

Manchmal braucht es einfach jemanden, der mit etwas Hartnäckigkeit Weine in die Welt trägt, die man sonst vielleicht übersehen würde. So ist das mit Timorasso und Conrad Mattern. Fast verschwunden, erlebt die weiße Rebsorte aus dem Piemont aktuell eine kleine Renaissance. Wir haben uns in der Redaktion durch etliche Vertreter verkostet und können diese Perle empfehlen: Der Colli Tortonesi trumpft auf mit minziger Frische und Zitrusfrüchten. Das ist frisch, zeigt aber auch richtig viel Körper und eine ölige Textur, die den Gaumen mit seiner Frucht einnimmt. Ein Wein mit Wumms. Probieren!

La Colombera, Derthona Colli Tortonesi 2016, Bezug: www.timorasso.de, € 17

5. FEUERSTEIN IM GLAS

Es ist cool, wenn man als Journalist in Hamburg arbeitet und Winzer aus aller Welt Infos über ihre Weine, Events und Neubauten schicken. Aber wie das so ist mit der Eigenwerbung, man muss genau hinschauen. Sehr selten, aber umso spannender, wenn sich Winzer melden und Werbung für Kollegen machen. So wie hier: Klaus-Peter Keller hat mir diesen Wein ans Herz gelegt, von Jungwinzer Frank Achenbach. Der 28-Jährige hat 2019 den tollen Riesling „Porphyr“ auf die Flasche gebracht. Ein animierender, präziser und zupackender Vertreter mit feiner Säure, leicht rauchiger Note und balancierter Frucht. Ein Cool-Climate-Riesling aus dem westlichen Rheinhessen, einfach genau so, wie man ihn sich wünscht.

Weingut Achenbach, Riesling Porphyr 2019, Bezug: www.weingut-achenbach.de, € 8

6. GUTE MISCHUNG

Wein ist auch das spannendste Getränk der Welt, weil so viel Kultur und Geschichte dahintersteckt. Der Wiener Gemischte Satz ist eine Cuvée, die im Weinberg entsteht, Dutzende Sorten wachsen hier nebeneinander, werden gemeinsam gelesen und vergoren. In Wien hat das besondere Tradition. Wer dort ist, sollte sich eine Flasche dieses Weins kaufen, mit Picknickkorb in die umliegenden Weinberge wandern und ihn genießen: ein tiefes, klares Bukett mit Weinbergspfirsich, röstigen Kaffeearomen und würziger Mineralität. Wer gerade nicht in Wien ist – schmeckt auch zu Hause!

Rotes Haus, Wiener Gemischter Satz Ried Langteufel-Nussberg 2018, Bezug: www.shop.pfarrplatz.com, € 35 

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