PIWI-Wein: Die Reben der Zukunft
Das erwartet Sie hier:
Herkömmliche Weinreben werden gespritzt, sogar häufiger als jede andere Kulturpflanze. Doch der Trend geht weg vom toxischen Pflanzenschutzmittel. Die Bereitung von Naturweinen ist ein Schritt hin zu einem nachhaltigen Weinbau. Noch eine zukunftsträchtige Entwicklung sind die sogenannten PIWIs. Wir erklären, was es mit den pilzresistenten Rebsorten auf sich hat.
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Was ist ein PIWI-Wein?
Die Abkürzung PIWI steht für pilzwiderstandsfähige Rebsorten. PIWI Weine haben eine hohe Resilienz gegenüber den beiden großen Krankheitserregern im Weinberg, dem Falschen Mehltau und dem Echten Mehltau. Schädliche Pilze, die im 19. Jahrhundert mit Wildreben aus dem amerikanischen Raum nach Europa kamen und sich seither hier festgesetzt haben. Ein Befall der Blätter und Trauben kann für unangenehme Geschmacksnoten sorgen und unbehandelt erst die Ernte und langfristig die Reben zerstören.
PIWIs sind Kreuzungen von Wildreben, die eine natürliche Resistenz gegen die Erreger haben, mit hochwertigen europäischen Weinreben (Vitis Vinifera). Ihre hohe Widerstandskraft erlaubt es Winzerinnen und Winzern, bei der Bereitung von PIWI-Weinen auf Pflanzenschutzmittel weitestgehend zu verzichten.
PIWI-Züchtung: Wie wird Wein gekreuzt?
Die PIWI-Züchtung ist zeitintensiv und langwierig. Bis zur Perfektion einer Rebe braucht es rund 10.000 Kreuzungsversuche. Dabei wird jedes Mal die weibliche Blütenknospe einer Edelsorte mit den männlichen Pollen einer Wildrebsorte bestäubt.
Bis die neuen Reben erste Früchte tragen, können mehrere Jahre vergehen. Bis zur Marktreife vergehen gut und gerne weitere zwei Jahrzehnte. Die Kreuzung von Wild- und Weinreben ist zudem fehleranfällig: Geringe Erträge oder ein schlechtes Geschmacksprofil machen aufwendige Rückkreuzungen notwendig, die den Weg zur perfekten PIWI-Rebe verlängern.
Übrigens: PIWI-Weine sind nicht genmanipuliert. Auch durch genetische Veränderungen des Erbguts versucht man, gewünschte Eigenschaften wie die Resistenz gegen Pilzkrankheiten oder gegen Frost zu erreichen. Im Gegensatz dazu entstehen PIWI-Rebsorten durch die natürliche Kreuzung von Wildreben und Weinreben.
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Wo wird PIWI-Wein angebaut?
Die ersten PIWI-Weine stammen aus Frankreich, wo bereits vor etwa 150 Jahren Rebsorten mit amerikanischen Wildarten gekreuzt und in großem Ausmaß angebaut wurden. Diese ersten PIWIs verschwanden allerdings bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts nahezu vollständig, bis sich eine neue Generation Winzer:innen dem Thema nachhaltiger Weinbau annahm.
Sie begannen in den 1970er Jahren, durch Kreuzungszüchtung die resistenten Eigenschaften amerikanischer, asiatischer und russischer Wildreben mit den Geschmacksprofilen europäischer Rebsorten zu verbinden. So sind Souvignier Gris, Cabertin & Co. entstanden.
Deutschland ist führend im PIWI-Anbau
Heute ist Deutschland führend in der Züchtung der robusten PIWI-Weine. Einer der Zukunftswinzer ist Volker Maier aus Hauen-Eberstein bei Baden-Baden. Seine ersten PIWIs pflanzte er 2014 in eine gute Spätburgunderlage am Waldrand, in der gerade der gefürchtete Echte Mehltau hauste. "Der Weinberg ist sehr steil. Mit dem Traktor lässt sich da nicht gut fahren, deshalb war Pflanzenschutz immer schwierig." Fünf verschiedene rote PIWIs hat er dort gepflanzt und ist inzwischen von den neuen Trauben überzeugt. "Als Biobetrieb sind diese für uns unabdingbar. Wir sparen 75 Prozent Pflanzenschutzmittel und haben selbst in schwierigen Jahren wie 2021 Ertragssicherheit."
Ansgar Galler, gelernter Weinküfer aus der Pfalz, hat schon 2012 den ersten PIWI gepflanzt. "Damals herrschte in der Pfalz der Sauvignon-Blanc-Hype. Die Sorte ist im Anbau aber schwierig, deshalb haben wir nach einer Alternative gesucht", erzählt der Weinmacher. Cabernet Blanc öffnete ihm die Tür in die Welt der robusten Sorten, und als er sich 2015 für die Umstellung auf Bio-Anbau entschied, lag sein PIWI-Anteil schon bei 30 Prozent. "Langfristig fassen wir 100 Prozent ins Auge", erzählt Galler.
Im Gespräch mit Sommelière Katharina Matheis
Was sind die Vorteile von PIWI-Weinen?
Der größte Vorteil der PIWI-Weine liegt auf der Hand: Die Reben sind pilzwiderstandsfähig. Bis zu 80 Prozent weniger Pflanzenschutz sind zumindest theoretisch machbar, aber selbst in schlechten Jahren liegt das Einsparpotenzial über 50 Prozent, bestätigen deutsche Winzer:innen. Gerade im Hinblick auf den "European Green Deal" ist das ein überzeugendes Argument. Damit verlangt die europäische Klimapolitik, bis 2030 mindestens 50 Prozent Pflanzenschutzmittel einzusparen.
Noch ein Grund für die PIWIs: Durch Kreuzung mit europäischen Edelsorten büßen die nachhaltigen Weine nicht an Geschmack ein. Sie vereinen eine hohe Resistenz mit zugänglichen und attraktiven Aromen, die Kenner:innen von ihren Lieblingssorten gewohnt sind.
Für Verbraucher:innen sind PIWI-Weine eine gute Möglichkeit, den nachhaltigen und umweltschonenden Weinbau zu unterstützen sowie zur Erhaltung von Anbaugebieten in schwierigen Steil- und Terrassenlagen beizutragen.
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Ist PIWI-Wein wirklich nachhaltiger?
Steigende Temperaturen, Trockenheit und wochenlange Tiefausläufer stellen Winzer*innen zunehmend vor große Herausforderungen. PIWIs sind ein vielversprechender Lösungsansatz. Die neuen Weine bringen eine natürliche Resistenz mit. Das bedeutet in der Praxis: weniger Pflanzenschutz und damit auch weniger Traktorfahrten, weniger CO2, weniger Bodenverdichtung, mehr Biodiversität, mehr Nachhaltigkeit.
Beim Anbau von pilzresistenten PIWI-Weinen kommen keine oder kaum – bis zu 80 Prozent weniger – umwelt- und gesundheitsschädliche Fungizide zum Einsatz. Außerdem folgt der Anbau von PIWI-Reben häufig biologischen und biodynamischen Richtlinien. Das heißt unter anderem, auch auf Herbizide sowie Insektizide wird verzichtet und sämtliche Prozesse der Weinbereitung finden im Einklang mit der Natur statt.
Wie schmeckt PIWI-Wein?
Wer einen PIWI-Wein wie Cabernet Blanc zum ersten Mal kostet, dürfte sich an einen klassischen Sauvignon Blanc erinnert fühlen. Im Gaumen entfalten sich typische Aromen von Stachelbeere, Apfel und grüner Paprika. Überraschen können spritzig-würzige Noten, etwa von schwarzer Johannisbeere, Zitrusfrüchten und Kiwi.
Durch die Kreuzung mit einer Wildrebe verändern sich das bekannte Bouquet und der Geschmack. Doch die Ähnlichkeit zwischen den neuen PIWI-Sorten und traditionellen Spitzenweinen ist groß. In Blindverkostungen sind PIWI-Weine häufig gar nicht von den klassischen Weinen aus europäischen Rebsorten zu unterscheiden, teilweise schneiden sie sogar noch besser ab. Es gibt aber auch kritische Stimmen: PIWIs könnten mit den europäischen Spitzenweinen geschmacklich nicht mithalten.
Wer behält recht? Wir laden Sie dazu ein, sich Ihre eigene Meinung zu bilden und den PIWIs eine Chance zu geben. Die wichtigsten Rebsorten und einige hervorragende PIWI-Weine aus Deutschland stellen wir Ihnen in den nächsten Abschnitten vor.
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Die wichtigsten PIWI-Rebsorten
PIWI-Weine sind gefragt wie nie. Besonders in Deutschland hat der Anbau der robusten Reben kräftig zugenommen. Dies sind die bekanntesten PIWI-Rebsorten:
Rote PIWIs
- Cabertin: ergibt Weine mit intensiv-dunkler Farbe, in kühlen Jahren mit grüner Aromatik von Paprika, Pfeffer und Mokka, in heißen Jahren satte Beerenfrucht und dunkle Schokolade. Immer mit guter Tanninstruktur und Säuregerüst.
- Laurot: tschechische Züchtung mit herb-fruchtiger Beerenaromatik, weichen Tanninen und intensiver Farbe.
- Pinotin: weicher Pinot-Typ mit Waldfruchtaromatik, sanften Tanninen und intensiver Farbe.
- Prior: Pinot-Typ mit viel Kirschfrucht, guten Tanninen und feiner Säure. Je nach Ausbau saftig oder intensiv würzig mit intensiver Farbe.
- Satin Noir: Cabernet-Typ, zeigt Aromen von reifen, schwarzen Brombeeren und Johannisbeeren, schwarzem Pfeffer und dunkler Schokolade mit Anklängen von Zigarre, Leder und Zedernholz.
Weiße PIWIs
- Cabernet Blanc: erinnert an Sauvignon Blanc, eignet sich zum Ausbau im Barrique.
- Calardis Blanc: zurückhaltende, würzige Aromatik, feine Fruchtnoten mit toller Säurestruktur, ideal für Sekt sowie mineralische Weißweine.
- Johanniter: Burgundertyp mit fruchtigen Aromen und milder Säure.
- Muscaris: erinnert an Muskateller mit Aromen von Litschie, Honigmelone, Flieder, Holunderblüte. Perfekt für rest- und edelsüße Weine.
- Sauvignac: Sauvignon-Blanc-Typ mit Aromen von Äpfeln, Limetten und Schwarzen Johannisbeeren. Gute Säurestruktur.
- Souvignier Gris: Burgunder-Typ, zeigt Aromen von Quitte und Apfel; gute Säurestruktur, bringt stoffige, mineralische und anspruchsvolle Weine hervor, auch geeignet für Sektgrundweine.
- Solaris: intensiv duftig und fruchtig, ideal auch für Süßweine.
7 PIWI Weine aus Deutschland
- 2021 Lanz.Wein "EB" Reinsortiger Souvignier Gris aus der Einzellage Entenberg (Bodensee): Benjamin Lanz hebt seine PIWIS auf ein für Deutschland bisher unbekanntes Niveau. Direkt im Shop von Benjamin Lanz zu kaufen.
- 2021 Sauvignac trocken vom Weingut Galler (Pfalz): Exotische Frucht in der Nase, dazu Kräuternoten. Am Gaumen Würze und geradlinige Säure. Erhältlich über Weingut Galler.
- 2022 Sauvitage "Kreuzweise" vom Triebwerk/Genossenschaftskellerei Heilbronn: Unkomplizierter Trinkfluss, geschmeidig feinherb, mit prägnanten Aromen von Aprikose und gelbem Pfirsich; milde Säure. Zum Beispiel über den Weinladen Spandau zu kaufen.
- 2022 Solaris feinherb vom Weingut Schier (Mosel): Kühle Aromatik mit viel Kirschblüte, Birne und Mango in der Nase, am Gaumen animierendes Süße-Säure-Spiel und gute Struktur im Abgang. Direkt kaufen beim Weingut Schier.
- 2019 Re(d)volution trocken vom Bio-Weingut Maier (Baden): Cuvée aus fünf verschiedenen PIWIS, 30 Monate in gebrauchten Barriques ausgebaut. Immer noch jung, duftet nach Brombeere, Schwarzkirsche und Tabak. Würzig, viel Potenzial. Zu kaufen beim Weingut Maier.
- 2022 Wendehammer vom Weingut Eva Vollmer (Rheinhessen): Kühle Aromatik mit viel Kirschblüte, Birne und Mango in der Nase, am Gaumen animierendes Süße-Säure-Spiel und guter Struktur im Abgang. Erhältlich über den Shop von Eva Vollmer.
- 2021 Saphira Zukunftswein trocken vom Weingut Schönhals (Rheinhessen): Säurebetont, mit duftigen Aromen von Mango, Maracuja, Pfirsich und Zitrus. Direkt beim Weingut Schönhals kaufen.