Feinschmecker Weinguide 2024: Trends und Entwicklungen

Die besten Weingüter 2024: Trends und Entwicklungen

Der Weinjahrgang 2022 war in den deutschen Anbaugebieten herausfordernd. Umso mehr beeindrucken die besten Güter in der Verkostung für den Feinschmecker-Weinguide. Die wichtigsten Entwicklungen und Trends.
Text Katharina Matheis
Datum20.12.2023

4643 Weine, 7 Teams, 10 Verkostungstage plus Nachverkostung. Das Durchprobieren des aktuellen deutschen Weinjahrgangs gleicht für den Feinschmecker einem Marathon. Selten gibt es einen derart umfassenden, gründlichen und abwechslungsreichen Überblick über die einzelnen Regionen, ihre Weingüter und den neuen Jahrgang.

Wunderschöne Mosel: 90 Prozent der Weine hier sind Riesling

Und dieser Weinjahrgang 2022 war alles andere als einfach. Wer an den Sommer des vergangenen Jahres denkt, wird sich womöglich an die wochenlange andauernde Hitze erinnern. In vielen Orten fiel über Wochen hinweg kein Tropfen Regen. Die Dürre machte vor allem jungen Rebanlagen zu schaffen, doch selbst ältere, metertief wurzelnde Pflanzen kamen an ihre Grenzen.

Heterogene Qualität

Carine Patricio ist Sommelière und Gewinnerin internationaler Wettbewerbe

Die Lese startete ungewöhnlich früh und wurde für viele zu einem Wettlauf gegen die Zeit. Mit sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Carine Patricio zählt zu den besten deutschen Sommelièren und war auch dieses Jahr Teil des Weinguide-Teams. Ihrer Meinung nach ist es unmöglich, den Jahrgang als Ganzes zu bewerten: „Die Qualität ist sehr heterogen, weshalb man kein einheitliches Fazit für den Jahrgang 2022 ziehen kann. Es gibt Winzer, die die Herausforderungen von 2022 gut gemeistert haben, andere weniger“, sagt sie.

Hitze als Herausforderung

Nicole Retter ist Weinexpertin und Sommelière

Auch Nicole Retter sieht den Jahrgang teilweise kritisch: „Die Weine aus dem Jahrgang 2022 sind in manchen Regionen von einer leichten Bitternote gekennzeichnet, wohl der langanhaltenden Trockenheit und Hitze geschuldet”, sagt die Weinexpertin und Sommelière, ebenfalls Teil des Verkostungsteams. Bemerkenswert jedoch sei, dass die besten deutschen Weingüter es scheinbar unberührt geschafft haben, einen Topjahrgang auf die Flasche zu bringen.

Spitzenweine von Topwinzern

Blick über den Roten Hang in Nierstein

Am eindrucksvollsten demonstrieren das die Lagen-Vergleiche: gleicher Ort, gleiche Rebsorte – unterschiedliche Weingüter mit grundverschiedenen Weinen. Immer wieder zeigte sich hier, dass nicht alles am Jahrgang liegt, sondern vor allem am handwerklichen Können der Winzerinnen und Winzer. 

So haben Topwinzer wie Hans Oliver Spanier am Roten Hang, Peter Bernhard Kühn im Rheingau oder Familie Mosbacher in der Pfalz es geschafft, präzise Rieslinge auf die Flasche zu bringen, die vor Frische und Lebendigkeit strotzen. Sebastian Fürst in Franken hat einmal mehr klar strukturierte Spätburgunder auf den Markt gebracht und Friedrich Keller vom Weingut Franz Keller demonstriert, welch klare und vielschichtige Pinot-Vision er verfolgt. 

Gespür für feine Veränderungen

Die Weinlese spiegelt sich in der Qualität wider

Diese Top-Weingüter nehmen die feinste Veränderung bei ihren Weinbergen wahr, selektieren akribisch ihre Trauben und arbeiten präzise im Keller. Gerade der 5-F-Bereich, die besten Weingüter Deutschlands, lieferte auch in diesem Jahr wieder eine Qualität ab, die nachhaltig beeindruckt. Sie stehen für Stabilität und Verlässlichkeit, wenn es um die Frage nach den besten Weinen Deutschlands geht. 

Immer mehr trockene Rieslinge

Ingo Swoboda ist Weinjournalist, Buchautor und langjähriger Verkoster

Doch nicht nur die Witterung bestimmte den Jahrgang. Auch der Zeitgeist und die wirtschaftliche Nachfrage. Ingo Swoboda verkostet seit über 20 Jahren für den Feinschmecker und hat damit jeden Zeitgeist schon mal im Glas gehabt. Er beobachtet an der Mosel eine grundlegende Neuorientierung in der Stilistik. „Seit Jahren gibt es den Trend zu mehr und mehr trockenen Rieslingen an der Mosel“, sagt der Weinjournalist. 

Er persönlich bedauere diese Entwicklung: „Offenbar glauben viele, dass großer deutscher Wein trocken sein muss. Ein Irrtum: Alle historischen deutschen Weine, die weltweit Furore gemacht haben, waren mehr oder weniger restsüß“, sagt Swoboda. Er nennt die beiden Weltstars der internationalen Weinszene Egon Müller und J.J. Prüm: „Trocken ist hier Fehlanzeige.“ Swoboda vermisst bisweilen die typische Mosel-Stilistik, insbesondere auch hinsichtlich des moderaten Alkohols. 

Alkoholreiche Jahrgänge

Denn auch das zeigte die diesjährige Verkostung: Die eingereichten Proben werden immer alkoholreicher, eine weitere Auswirkung des Klimawandels. „Da haben wir uns bisweilen gefragt, wozu so ein Wein passen könnte. Nicht zum Essen, aber auch nicht zur Party“, sagt Swoboda. Gleichzeitig gibt es zahlreiche Entwicklungen, die das Team begeistert haben. Etwa die bewusste Entscheidung vieler Betriebe, den Weinen mehr Zeit zu geben, insbesondere im Lagenbereich. Selten standen so viele 2021er-Weine auf den Tischen, die sich ausgeruht und fertiger zeigten als manch jüngerer Vertreter. 

Premiumsekt liegt im Trend

Familie Raumland zeigt auch in diesem Jahr wie die Qualitätsspitze beim deutschen Sekt aussieht

Ein anderer Trend kam mit 3,5 Bar Druck auf die Verkostungstische. Die Entwicklung des Premiumsektes in ganz Deutschland ist unverkennbar. Angespornt von Flaggschiffen wie Volker Raumland in Rheinhessen, Niko Brandner mit Griesel & Compagnie an der Hessischen Bergstraße oder Mark Barth im Rheingau gehen immer mehr Stillweinwinzer in die Qualitätsoffensive beim Schaumwein. Sie bauen Grundweine speziell für die zweite Gärung aus und gönnen den Sekten ein langes Hefelager. Diese Entwicklung entfaltet sich naturgemäß langsam,  da es durch die teils jahrelange Reifezeit einfach dauert, bis eine neue Idee auf den Markt kommt. 

Das zeigt beispielsweise das Sektgut Christmann & Kauffmann aus der Pfalz, eine Kooperation des Weinguts Christmann mit dem begnadeten Sektmacher Mathieu Kauffmann. Vor bereits sechs Jahren gegründet, kommen heute ihre terroirgeprägten Cuvées in den Verkauf, die zeigen, wie die schäumende Qualitätsspitze schmeckt. 

Ökologisch als neuer Standard

Kristine Bäder ist Weinautorin und langjährige Verkosterin

Ob sprudelnd oder nicht, eine andere Strukturveränderung zeigt sich auf den Rücketiketten der ambitionierten Betriebe und der Qualitätsspitze. „Auffallend ist, dass das biologische Arbeiten hier inzwischen wie State of the Art ist“, sagt Weinjournalistin Kristine Bäder und Jurymitglied. 

Dieser Eindruck deckt sich auch mit den Zahlen des Verbands Deutscher Prädikatsweingüter: Über 35 Prozent der Mitglieder arbeiten mittlerweile ökologisch. Bis 2025 sollen alle zertifiziert nachhaltig arbeiten. Bei Neugründungen und Generationswechseln ist das pestizidfreie Arbeiten nahezu selbstverständlich.

Spannende Neugründungen

Nicolas Ohlinger mischt mit seinen Terroirweinen nicht nur das Anbaugebiet in Franken auf

Denn wie jedes Jahr sind es vor allem die neuen, unbekannten Namen, die unser Team am meisten überraschen. Weingüter, die sich binnen kurzer Zeit so stark entwickeln und den Charakter ihrer Weine immer konsequenter herausarbeiten. Oftmals hat dies mit einem Einstieg ins Familienweingut zu tun. Andere sind gänzlich neu auf dem Tableau: Winzerinnen und Winzer, die mit Neugründungen und ihren Weinen für Furore sorgen. Namen wie Nicolas Olinger, Carlo Schmitt und Janina und Julius Berizzi sollten Sie sich merken. Sie bringen nicht nur alteingesessene Weingüter und die gesamte Branche zum Umdenken, sondern sind Inspiration und Highlight für alle neugierigen Weinfans.  

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Behind the Scenes: Hier entsteht der Weinguide

Auch in diesem Jahr fand die große Verkostung im Relais & Châteaux Hotel Dollenberg im Schwarzwald statt. Hier finden wir optimale Bedingungen, um konzentriert zu arbeiten. Die Abende finden genussvollen Ausklang mit Blick ins Tal und feinen Kreationen von Martin Herrmann. Das Feinschmecker-Weinguide-Team besteht aus insgesamt sieben Verkosterteams, die nach Weinregionen testen. Die hochkarätige Jury setzte sich aus echten Weinprofis zusammen: Ingo Swoboda, Jens Priewe, Carina Patricio, Kenny Machaczek, Kristine Bäder, Birte Jantzen, Barbara Berger, Sebastian Russold, Nicole Retter, Miguel Montfort, Christoph Raffelt, Gabriele Heins und Katharina Matheis.

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